Finanzen

Schwache Auftragslage bei der deutschen Industrie

Die deutsche Industrie meldet eine anhaltende Flaute bei den Aufträgen aus der Euro-Zone.
07.06.2018 12:23
Lesezeit: 2 min

Die deutsche Industrie steckt in der längsten Auftragsflaute seit der weltweiten Finanzkrise 2008. Im April sammelte sie bereits den vierten Monat in Folge weniger Bestellungen ein. Die Unternehmen erhielten 2,5 Prozent weniger Aufträge als im Vormonat, wofür die schwache Nachfrage aus Deutschland und der Euro-Zone sorgte, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Das kommt überraschend: Von Reuters befragte Ökonomen hatten ein Wachstum von 0,8 Prozent erwartet. "Inwieweit hierbei Verunsicherungen insbesondere aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld eine Rolle spielen, ist schwer einzuschätzen", erklärte das Ministerium.

Der Handelskonflikt mit den USA, die Verunsicherung durch den näher rückenden EU-Austritt Großbritanniens und weltweit zunehmende Handelshürden wie höhere Zölle oder zusätzliche Zertifizierungen treffen Exporteuropameister Deutschland. "Insbesondere die handelspolitischen Konflikte tragen erhebliche Verunsicherung von außen rein", warnte die Expertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Sophia Krietenbrink. Besonders der Konflikt zwischen dem wichtigsten deutschen Exportkunden USA und der EU lässt bei vielen Investoren die Furcht vor einem weltweiten Handelskrieg aufkommen. Die USA haben Importzölle auf Stahl und Aluminium angehoben, weshalb die EU ab Juli ihrerseits Strafzölle einführen will – etwa auf Whiskey und Jeans.

Grund zur Panik sieht das Wirtschaftsministerium trotz der schwachen Auftragsentwicklung nicht. Es verweist darauf, dass der Auftragsbestand der Unternehmen mit einer Reichweite von 5,6 Monaten sehr hoch sei. Zudem stabilisierte sich das Geschäftsklima im Mai, wie die monatliche Umfrage des Ifo-Instituts unter Tausenden Managern ergab. Der DIHK sieht in der schrumpfenden Nachfrage aber ein schlechtes Zeichen. "Zwar sind die Auftragsbestände derzeit noch hoch", sagte Krietenbrink. "Der Aufschwung steht aber merklich auf dem Prüfstand."

Ob sich das Konjunkturbild nun grundlegend geändert hat, dürfte sich wohl erst nach den Mai-Daten sagen lassen, so der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. "Der globale Handelszwist dürfte dann aber zunehmend negativ wirken", betonte er. "Für den Moment gilt, dass der Auftragsbestand noch hoch ist und der Industrie vorerst Rückenwind gibt. Wegen der Kapazitätsengpässe sind der Produktion ohnehin Grenzen gesetzt."

Die deutsche Wirtschaft hatte bereits im ersten Quartal merklich an Schwung verloren. Ihr Wachstum halbierte sich gegenüber dem Vorquartal auf 0,3 Prozent. Waren dafür auch Sondereffekte wie Streiks und viele Arbeitsausfälle durch die Grippewelle mitverantwortlich, deutet die Auftragsentwicklung nicht auf einen kräftige Belebung hin. "Damit dürfte die deutsche Wirtschaft auch im zweiten Quartal nur moderat wachsen", sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen.

Die Auslandsnachfrage schrumpfte im April insgesamt um 0,8 Prozent. Dabei brachen die Bestellungen aus der Euro-Zone um 9,9 Prozent ein, während die aus dem Rest der Welt um 5,4 Prozent zunahmen. Die Inlandsnachfrage nahm um 4,8 Prozent ab. Besonders kräftig fielen die Bestellungen im Bereich "sonstiger Fahrzeugbau" mit fast 36 Prozent. Dazu zählen beispielsweise Schiffe, Züge sowie Flugzeuge. Diese Orders schwanken oft stark. Auch wenn dieser Bereich ausgeklammert würde, hätte sich ein Auftragsrückgang ergeben, der aber mit 0,6 Prozent deutlich kleiner ausgefallen wäre.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....