Politik

Seehofer feuert Bamf-Chefin Jutta Cordt

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die Präsidentin des Bundesamtes für Migration (Bamf), Jutta Cordt, entlassen.
15.06.2018 22:25
Lesezeit: 2 min

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) entlässt die Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt. «Er hat der Leitungsspitze des Bamf am Mittwoch mitgeteilt, sie von ihren Aufgaben zu entbinden», bestätigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Freitag in Berlin.

Ein Bamf-Sprecher konnte auf Anfrage nicht sagen, ob Cordt ihr Amt damit bereits aufgegeben hat oder nicht und verwies auf das Bundesinnenministerium. Dieses erläuterte die Formulierung nicht weiter.

Seehofer hatte laut dpa einen kleinen Kreis von Innenpolitikern der Koalition in dieser Woche über die Pläne informiert. Laut Spiegel soll auch der bisherige Vizepräsident der Behörde, Ralph Tiesler, ausgetauscht werden.

Vergangene Woche hatte Seehofer bereits «eine tiefgreifende Reform des Bamf» angekündigt, bezog sich damals aber noch auf Organisation und Verfahren.

Das Amt steht in der Kritik, nachdem in der Bremer Außenstelle womöglich 1200 Menschen Asyl ohne die nötige Rechtsgrundlage gewährt wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), wollte den Schritt kurz zuvor zwar nicht bestätigen. Sie äußerte aber vor Journalisten Verständnis für eine solche Entscheidung. Über Cordt sagte sie: «Sie hat eine gute Arbeit geleistet, aber Vertrauen kann man wahrscheinlich an der Stelle anders nicht wieder herstellen für einen Neuanfang.» Sie verwies unter anderem auf Reibereien zwischen Behördenleitung und Personalrat. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg meinte hingegen: «Das sieht doch sehr nach einem Bauernopfer aus.»

Die heute 54-jährige Juristin Cordt löste Anfang 2017 den früheren Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise ab. Sie sollte helfen, den Berg an ausstehenden Asylentscheidungen weiter abzutragen. «Meine Aufgabe wird sein, die Behörde so auszurichten, dass wir krisenfest sind», sagte sie bei ihrem Antritt. Zuletzt war sie durch die Ereignisse bei der Bremer Außenstelle immer stärker unter Druck geraten.

Der stellvertretende Personalrat des Bamf, Paul Müller, kritisierte noch in dieser Woche fehlende Ausbildungen und Schulungen. Völlig unzureichend ausgebildete Mitarbeiter würden nach wie vor über das Schicksal von Flüchtlingen entscheiden, sagte er am Donnerstag der Onlineredaktion des «Münchner Merkurs». Sie erhielten teilweise erst nach Jahren eine Grundschulung - und auch nur, wenn die Zahlen stimmten. «Seit 2015 nimmt die Politik und nimmt bis heute auch die Präsidentin (Jutta) Cordt in Kauf, dass weder die neu eingestellten Entscheider noch die sogenannten Qualitätsförderer über die notwendigen Kenntnisse verfügen, die eine am Rechtsstaatsgebot orientierte Bearbeitung der Asylverfahren gewährleisten könnten.»

Das Bamf war auch Thema bei einer Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag. Der frühere Innenminister Thomas de Maizière (CDU) übernahm dabei die politische Verantwortung für Missstände. ««Selbstverständlich trage ich als Innenminister für alle Vorgänge, die während meiner Amtszeit in meinem Geschäftsbereich stattgefunden haben, die volle politische Verantwortung», sagte er. Mit den mutmaßlichen Missständen bei der Bremer Bamf-Außenstelle war er nach eigenen Angaben aber nicht befasst.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...