Wenn Premierminister Benjamin Netanjahu in den nächsten Tagen Präsident Putin trifft, wird es in den das bereits zehnte Treffen der beiden in den vergangenen zwei Jahren sein.
Netanjahu lehnte zwar Putins großzügige Einladung ab, an dem letzten WM-Spiel in Russland teilzunehmen, was gute Freunde gemeinsam zu tun pflegen. Doch die Absage dürfte damit zusammenhängen, dass Netanjahu bereits früher nach Moskau reisen wird. Das Datum ist von Bedeutung, weil Netanjahu einige Tage vor dem Gipfeltreffen Putins mit US-Präsident Donald Trump in Helsinki am 16. Juli einige Themen besprechen dürfte, die von einiger Dringlichkeit sind.
Auf den ersten Blick wäre die simple Erklärung, dass Israel und die USA versuchen würden, Russland davon zu überzeugen, die iranische Präsenz auf allen syrischen Boden loszuwerden. Eine andere falsche Annahme ist, dass Israel bereit ist, die Herrschaft Assads, die von den Russen gerettet wurde, widerwillig zu akzeptieren.
Tatsächlich teilen mittlerweile Israel, Russland und Amerika dieselbe Position im Hinblick auf Syrien: Sie sind aktiv daran interessiert, Assad an der Macht zu halten. Russland braucht ihn dort als strategischen Partner. Trump hat kein Interesse daran, sich mit einem Problem auseinanderzusetzen, das er von Obama geerbt hat. Israel zieht einen mächtigen Politiker den verschiedenen Arten von Söldner-Milizen vor, die an dem Krieg an seiner Nordgrenze beteiligt sind.
Keiner der drei Staaten hat ein Interesse an der Präsenz des Iran oder seiner Stellvertreter in Syrien. Israel und Amerika aus offensichtlichen Gründen, Russland zieht die Kontrolle über die syrische Regierung einer Beteiligung des Iran vor. Assads massive Abhängigkeit von Russland ist eine gute Nachricht für Israel, nicht für den Iran.
Durch diese Entwicklung wird Assad ein wichtiger strategischer Partner für Israel. Aber wie immer im Orient und im Nahen Osten gibt es viel mehr Geben und Nehmen zu diesem Austausch. „Israel und Russland haben im Mai dieses Jahres ein weitreichendes Verständnis erreicht, als die israelische Hymne am Tag des russischen Sieges über die Nazis in Anwesenheit von Netanjahu auf dem Roten Platz in Moskau gespielt wurde. Es war keine kleine Geste“, sagt Zvi Magen, der in dem Thema kenntnisreich ist wie kaum ein anderer. Magen war, neben vielen anderen Positionen, früher israelischer Botschafter in Russland und der Ukraine und arbeitete als hoher Offizier für den Militärgeheimdienst der israelischen Armee. Derzeit ist er Senior Fellow am Institute for National Security.
Magen sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Die Verständigung zwischen Russland und Israel bezüglich Assad und Iran hat einen Preis. Im Gegenzug erwartet Russland eine amerikanische Gegenleistung auf dem kommenden Gipfel von Trump und Putin, eine unterstützende Haltung gegenüber den russischen Interessen auf der Krim, in der Ukraine und in Osteuropa.“ Laut Magen ist Europa zutiefst besorgt über die russisch-amerikanische Annäherung. Die Europäer fragten sich, „welche Gegenleistung Trump Russland anbieten wird, damit die Russen die Rolle des Iran in Syrien minimieren oder sogar ganz aus dem Land zurückdrängen.“
Magen ist der Auffassung, dass es Israel war, das Trump in dieses Geschäft einbrachte. Einige halten es sogar für denkbar, dass Israel als Hauptvermittler zwischen den USA und Russland agiert. Lange Zeit versuchte Russland, sich mit Amerika zu verständigen, aber ihm wurde immer die kalte Schulter gezeigt – und das trotz des russischen Kampfes gegen den IS.
„Niemand hat mit ihnen geredet“, sagt Magen. Die Russen selbst sind misstrauisch geworden, weil sie den Verdacht hegen dass die USA nicht zusammenarbeiten, sondern Russland in einen langen Krieg in Syrien verwickeln wolle.
Tatsächlich muss Russland darauf achten, nicht in eine ähnliche Falle tappt wie die Sowjetunion in Afghanistan, wo das Land nach einem zehnjährigen Krieg abziehen musste, ohne irgendetwas erreicht zu haben.
Daher werden die Russen darauf achten, bei der Neuordnung im Nahen Osten nicht auf der Seite der möglichen Verlierer zu stehen. Moskau wird darauf achten, auch zur der von den USA und Israel forcierten Achse mit Saudi-Arabien, Ägypten und den Golf-Staaten eine Verbindung herzustellen und sich nicht nur auf den Iran, den Irak und den Jemen verlassen.
Unter Putin hat Russland bei aller Neuorientierung nach Eurasien immer eine Partnerschaft mit dem Westen gesucht. Der Eintritt in diesen „Club“ wurde den Russen verwehrt.
Zvi Magen erwartet daher, dass es – wenn auch vermutlich nicht öffentlich - in Helsinki zwischen Trump und Putin zu einem Deal kommen könnte: Russland sorgt dafür, dass der Iran in Syrien keine führende Rolle erhält, die Amerikaner kommen Putin bei der Ukraine und der Krim entgegen. Die EU fürchtet, dass es zwischen den USA und Russland zu einer direkten Verständigung kommen könnte. Dieser würden den Minsker-Prozess aushebeln, für den vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel stets gekämpft hat. Außer einer fragilen Waffenruhe hat der Prozess allerdings nicht viel gebracht - vor allem keine Perspektive für die Zukunft der Ost-Ukraine.
Einen Hinweis, dass es in diese Richtung gehen könnte, hatte Trump vor einigen Tagen selbst geliefert: Trump hatte Journalisten, die mit ihm an Bord der Air Force One gewesen sind, eine mögliche Anerkennung der Krim angedeutet. Auf Nachfrage der Journalisten, ob die USA Russlands Anspruch auf die Krim anerkennen werden, antwortete er: „Wir werden es sehen müssen (...) Ich werde mit ihm über alles reden. Wir werden über die Ukraine sprechen, wir werden über Syrien sprechen…“
Laut Magen und einigen anderen Experten spielt Israel eine Schlüsselrolle in dieser Entwicklung – wobei Israel von der Entwicklung profitieren oder aber alle Schritte zunichtemachen könnte. Vor allem diese komplexen Arrangements dominiert die Erkenntnis, dass Trumps lang erwarteter Friedensplan nicht auf dem Frieden zwischen Israel und den Palästinensern beschränkt sein, sondern ein Plan für die gesamte Region sein solle. Unter diesen neuen Umständen könnte Israel einerseits Assad akzeptieren und und seine humanitäre Hilfe für zivile Flüchtlinge an seiner Grenze anbieten. Beide Schritte sollen, so Magen, die Basis zukünftiger Beziehungen sein.
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Lily Galili ist eine der renommiertesten Journalistinnen in Israel. Sie arbeitete viele Jahre für die Zeitung Ha’aretz, war Nieman-Fellow in Harvard und ist heute Autorin für I24News. Schwerpunkt ihrer Reportagen sind die ethnischen Gruppen in Israel, Araber, Drusen und Russen. Sie hat ein vielbeachtetes Buch über die russischen Immigranten geschrieben. Sie ist Mitglied des Syrian Aid Committee.
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