Politik

Konflikt mit Russland: Ukraine verhängt Kriegsrecht

Der ukrainische Präsident Poroschenko hat das Kriegsrecht ausrufen. Dies würde dazu führen, dass die Wahlen in der Ukraine annulliert werden.
26.11.2018 14:34
Lesezeit: 4 min

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Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat am Montag das Kriegsrecht ausgerufen. Die Maßnahme folgt einem Zwischenfall im Asowschen Meer zwischen den russischen und der ukrainischen Marine.

Nach Angaben des Russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) überquerten am Sonntagmorgen drei Schiffe der ukrainischen Marine, Berdyansk, Nikopol und Yany Kapu, illegal die Seegrenze Russlands und versuchten am Sonntag illegale Aktionen in russischen Hoheitsgewässern durchzuführen, meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS. Die Russen bestätigen, dass sie die Schiffe unter Beschuss genommen hätten.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS: „Die Tatsache, dass diese Provokation mit Zustimmung und direkter Anordnung der Führung erfolgte, kann nicht angezweifelt werden." Die ukrainische Seite habe diese "Provokation" geplant und setze darauf, vom Westen "blind" unterstützt zu werden.

Lawrow: „Wir appellieren nachdrücklich an die westlichen Sponsoren von Kiew, diejenigen zu beruhigen, die versuchen, die militärische Hysterie auszunutzen, um politische Punkte in Bezug auf die bevorstehenden Wahlen und andere Ereignisse in der Ukraine zu sammeln.“

Wladimir Schabarow, Mitglied des russischen Oberhauses, meint, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Spannungen dazu nutzen möchte, um zuerst das Kriegsrecht auszurufen. Doch das eigentliche Ziel sei es, eine Annullierung der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen, die für das nächste Frühjahr geplant sind, herbeizuführen. Die TASS zitiert Schabarow: „Die Logik legt nahe, dass das Kriegsrecht in erster Linie eine vollständige Mobilisierung vorsieht, die Streitkräfte des Landes weiter in Alarmbereitschaft versetzt, die Bürgerrechte und -freiheiten einschränkt und alle Wahlen abschafft.“

Nach einer aktuellen Umfrage, würden bei den Präsidentschaftswahlen 21 Prozent der Wähler für Timoschenko, aber nur zehn Prozent der Wähler für Poroschenko stimmen.

Der türkische Geopolitiker İlyas Kemaloğlu (Kamalov) sagt in einem Interview mit dem Blatt Haber 7: „Diese Krise ist vor allem für die Ukraine vorteilhaft. Erstens werden am 31. März 2019 Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Poroschenko als Sieger aus den Wahlen hervorgeht, ist gering. Mit dieser Art von Krisen mobilisiert Poroschenko die nationalistischen Wähler. Er entsendet folgende Botschaft: ,Schaut mal, ich nehme es sogar mit Russland auf'. Die zweite Botschaft Poroschenkos geht in Richtung der NATO. Poroschenko will mit dieser Krise zeigen, dass die nationale Sicherheit der Ukraine bedroht ist. Dadurch will er den Prozess für einen NATO-Beitritt der Ukraine beschleunigen.“

Reaktionen der NATO und des Westens

Auf Nachfrage, wie die NATO die aktuelle Situation im Asowschen Meer einschätzt, sagte ein NATO-Sprecher den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Der NATO-Generalsekretär und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprachen heute Morgen über die Entwicklungen im Asowschen Meer und in der Straße von Kertsch, einschließlich der gestrigen Ereignisse, an denen russische und ukrainische Marineschiffe beteiligt waren.

Der Generalsekretär drückte die volle Unterstützung der NATO für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine aus, einschließlich ihrer vollen völkerrechtlichen Navigationsrechte in ihren Hoheitsgewässern. Auf Ersuchen von Präsident Poroschenko stimmte der Generalsekretär zu, an diesem Nachmittag in Brüssel eine außerordentliche Sitzung der NATO-Ukraine-Kommission einzuberufen, um die aktuelle Situation zu erörtern.“

Die NATO-Sprecherin Oana Lungescu teilt über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: „Die NATO verfolgt die Entwicklungen im Asowschen Meer und in der Straße von Kertsch aufmerksam. Wir stehen in Kontakt mit den ukrainischen Behörden (...) Wir fordern Russland auf, im Einklang mit dem Völkerrecht den ungehinderten Zugang zu den ukrainischen Häfen im Asowschen Meer sicherzustellen.“

Der estnische Premierminister Juri Ratas hat ein außerordentliches Treffen des Sicherheitskomitees der estnischen Regierung einberufen, um die russischen Maßnahmen gegen die Ukraine im Schwarzen Meer und in den benachbarten Gebieten zu diskutieren, berichtet KTRE 9. Ratas sagt, dass „das, was in der Straße von Kertsch passiert ist, eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts ist“.

Der estnische Außenminister Sven Mikser hat am Montag die Ereignisse im Asowschen Meer als „eine bewusste Handlung zur Verschärfung der Spannungen“ bezeichnet, während die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite über Twitter mitteilte, dass „eine weitere krasse Verletzung des Völkerrechts und der russischen Verpflichtungen“ vorliege.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas teilte am Montag über Twitter mit: „Die Entwicklungen in der Ukraine sind besorgniserregend. Eine russische Blockade der Durchfahrt ins Asowsche Meer ist nicht akzeptabel. Wichtig ist, dass diese Blockade aufgehoben wird. Wir rufen beide Seiten zur Deeskalation auf.“

Rechtlicher Hintergrund

Hinter den Spannungen steckt eine seerechtliche Logik. Die Jamestown Foundation führt aus, dass die Ukraine ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt: „Erstens wägt Kiew die Möglichkeit ab, sich aus dem Abkommen von 2003 mit Russland zurückzuziehen, das das Asowsche Meer gleichermaßen aufteilt und verhindert, dass ausländische Kriegsschiffe ohne ihre Zustimmung das Meer betreten konnten. Durch den Austritt aus diesem Vertrag würden die Territorialgewässer der Ukraine und Russlands im Asowschen Meer nach internationalem Recht nur zwölf Seemeilen von ihren jeweiligen Küsten entfernt sein, während das Innere des Meeres zu internationalen Gewässern werden würde. Darüber hinaus würden die Kriegsschiffe der NATO legal in das Asowsche Meer eindringen.“

Das European Council on Foreign Relations (ECFR) plädiert für eine UN-Mission im Asowschen Meer. Doch eine derartige Mission müsste sowohl von Kiew als auch von Moskau abgesegnet werden. Die Aufgaben der Mission sollten nicht nur die Bewegungsfreiheit gewährleisten, sondern auch die Überwachung, so das ECFR. Es sollte auch Begleitschiffe für ukrainische und andere Schiffe bereitgestellt werden. Diese sollten die Befugnis erhalten, Schiffe abzufangen und zu inspizieren sowie Absprachen zur Lösung von Zwischenfällen zu organisieren. Ein neutrales Drittland mit maritimen Fähigkeiten wie Indien könnte die Mission leiten. Russland kann nach Angaben des ECFR sein Veto im UN-Sicherheitsrat jederzeit nutzen, hat aber angesichts der teuren Infrastruktur, die in der Region erbaut wurde, ein langfristiges Interesse an der Verringerung der Spannungen.

Am 26. November 2018 hat der russische UN-Botschafter Dmitry Polyanski angesichts der aktuellen Spannungen im Asowschen Meer eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert.

Ukrainische Nationalisten

Die rechtsorientierte ukrainische Söldner-Truppe Rechter Sektor kritisiert auf ihrer Webseite, dass die Ukraine trotz der Spannungen mit Russland immer noch Handel mit Russland betreibe. Angesichts des Konflikts im Asowschen Meer meldet der Rechte Sektor: „Russische Finanzinstitute in unserem Land arbeiten regelmäßig, der Handel mit dem Besatzer hört nicht auf, die diplomatischen Beziehungen mit dem Land des Angreifers werden nicht unterbrochen (...) Zwei parallele Welten: eine, in der Krieger, ihre Familien, Freiwillige und alle Ukrainer, die sich dem Sieg nähern, leben und die andere, in der der Präsident, die Regierung, das Verteidigungsministerium, der Generalstab und alle Beamten leben. Für sie gibt es keinen Krieg, da es keine besetzte Krim gibt.“

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