Die Abgeordneten in London gelangten am Dienstag zu dem Schluss, dass die Regierung das Parlament missachtet habe, weil sie sich weigerte, ein Rechtsgutachten zum Brexit zu veröffentlichen. Zum anderen setzte sich eine Gruppe aus Mays konservativer Partei mit dem Anliegen durch, dem Unterhaus mehr Mitspracherecht bei den nächsten Schritten der Regierung einzuräumen, falls die Kammer bei der entscheidenden Abstimmung am 11. Dezember den Brexit-Vertrag mit der EU ablehnt. Beide Vorgänge galten als symbolträchtig, da sie unterstrichen, wie groß der Widerstand im Parlament gegen den Brexit-Kurs der Premierministerin ist.
Zahlreiche Abgeordnete auch aus Mays eigener Partei laufen Sturm gegen den Brexit-Vertrag mit der EU. Sollte das Unterhaus die Vereinbarung am 11. Dezember ablehnen, droht Ende März 2019 ein ungeregelter EU-Ausstieg Großbritanniens, was vor allem die Wirtschaft fürchtet. Notenbankchef Mark Carney bekräftigte Warnungen vor größeren wirtschaftlichen Schäden im Fall eines Austritts ohne Abkommen.
May versuchte mit Nachdruck, in der Unterhaus-Debatte Zweifler auf ihre Seite zu ziehen. Der Streit dauere schon lange genug. "Er zersetzt unsere Politik und das Leben hängt von Kompromissen ab." Die oppositionelle Labour-Partei hielt dagegen. May müsse ein besseres Abkommen aushandeln oder abtreten und Labour übernehmen lassen.
Einen herben Dämpfer erfuhr May, als die Abgeordneten mit 311 zu 293 für einen Antrag stimmten, der die sofortige Freigabe eines für die Regierung erstellten Rechtsgutachtens zum Brexit anordnet. Die Regierung hatte dies bislang abgelehnt und lediglich eine Zusammenfassung veröffentlicht.
"Die heutige Feststellung der Missachtung ist ein Schandmal für diese Regierung", sagte Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer. Noch nie zuvor habe das Unterhaus befunden, dass Minister das Parlament missachtet hätten. Die Regierung lenkte schließlich ein und kündigte an, den gesamten Text den Abgeordneten zukommen zu lassen.
Gleichzeitig machte den Brexit-Gegnern ein Gutachten für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) Hoffnung. Die britische Regierung könnte nach Einschätzung eines Generalanwalts beim EuGH die Absichtserklärung zum Austritt aus der Europäischen Union einseitig zurücknehmen, wie das oberste EU-Gericht mitteilte. Ein Sprecher von Premierministerin Theresa May erklärte, dies ändere nichts an der Haltung der Regierung, an der Austrittserklärung festzuhalten. "Wir müssen einen Brexit liefern, der die Entscheidung des britischen Volks respektiert", sagte sie vor den Abgeordneten im Unterhaus in Anspielung auf das Referendum, bei dem die Briten im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für einen EU-Abschied gestimmt hatten.