Politik

Erdogan will Türkei in Bundesstaaten aufteilen

Der türkische Präsident Erdoğan möchte die Türkei in Bundesstaaten aufteilen. Die Befugnisse der Zentralregierung sollen beschnitten werden.
07.12.2018 00:45
Lesezeit: 2 min

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Ende November 2018 hat eine Delegation der türkischen Regierungspartei AKP unter der Leitung der AKP-Politikerin Ravza Kavakçı Deutschland besucht, um Gespräche mit deutschen Politikern zu führen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter meldete Kavakçı, dass die Delegation den Bundesrat besucht habe, um Informationen über das Konzept eines föderalen Systems einzuholen. Der Besuch erfolgte im Auftrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der Regierung. Seit geraumer Zeit werfen oppositionelle türkische Medien Erdoğan vor, dass dieser plane, die Türkei in ein föderales System nach dem Vorbild des ehemaligen Jugoslawiens umzugestalten.

Im Jahr 2013 hatte Erdoğan bereits angekündigt, die Türkei in verschiedene Bundesländer spalten zu wollen. Der türkischsprachige Dienst der BBC zitiert den türkischen Präsidenten: "Wenn wir uns das Osmanische Reiche anschauen, sehen wir, dass es in diesem starken Osmanischen Reich eine Provinz namens Lazistan, und noch interessanter, Kurdistan gegeben hat. Dann schauen wir in den Süden und sehen erneut weitere Provinzen". Erdoğan meint, dass "starke Staaten" allesamt in Bundesstaaten aufgeteilt seien.

Zuvor hatte auch Kenan Evren, der in der Position des Generalstabschefs am 12. September 1980 einen pro-amerikanischen Putsch in der Türkei durchgeführt hatte, sich für die Spaltung der Türkei in acht Bundesländer ausgesprochen. Seinem Vorschlag zufolge ist die Türkei in acht Bundesländer aufzuteilen.

Der aktuelle militärische Chefberater des türkischen Präsidenten, Adnan Tanrıverdi, unterstützt ebenfalls eine Aufteilung der Türkei. Die Zeitung T24 zitiert Tanrıverdi: "Das föderale System muss eingeführt werden. Die provinzielle Organisation und der Staat der Türkischen Republik müssen neu gestaltet werden."

Şükrü Karatepe und Mehmet Uçum sind zwei weitere Berater des türkischen Präsidenten, die sich für verschiedene Modelle zur Schwächung der Zentralregierung einsetzen, um den Provinzen in der Türkei und den Großstädten mehr Kompetenzen zugestehen wollen.

Metin Feyzioğlu, Präsident der Rechtsanwaltskammer der Türkischen Republik, führt aus, dass die neue Verfassung der Türkei, die im kommenden Jahr vollständig in Kraft treten soll, dem türkischen Präsidenten zahlreiche Kompetenzen übertrage, so die Zeitung Sözcü. Die Artikel 123, 124 und 127 der neuen Verfassung geben Erdoğan das Recht, die Türkei per Dekret in Bundesländer aufzuteilen.

Hasan Celal Güzel, der  zwischen 1986 und 1987 Staatsminister und danach von 1987 bis 1989 Minister für Bildung, Jugend und Sport gewesen ist, führt in einem Artikel der Zeitung Sabah aus, dass die Einführung eines föderalen Systems in der Türkei zur Spaltung führen wird. Derartige Beispiele seien im Zusammenhang mit der UDSSR und Jugoslawien vorzufinden. Das Beispiel der USA greife deshalb nicht, weil die USA als Einheit nicht in verschiedene Bundesstaaten geteilt wurden, sondern weil verschiedene unterschiedliche Teile zu einem gemeinsamen Nenner zusammengefügt wurden. Das geht auch aus dem US-Wappenspruch "E pluribus unum" ("Aus vielen eines") hervor.

Dasselbe gilt auch für Deutschland, dass über Jahrhunderte lang in verschiedene Staaten und Länder zerteilt gewesen ist, und nur durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in einem "Staatenbund" zusammengehalten werden konnte.

Öcalan will auch föderales System

Die Zeitung Sabah berichtet, dass der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan sich ebenfalls für eine föderale Türkei einsetzte. Im Jahr 2009 veröffentlichte er ein 200-seitiges Papier, in dem er ausführte, dass das Gewaltmonopol des Staats und die Judikative in den südöstlichen Provinzen den Kurden als ethnische Gruppe zu übertragen sei. Der inhaftierte HDP-Chef Selahattin Demirtaş schließt sich ebenfalls der Idee des türkischen Präsidenten an. "In der Türkei kann eine Lösung gefunden werden, indem diversen Bundesstaaten - wie in Österreich - ernsthafte Befugnisse übertragen werden", zitiert OdaTV den HDP-Politiker.

Cengiz Çandar, der an der Universität Stockholm forscht, führt in einem Artikel der Hürriyet aus, dass der ehemalige türkische Premier Turgut Özal ebenfalls für eine Umstrukturierung der Türkei in eine Föderation gewesen ist. Dabei soll Özal den "ethnischen" Aspekt hervorgehoben haben. In jenen Bundesstaaten mit einer mehrheitlich kurdischen Bevölkerung würden dann Gouverneure regieren, die ebenfalls Kurden sind. "Turgut Özal hatte ein aktives und kreatives Köpfchen. Das von Özal angedachte Modell eines ,föderalen Staats' harmonierte mit dem Gedanken des Präsidialsystems. Dabei dachte Özal vor allem an das US-amerikanische Modell. Seinen Gedanken zufolge sollten die Gouverneure und Polizeichefs (der jeweiligen Bundesstaaten, Anm. d. Red.) vom Volk gewählt werden."

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