Politik

Brexit-Chaos: May will mit EU nachverhandeln

Großbritannien will mit der EU Nachverhandlungen führen, um eine Ablehnung des Brexit-Deals zu verhindern. Die für Dienstag angesetzte Abstimmung wurde verschoben.
10.12.2018 15:02
Lesezeit: 2 min

Alice Ritchie und Dario Thuburn von der AFP berichten:

Das Drama um den Brexit geht in eine weitere Runde. In Erwartung einer sicheren Abstimmungsniederlage im Unterhaus hat Großbritanniens Premierministerin Theresa May die Verschiebung der für Dienstag geplanten Abstimmung über den Austrittsvertrag angekündigt. Sie strebe zunächst weitere Verhandlungen mit Brüssel an, sagte May am Montag vor dem Parlament. Die EU bot ihr Gespräche an und berief für Donnerstag einen Brexit-Gipfel ein. Eine Neuverhandlung des Abkommens schloss Brüssel aber kategorisch aus.

May räumte vor den Abgeordneten ein, dass das von ihrer Regierung ausgehandelte Austrittsabkommen mit der EU keine Aussicht auf eine parlamentarische Mehrheit hatte: "Das Abkommen wäre mit einer beträchtlichen Mehrheit abgelehnt worden." Mit der Verschiebung des Votums gewinnt May Zeit. Die Umstände des britischen Ausscheidens aus der EU sind wieder völlig ungewiss.

May strebt nun nach eigenen Worten weitere Verhandlungen mit der EU über die Brexit-Einigung an. Dies hatten die Kritiker des Brexit-Abkommens von ihr verlangt. Sie werde ihren EU-Kollegen die "deutlichen Bedenken" des britischen Unterhauses vortragen und "weitere Zusicherungen" aus Brüssel verlangen, sagte May. Ihre Regierung wolle zugleich die Vorbereitungen für einen EU-Austritt ohne Abkommen vorantreiben.

EU-Ratspräsident Donald Tusk bot der britischen Regierung am Abend Gespräche über ein mögliches Entgegenkommen an. Es werde keine Nachverhandlungen zu dem Brexit-Abkommen geben, betonte er. "Wir sind aber bereit, darüber zu sprechen, wie die britische Ratifizierung erleichtert werden kann."

Die Gespräche sollen auf einem Brexit-Gipfel stattfinden, der am Donnerstag am Rande des regulären EU-Gipfels in Brüssel stattfinden soll. "Die Zeit wird knapp", warnte Tusk.

May geht nach eigenen Worten davon aus, dass es im Unterhaus eine Mehrheit für das Abkommen gibt, wenn sie die EU zu Zugeständnissen bewegen kann. Allerdings dämpfte May die Erwartungen von Brexit-Hardlinern, die sich an der Regelung für die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland - der so genannte Backstop - gestört hatten. "Es ist kein Deal erhältlich, der keinen Backstop beinhaltet."

Die britische Opposition reagierte mit Häme auf die Verschiebung der Brexit-Abstimmung. Oppositionsführer Jeremy Corbyn sprach von einer "Verzweiflungstat" der Regierungschefin. Er warf der Regierung vor, die Kontrolle über die Ereignisse verloren zu haben. Es herrsche "völlig Verwirrung". Labour hatte zuvor Neuwahlen gefordert und einen Misstrauensantrag gegen May angekündigt, sollte sie die Abstimmung verlieren.

Die schottische Regionalpartei SNP kündigte an, einen solchen Antrag zu unterstützen. Schottlands Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon bescheinigte May und der Regierung angesichts der Verschiebung "erbärmliche Feigheit".

Harte Kritik an der Verschiebung des Votums gab es auch in den Reihen der Brexit-Hardliner in Mays konservativer Partei. "Wir können so nicht weitermachen", sagte der Abgeordnete Jacob Rees-Mogg. "Die Premierministerin muss entweder regieren oder gehen."

Das britische Pfund ging nach Mays Ankündigung auf Talfahrt. Sein Wert sank bis 17.00 Uhr (MEZ) um mehr als 1,5 Prozent auf 1,2527 Dollar.

Derweil entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil, dass Großbritannien den Brexit ohne Zustimmung der übrigen EU-Staaten eigenständig wieder stoppen könnte. Die Möglichkeit einer einseitigen Rücknahme besteht für Großbritannien laut EuGH bis zum Ende der Zweijahresfrist nach der Austrittserklärung. Diese Frist endet am 29. März 2019.

Denkbar ist auch ein Rückzieher vom Brexit. Die Schwelle dafür ist niedriger als gedacht, wie aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg hervorgeht. Großbritannien könnte demnach den Brexit einseitig und ohne Zustimmung anderer EU-Länder stoppen.

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