Im Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2 erhöhen die USA den Druck auf Deutschland und drohen deutschen Unternehmen nun offen mit Sanktionen. "Unternehmen, die an Nord-Stream-Projekten mitarbeiten, laufen Gefahr, mit Sanktionen belegt zu werden", sagte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, am Donnerstag in Berlin.
Er betonte, dass die Festnahme ukrainischer Soldaten durch die russische Küstenwache an der Zufahrt zum Asowschen Meer ein "wirklicher Bruch" sei. "Ich denke, das sollte die deutsche Regierung daran erinnern, dass die wachsende russische Aggression eine Dynamik hat, die nicht mit dem Kauf zusätzlichen Gases belohnt werden sollte."
Nord Stream 2 soll Gas direkt von Russland über die Ostsee nach Deutschland transportieren. Mehrere deutsche Unternehmen sind an der Pipeline beteiligt. Der Bau der 1200 Kilometer langen Trasse hat längst begonnen. Die USA und die Ukraine, aber auch einige östliche EU-Staaten wie Polen wollen es stoppen.
Sie argumentieren mit der Bedrohung, die von Russland ausgehe. Grenell verwies darauf, dass 33 000 US-Soldaten in Deutschland zum Schutz vor Russland stationiert seien. "Man kann russische Aggression nicht finanzieren und gleichzeitig die Amerikaner um Schutz vor russischer Aggression bitten. Das wirkt sehr heuchlerisch." Der US-Steuerzahler sei verärgert, dass sich Freunde so verhielten.
Bei der Projektgesellschaft Nord Stream 2 ist der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseigner. Die Gesellschaft hat Finanzierungsvereinbarungen unterzeichnet mit den deutschen Konzernen Wintershall und Uniper sowie der niederländisch-britischen Shell, Engie (einst GDF Suez) aus Frankreich und OMV aus Österreich.
Die Betreiber betonen, die Pipeline sei notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, denn die Gasproduktion in Europa werde sich verringern. Mittel- und langfristig werde das über Nord Stream 2 transportierte Gas im Vergleich zu Flüssigerdgas (LNG) "erhebliche Preisvorteile" für europäische und insbesondere deutsche Verbraucher in Industrie und Haushalten bieten. Vor allem die USA versuchen seit geraumer Zeit, ihr im Überschuss vorhandenes und gefördertes Flüssigerdgas in Europa zu verkaufen.
Ein Sprecher von Nord Stream 2 wollte die Äußerungen Grenells am Donnerstag nicht kommentieren. Er wies darauf hin, dass Nord Stream 2 die Genehmigungen in vier von fünf Ländern habe, das Projekt werde entsprechend umgesetzt. Für Nord Stream 2 seien vertragliche Vereinbarungen mit 670 Unternehmen aus 25 Ländern eingegangen worden, die ein Auftragsvolumen von mehr als 6 Milliarden Euro hätten. Allein in Deutschland habe das Projekt mehr als 2 Milliarden Euro investiert.
Die Bundesregierung weist stets darauf hin, dass es sich um ein wirtschaftliches Projekt handelt. Trotz des Drucks aus den USA und Europa war sie bisher nicht bereit, ihm die politische Unterstützung zu entziehen - auch nicht nach der jüngsten Eskalation des Ukraine-Konflikts. Die russische Küstenwache hatte Ende November Boote der ukrainischen Marine gewaltsam an der Fahrt durch die Meerenge von Kertsch vor der Küste der von Russland annektierten Krim gehindert. Die Boote samt Besatzung wurden festgesetzt.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte nach dem Vorfall gesagt: "Der Rückzug der deutschen Unternehmen aus diesem Projekt würde nicht dazu führen, dass diese Gaspipeline nicht gebaut würde, sondern sie würde dann von Russland alleine gebaut werden." Die Bundesregierung habe Russlands Präsidenten Wladimir Putin abgerungen, dass im Rahmen des Projekts auch die Infrastruktur zum Gastransit durch die Ukraine erneuert wird. So würden der Ukraine wichtige Einnahmen nicht entgehen.