Zur Abwehr eines Einmarschs der türkischen Streitkräfte hat die syrische Armee am Freitag Stellung bei der strategisch wichtigen Stadt Manbidsch nahe der Grenze zur Türkei bezogen. Ein Armeesprecher erklärte im Staatsfernsehen sogar, die Soldaten hätten in der Stadt die syrische Nationalflagge gehisst. Dem widersprach das US-Militär: Die syrische Armee sei nicht in Manbidsch eingerückt, erklärte der Sprecher des US-Zentralkommandos, Oberstleutnant Earl Brown.
Kurz zuvor hatten die syrischen Kurden, die sich durch den geplanten US-Truppenabzug aus Syrien in Bedrängnis sehen, die Regierung in Damaskus um Beistand gegen die Türkei gebeten. "Wir laden die syrischen Regierungstruppen ein, die Kontrolle über die Gebiete zu übernehmen, die wir ihnen entzogen haben, insbesondere von Manbidsch, und diese Gebiete gegen eine türkische Invasion zu verteidigen", erklärten die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die damit das Zweckbündnis mit dem syrischen Militär unterstrichen.
Der syrische Armeesprecher sagte, das Militär werde "den Terrorismus zerschlagen und alle Invasoren und Okkupanten besiegen". Es wäre das erste Mal seit sechs Jahren, dass sich syrische Streitkräfte in der 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernten Stadt befinden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Freitag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Im Mittelpunkt des Gesprächs habe die internationale Lage, insbesondere in Syrien und in der Ukraine, gestanden, teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, mit. Mit Blick auf Syrien hätten die Bildung eines Verfassungskomitees sowie der angekündigte Abzug der US-Streitkräfte im Vordergrund gestanden. Beide Gesprächspartner seien sich einig gewesen, dass die Fortentwicklung eines politischen Prozesses zur Beilegung des Konflikts in Syrien mit Nachdruck verfolgt werden müsse.
Die US-geführte Militärkoalition habe keine Anzeichen für einen militärischen Führungswechsel in Manbidsch, sagte US-Armeesprecher Brown. Er forderte alle Seiten auf, die "Integrität von Manbidsch und die Sicherheit der Einwohner" zu respektieren. "Unsere Mission hat sich nicht geändert", fügte er hinzu. "Wir werden weiter unsere Koalitionspartner unterstützen, während wir einen freiwilligen und kontrollierten Rückzug unserer Kräfte vornehmen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Manbidschs Vizebürgermeisterin Nura al-Hamad sagte AFP, die Regierungstruppen würden nicht selbst in die Stadt einrücken. Sie würden sich auf der Demarkationslinie zu den von der Türkei unterstützten Milizen positionieren. Soldaten aus den USA und Frankreich befänden sich weiterhin auf ihren Positionen in der Stadt und setzten ihre Patrouillen fort.
Die YPG hatten Manbidsch 2016 erobert und damals die Kämpfer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) aus der Stadt vertrieben. Dabei waren sie von der internationalen Anti-IS-Koalition unter Führung der USA mit Luftangriffen, Spezialkräften und Waffen unterstützt worden.
Die YPG-Präsenz in der Stadt westlich des Euphrat war der Türkei von Beginn an ein Dorn im Auge, da sie ein unabhängiges kurdisches Gebiet an ihrer Südgrenze verhindern will. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor kurzem eine Militäroffensive angekündigt, um die YPG aus der Region zu vertreiben.
Das türkische Verteidigungsministerium erklärte am Freitag, die syrischen Kurden hätten "nicht das Recht", sich Beistand aus Damaskus zu holen. Syriens Verbündeter Russland hingegen, das Staatschef Baschar al-Assad im September 2015 um militärischen Beistand gebeten hatte, begrüßte den Vorstoß der syrischen Armee.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, der Vormarsch trage zur "Stabilisierung der Lage" bei. Russland will Anfang Januar einen weiteren Syrien-Gipfel mit den Präsidenten des Iran und der Türkei einberufen.
Vergangene Woche hatte US-Präsident Donald Trump überraschend den Abzug der rund 2000 US-Soldaten aus Syrien angekündigt, woraufhin Erdogan erklärte, die YPG würden nun aus der Region vertrieben. Wegen der US-Truppenpräsenz in Nordsyrien hielt sich Ankara bis zu diesem Zeitpunkt mit Angriffen zurück.
Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton kündigte unterdessen an, dass er im Januar in die Türkei und nach Israel reisen werde, um die Lage in Syrien zu erörtern. Ankara hat den US-Truppenabzug begrüßt, während Israel sich besorgt zeigt.