Technologie

Die Automatisierung erfasst die Logistik-Branche

Lesezeit: 3 min
08.02.2019 17:27
Der Einsatz von Robotern in der Logistik-Branche nimmt deutlich zu.
Die Automatisierung erfasst die Logistik-Branche
Roboter an einer Werkbank. (Foto: InfoWorld)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von der zunehmenden Automatisierung der Logistikbranche:

Im Amazon-Logistikzentrum Winsen bei Hamburg wuseln Roboter durch die Halle und bringen ganze Regale zu den Mitarbeitern: "Es ähnelt ein bisschen einem Ballett", schildert ein Amazon-Sprecher die Szene. "Durch den Einsatz der Roboter können wir den vorhandenen Platz besser nutzen und haben die Möglichkeit, die Ware enger zu lagern. Da haben wir mehr Auswahl auf weniger Platz, was wiederum kürzere Laufwege für unsere Mitarbeiter bedeutet", sagt er. Aber nicht nur der US-Online-Riese setzt Roboter in seinen Lagern ein. Der technologische Wandel erfasst gerade rasant die gesamte Logistik-Industrie.

Der Branchendienst IFR geht davon aus, dass 2017 rund 69.000 Logistik-Roboter verkauft wurden, 2018 sollen es schon 115.000 Maschinen gewesen sein. Bis 2021 seien Steigerungsraten von 40 Prozent pro Jahr zu erwarten. Bisher verdrängen die Roboter keine Mitarbeiter, denn sie sind bei vielen Tätigkeiten noch weit davon entfernt, Menschen ersetzen zu können. Die Produktivität steigern sie aber bereits. Und das ist auch nötig. Schließlich bestellen immer mehr Deutsche im Internet und lassen sich den Einkauf liefern - und viele Unternehmen aus der Industrie überlassen ihre Lager Logistikern. "Der anhaltende E-Commerce-Boom macht hohe Investitionen in die Logistiknetzwerke nötig, weil Kunden verstärkt erwarten, dass die Ware innerhalb eines Tages oder sogar taggleich geliefert wird", sagt Tom Riley, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft AXA IM. "Dadurch - wie auch durch zunehmende Retouren - wird der Vertrieb komplizierter."

"Die Logistik steht weltweit angesichts rasant wachsender Volumina unter Druck", findet auch der Chef des Münchner Roboter-Herstellers Magazino, Frederik Brantner: "Es gibt einfach keine Arbeitskräfte mehr auf dem Markt." Da müssten andere Lösungen gefunden werden. Ein Ausweg soll der von Magazino entwickelte mobile Roboter Toru sein. Er kann etwa Schuhkartons in Regale ein- und auslagern und zur Übergabestation bringen. Toru sammelt in einem Modellversuch für den Online-Modehändler Zalando in Erfurt Kartons ein, Zalando ist zudem an Magazino beteiligt. Doch Roboter können derzeit bei Zalando nur Hilfen sein - Kleidung in Folie etwa kann der mechanische Kollege nicht greifen. "Die Kombination aus Mensch und Maschine wird auch in den nächsten Jahren noch unschlagbar sein", meint deswegen Zalando-Logistikchef Carl-Friedrich zu Knyphausen. "Die vollkommen menschenleere Lagerhalle wird es nie geben", ist sich auch Brantner sicher.

Beim Logistikriesen DHL ist die Zeit der Modellversuche schon vorbei - die Roboter sind in den Lagerhallen auf dem Vormarsch. "Wir arbeiten mit verschiedenen Technologien, von Datenbrillen über SmartWatches bis hin zu kollaborativen Robotern", sagt Markus Voss, CIO & COO Global bei DHL Supply Chain. "Die menschenleere Lagerhalle gibt es bei uns nicht", berichtet auch er. Mensch und Maschine arbeiteten zusammen. Sehr eintönige Tätigkeiten würden dabei von Robotern erledigt. "Wir ersetzen den Menschen nicht, die Roboter unterstützen die Mitarbeiter." Dem pflichtet auch Patrick Schwarzkopf bei, Experte des Maschinenbau-Verbands VDMA. Logistikroboter könnten schon viele Dinge gut greifen, aber an Gummibärchen-Tüten scheiterten sie. "Die Fingerfertigkeit und Haptik des Menschen sind weit überlegen", sagt er. "Deswegen läuft es auf eine Zusammenarbeit hinaus."

Das sieht bei DHL dann etwa so aus: Roboter fahren ganze Regale durch die Lager, Mitarbeiter entnehmen Waren und machen sie für den Versand fertig. "Darüber hinaus gibt es aber auch noch andere Felder wo der Roboter-Einsatz wirklich Mehrwert schafft – so werden beispielsweise einzelne Pralinen von Roboter-Armen in vorgefertigte Adventskalender gelegt, was ansonsten Mitarbeiter händisch machen müssten", sagt Voss. Er sieht großes Potenzial für die Roboter: "Heute sind etwa 80 Prozent der Lager noch komplett manuell - das ist nicht nur bei DHL so, das gilt für die ganze Industrie." In spätestens fünf Jahren werden aber weltweit rund 80 Prozent der Lager digital unterstützt sein, prognostiziert er.

Ein weitere Feld ist die Nutzung von Daten. "Derzeit werden viele Entscheidungen im Laufe der Lieferkette von Menschen getroffen - vor allem auf Basis von Erfahrungen - aber das birgt auch die Gefahr von Fehlentscheidungen", erklärt Voss. Das soll sich ändern: "Durch die Digitalisierung weiß man zu jedem Zeitpunkt, wo sich welches Produkt befindet und in welchem Zustand es ist." Ob es schon in wenigen Jahren Logistikketten gebe, bei denen autonom fahrende Lastwagen Güter in mit Robotern ausgestattete und voll digitalisierte Lager bringen und diese dann - überwacht von Drohnen - zu den Kunden transportieren, sei offen. Eines sei aber sicher: "Wir werden signifikante Fortschritte sehen."

Den Arbeitnehmern treibt der Kollege Roboter zmindest bislang keine Sorgenfalten auf die Stirn: "Wo schwere Arbeit durch Roboter abgenommen wird, ist das gut", sagt Thomas Koczelnik, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der Deutschen Post. "Stand heute haben wir noch keine Arbeitsplatzverluste feststellen können", berichtet er: "Aber die Befürchtung ist da." Er setzt auf eine Teilhabe der Beschäftigten: "Die Kernfrage ist auch, wie Digitalisierungsgewinne verteilt werden." Sigrun Rauch, Bereichsleiterin Postdienste der Gewerkschaft Verdi, betont: "Wenn Arbeitsabläufe erleichtert und die Beschäftigten an Produktivitätsgewinnen beteiligt und die Arbeitsverhältnisse nicht inhumaner werden, ist nichts gegen den Einsatz von Robotern einzuwenden."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...