Unternehmen müssen einer aktuellen Studie der Organisation OECD zufolge in den kommenden Jahren bislang nie dagewesene Summen am Anleihenmarkt refinanzieren. Das gelte sowohl für Unternehmen in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern, teilte die OECD am Montag mit.
In den Industriestaaten müssten Firmen in den nächsten drei Jahren zusammen 2,9 Billionen Dollar an Gläubiger zurückzahlen beziehungsweise refinanzieren. In den Entwicklungsländern seien es im selben Zeitraum 1,3 Billionen Dollar - hier fast die Hälfte aller ausstehenden Schulden über Firmenanleihen.
Sollte es in den kommenden Monaten zu einem Abschwung in der Weltwirtschaft kommen, dann dürften der OECD zufolge viele Investments in den sogenannten „BBB“-Bereich abrutschen. „BBB“ steht bei den großen Rating-Agenturen für Anlagen mit einer durchschnittlich guten Bonität. Unterhalb dieses Niveaus gelten Investments dann als „Ramsch“.
Viel bedenklicher jedoch sind jene Unternehmensanleihen, welche heute schon mit einer BBB-Bewertung versehen sind – diese rutschen im Fall einer wirtschaftlichen Abkühlung praktisch sofort in den Ramschbereich. Weil die Zahl der mit „BBB“ bewerteten Anleihen zumindest im US-amerikanischen Anleiheuniversum seit Jahren steigt, droht im Falle einer Rezession ein heftiges Absacken der Kurse und ein steiler Anstieg der Schuldzinsen.
Die betroffenen Unternehmen müssten dann mit höheren Refinanzierungskosten rechnen – was bei vielen dieser Schuldner zur Pleite führen dürfte. Denn viele internationale Investoren ziehen sich bei Ratings im Ramschbereich zurück, was den Abschwung noch verstärken würde, schreibt die OECD.
Seit der Finanzkrise hatte es die ultralockere Geldpolitik zahlreicher Zentralbanken und die damit verbundenen niedrigen Zinsen vielen Unternehmen ermöglicht, in großem Stil neue Schulden aufzunehmen, obwohl sie über kein gutes Geschäftsmodell verfügen. Die weltweit ausstehenden Schulden auf dem Markt für Unternehmensanleihen summierten sich Ende 2018 auf 13 Billionen Dollar – doppelt so viel wie kurz vor Ausbruch der letzten Finanzkrise im Jahr 2008.
Auch die Staaten sitzen inzwischen auf deutlich höheren Verpflichtungen als vor der Krise. Diese sollten nach Auffassung von Volkswirten nicht unterschätzt werden. „Wir sehen nicht unmittelbar die akute Gefahr einer Staatsschuldenkrise“, sagte HWWI-Direktor Henning Vöpel bei der Vorstellung einer gemeinsamen Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und der Berenberg Bank in Frankfurt. „Aber die Situation wird zunehmend kritisch und kann sich sehr schnell und unkontrolliert verschärfen.“
Für den nächsten Abschwung sei „Vorsicht geboten“, heißt es in der Studie. „Italien könnte das erste Land sein, das in der nächsten Rezession in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, sofern die Regierung nicht vorher von ihren wirtschaftspolitischen Plänen abgerückt ist“, schreiben die Autoren. In absoluten Zahlen hat Italien mit rund 2,3 Billionen Euro den höchsten Schuldenberg in Europa. Das sind mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Euro-Stabilitätsregeln erlauben höchstens 60 Prozent Verschuldung.
Konjunkturprogramme und Rettungsmilliarden für Krisenbanken hatten die ohnehin schon hohen Schuldenberge in der jüngsten Finanzkrise 2007/2008 noch anwachsen lassen. Im Euroraum nahm die Staatsschuldenquote im Zeitraum 2008 bis 2018 um 14,5 Punkte auf knapp 85 Prozent zu. „Die Schulden sind zu hoch“, stellt Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau nüchtern fest.
„Aufgrund der guten Weltkonjunktur ist das Schuldenthema in den vergangenen Jahren etwas aus dem Fokus geraten“, so das Fazit der Autoren. „Gelöst ist die Problematik damit aber nicht.“ Deutschland habe als „eines der wenigen Länder eine echte Trendwende geschafft“. Der deutsche Fiskus profitierte aber in erster Linie von den extrem niedrigen Zinsen und steigenden Steuereinnahmen im Zuge kräftigen Wirtschaftswachstums.