Finanzen

Inflation in Argentinien gerät außer Kontrolle

Die starke Inflation in Argentinien hat die Armut so sehr verstärkt, das die Wiederwahl von Präsident Macri gefährdet ist. Die Kredite des IWF haben dem Land nicht geholfen.
23.04.2019 17:11
Lesezeit: 2 min
Inflation in Argentinien gerät außer Kontrolle
Die Kursentwicklung des argentinischen Peso zum US-Dollar in den vergangenen 5 Jahren. (Grafik: tradingeconomics.com)

Vor dem Hintergrund der Währungskrise in Argentinien hat der Internationale Währungsfonds (IWF) das Land im vergangenen Jahr mit Krediten in Höhe von 56,3 Milliarden Dollar versorgt. Seitdem ist die Inflation der Landeswährung Peso massiv angestiegen. Die Armut in Argentinien bedroht nun sogar die Wiederwahl von Präsident Mauricio Macri, der einst im Wahlkampf sagte, dass die Bekämpfung der Inflation einfach sei.

Die starke Inflation stellt auch das vom IWF als Gegenleistung zu den Krediten geforderte Sparprogramm infrage, das sich offiziell den "Schutz der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen" zum Ziel gesetzt hat. "Wir sind uns sehr bewusst [...], dass eine Zunahme der Armut die Verwirklichung der Ziele des Programms vor ernsthafte Herausforderungen stellen würde", zitiert die Financial Times Nigel Chalk, Vizechef der IWF-Abteilung für die westliche Hemisphäre.

Die Inflation von derzeit rund 50 Prozent hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Ende letzten Jahres 32 Prozent der rund 45 Millionen Argentinier unterhalb der Armutsgrenze lagen. Dies entspricht etwa dem Stand des Jahres 2015, als Präsident Mauricio Macri an die Macht kam.

Zwar war die Armutsquote Mitte des Jahres 2017 vorübergehend auf 25,7 Prozent gesunken, doch dann stieg sie im vergangenen Jahr vor dem Hintergrund der Währungskrise wieder deutlich an. Die Wirtschaftsleistung Argentiniens brach vergangenes Jahr um etwa 2,4 Prozent ein.

Als Reaktion auf die steigende Armut im Land hat die argentinische Regierung in diesem Monat ein Programm zur Preiskontrolle auf 60 "notwendige" Waren ausgedehnt, um die Auswirkungen der Preiserhöhungen für die Verbraucher abzuschwächen. Bei diesen "notwendigen" Waren handelt es sich hauptsächlich um Lebensmittel.

Das IWF-Programm für Argentinien ist das erste, das ausdrücklich Maßnahmen enthält, die einen Puffer für soziale Ausgaben zur Verfügung stellen. Das heißt, das Land kann die mit dem Fonds vereinbarten Defizitziele überschreiten, um mehr für soziale Programme auszugeben.

Die dritte kürzlich veröffentlichte Überprüfung des IWF-Programms für Argentinien hat bestätigt, dass weitere dieser sozialen Maßnahmen einbezogen werden, und dass die Obergrenze für Sozialausgaben von 0,2 auf 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht wird. Die grassierende Armut könnte nun den IWF dazu veranlassen, der argentinischen Regierung weiteren Handlungsspielraum zu gewähren.

Doch die steigenden Ausgaben sind nicht ohne Risiko. Denn wenn Argentinien sein Haushaltsdefizit nicht in einem hinreichenden Maße verringert, müsste das Land noch mehr Auslandsschulden aufnehmen. Es könnte sogar der Punkt erreicht werden, wo die Schuldenlast nicht mehr tragbar ist.

Es ist ohnehin unklar, was aus dem IWF-Programm wird, falls die frühere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner ein Comeback schafft und die nächsten Wahlen gewinnen sollte. Ihr ehemaliger Wirtschaftsminister Axel Kicillof hat sich kürzlich mit IWF-Funktionären getroffen und ihnen versichert, eine Regierung Fernández würde mit dem Programm fortfahren.

Argentinien ist heute das zweitärmste Land der Welt, zitiert die Financial Times Steve Hanke von der Johns Hopkins Universität. Der Ökonom veröffentlicht jedes Jahr seinen sogenannten Misery Index (Elendsindex), der Arbeitslosigkeit, Inflation und Zinssätze misst. Demnach waren im Jahr 2018 Thailand, Ungarn und Japan die glücklichsten der 95 betrachteten Staaten.

Argentinien hingegen ist derzeit der "zweit-elendste" Staat noch vor Venezuela, das mit den Folgen einer Hyperinflation kämpft. Das Elend in Argentinien sei eine direkte Folge der Inflation, die durch die Währungskrise im vergangenen Jahr verursacht worden sei, so Hanke.

Der IWF erwartet für dieses Jahr einen Anstieg der Inflationsrate auf 43,7 Prozent, während die argentinische Wirtschaft voraussichtlich um 1,2 Prozent schrumpft. Das Haushaltsdefizit im letzten Jahr betrug 5,5 Prozent - das vierte Jahr in Folge mit einem Defizit über 5 Prozent. Die Staatsverschuldung in Relation zum BIP stieg auf 54,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 9,2 Prozent, den höchsten Wert seit über zehn Jahren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...