Gemischtes

VW: Aktionäre erheben schwere Vorwürfe gegen den Vorstand

Die Hauptversammlung von VW verlief kontrovers. Im Mittelpunkt stand unter anderem der Diesel-Skandal, der offensichtlich noch lange nicht überwunden ist. Aber auch die Herausforderungen der Zukunft wurden intensiv thematisiert - zum Beispiel die geplante Batteriezellen-Fertigung in Salzgitter.
15.05.2019 14:03
Lesezeit: 4 min

Milliardenkosten für „Dieselgate", zigtausende Kundenklagen vor Gericht, Anklagen und Untersuchungen gegen ehemalige Vorstände - das sind nur einige der Schlagzeilen, die den weltgrößten Autobauer Volkswagen auch mehr als drei Jahre nach dem Auffliegen der Diesel-Manipulationen im Griff halten. Aktionäre sparten daher auf der Hauptversammlung in Berlin am Dienstag nicht mit Kritik, auch wenn VW mit seinen Geschäftszahlen in der aktuellen Branchenflaute und angesichts der milliardenschweren Herausforderungen noch vergleichsweise gut dasteht.

„Volkswagen ist weiter getrieben durch die Justiz", kritisierte Fondsmanager Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka, die auch Musterklägerin im Anlegerverfahren um eine angeblich zu späte Information des Kapitalmarkts ist. Zahlreiche weitere Anleger kritisierten unter anderem die Besetzung des Aufsichtsrates und die in ihren Augen zu geringen Dividendenaufschläge für die Vorzugsaktionäre, die im Gegenzug für den Verzicht auf ihr Stimmrecht mehr Ausschüttung sehen wollen. Sowohl die Deka als auch die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS wollten Vorstand und Aufsichtsrat mit nur punktuellen Ausnahmen nicht entlasten.

Allerdings ist die Macht im Konzern klar verteilt. Die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch halten mehr als die Hälfte der Stimmrechte, das Land Niedersachsen weitere 20 Prozent. Die im Dax notierten Vorzugsaktien haben kein Stimmrecht.

Diess dürfte es ohnehin nicht in den Kram passen, dass weiter Themen aus der Vergangenheit die Diskussion um den Konzern maßgeblich prägen. Mit „Vehemenz" will er den Blick der Öffentlichkeit auf die Zukunft des Konzerns richten - die in der Elektromobilität liegen und dem Konzern damit auch einen grünen Anstrich geben soll. Auch gegen Widerstände in der Automobilbranche will er die Politik auf den reinen Elektroantrieb einschwören. „Auf absehbare Zeit gibt es keine Alternative zum batterieelektrischen Antrieb", sagte Diess.

Am Abend vor der Aktionärsversammlung hatte das Unternehmen ein Paket von Maßnahmen geschnürt: Den milliardenschweren Einstieg in die Batteriezellenfertigung in Salzgitter (siehe weiter unten) und den nun doch recht zügig in Aussicht gestellten Börsengang der Lkw- und Bustochter „Traton“ (siehe ebenfalls weiter unten). Zudem stellte das Unternehmen - ebenfalls ein Wunsch von Anlegern - die Zukunft des Maschinenbauers „Renk“ sowie des Großmotoren- und Turbinenbauers MAN unter dem Konzerndach in Frage. „Wir überprüfen, ob wir noch der beste Eigentümer für die unterschiedlichen Geschäfte sind", sagte Diess.

In der Vergangenheit scheiterten geplante Verkäufe von Randbereichen immer wieder an Widerständen von Interessengruppen im Konzern. Betriebsratschef Bernd Osterloh machte zur Bedingung, dass Verschlechterungen für die Belegschaft ausgeschlossen werden müssten. Doch die Arbeitnehmerseite kann nun auf neue Arbeitsplätze in der Batteriezellfertigung hoffen. Zunächst soll Ende 2022 oder Anfang 2023 in Salzgitter die Zellfertigung mit 700 Mitarbeitern und einer Kapazität von mehr als 10 Gigawattstunden starten, sagte VW-Einkaufschef Stefan Sommer.

Das Unternehmen stellte mehr in Aussicht. Im Jahr 2025 habe Volkswagen einen Gesamtbedarf von 150 Gigawattstunden an Batterien allein für die in Europa geplante Produktion, sagte Sommer. Davon sei längst noch nicht alles vergeben. „Ich gehe davon aus, dass man das verdoppeln kann, aber die Details sind noch nicht ausgearbeitet."

„Salzgitter ist ein Standort, wo wir schon heute etwa 200 Forscher und Entwickler mit dem Thema Batteriezelle beschäftigen, und ist deshalb auch ein natürlicher Standort für weitere Investitionen in eine Zellfabrik", sagte Diess. VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, das Vorhaben habe den Charakter einer Richtungsentscheidung. „Ich sehe das als einen echten Durchbruch und den Beginn einer Entwicklung. Wenn die Verkaufszahlen so hoch gehen, wie es geplant ist und wie sie auch hochgehen müssen angesichts der CO2-Vorgaben, dann wird der Bedarf nach Batterien noch einmal wesentlich größer werden", sagte Weil am Rande der Hauptversammlung.

Laut Konzern steht der Plan für die Zellfertigung noch unter Vorbehalt stimmiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. „Das ist im Kern geklärt und deswegen habe ich an dieser Stelle keinen Zweifel", sagte Weil jedoch. Landessubventionen gebe es keine, der energieintensive Betrieb dürfte aber von der EEG-Umlage für den Ausbau erneuerbarer Energien befreit werden.

Für die Stadt Salzgitter, die mit außergewöhnlichen Problemen zu kämpfen habe, bedeute die Entscheidung sehr viel, sagte Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) am Dienstag. „Salzgitter wird eine wichtige Rolle beim Transformationsprozess des Konzerns spielen und sich damit auch künftig wettbewerbsfähig aufstellen." In Salzgitter fertigt VW derzeit mit gut 7000 Mitarbeitern vor allem Verbrennungs-Motoren. Daher stand die Zukunft der Arbeitsplätze dort schon länger in Frage.

 

ZUSAMMENFASSUNG: BATTERIEZELLEN-FERTIGUNG IN SALZGITTER

Der Volkswagen-Konzern will beim geplanten Einstieg in die Batteriezellfertigung in Salzgitter zunächst mit einigen Hundert Mitarbeitern starten. „Wir streben erst mal eine Kapazität an von größer als zehn Gigawattstunden in einer ersten Ausbaustufe, und wir rechnen damit, dass wir Beschäftigung erzielen damit von circa 700 Mitarbeitern“, sagte VW-Einkaufsvorstand Stefan Sommer am Dienstag vor der Hauptversammlung des Konzerns in Berlin.

„Salzgitter ist ein Standort, wo wir schon heute etwa 200 Forscher und Entwickler mit dem Thema Batteriezelle beschäftigen, und ist deshalb auch ein natürlicher Standort für weitere Investitionen in eine Zellfabrik“, sagte Konzernchef Herbert Diess. Im Jahr 2025 habe Volkswagen einen Gesamtbedarf von 150 Gigawattstunden an Batterien allein für die in Europa geplante Produktion von Elektroautos, sagte Sommer. Davon sei längst noch nicht alles im Umfeld vergeben. «Insofern haben wir auch die Möglichkeiten, da Wachstum zu schaffen im entsprechenden Zeitraum.»

Was später an Arbeitsplätzen möglich sei, hänge an den Rahmenbedingungen. „Ich gehe davon aus, dass man das verdoppeln kann, aber die Details sind noch nicht ausgearbeitet“, sagte Sommer, der neben dem Einkauf auch die Zulieferersparte des Konzerns führt.

„Wir rechnen damit, dass wir Ende 2022 beziehungsweise 2023 so weit sind, dass wir die Produktion dort starten können“, sagte Sommer. Für den Standort Salzgitter hätten einige Bedingungen den Ausschlag gegeben. „Wir sind nah dran an unserer Entwicklung, auch nah dran an den Fahrzeugwerken, die wir für Elektromobilität vorsehen.“ Angaben zum angepeilten Partner wollte VW zunächst weiter nicht machen.

 

ZUSAMMENFASSUNG: BÖRSENGANG TRATON

Der Betriebsrat der VW-Lastwagensparte „Traton“ hat den noch vor dem Sommer geplanten Börsengang begrüßt. „Das ist eine zukunftsweisende Entscheidung, die wir als Belegschaft positiv begleiten werden“, sagte Betriebsratschef Saki Stimoniaris am Dienstag und betonte: „Es musste und muss sich niemand Sorgen um seinen Job machen. Die umfangreiche Standort- und Beschäftigungssicherung sowie die zugesagten Investitionen etwa bei MAN sichern die Zukunft unserer Arbeitsplätze und Marken ab.“

Traton besteht aus den VW-Töchtern MAN und Scania sowie der brasilianischen Nutzfahrzeugtochter. Vorstand und Aufsichtsrat der Volkswagen AG hatten am Montagabend grünes Licht für einen Börsengang von Traton noch vor der Sommerpause gegeben, sofern der Kapitalmarkt sich günstig entwickelt.

MAN Truck & Bus beschäftigt rund 22.000 Mitarbeiter in Deutschland. Die abgespaltene MAN-Sparte für Schiffsmotoren und Turbomaschinen mit 15.000 Mitarbeitern gehört nicht dazu, sondern ist direkt vom VW-Konzern übernommen worden.

Bis 2025 hat VW für den MAN-Konzern eine Standort- und Beschäftigungsgarantie gegeben. Stimoniaris sagte: „Der Konzernbetriebsrat der Traton steht hinter dem angestrebten Börsengang und wird die Umsetzung der Global-Champion-Strategie nach Kräften unterstützen.“

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