Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren hat die Europäische Zentralbank (EZB) damit begonnen, auf Einlagen von Banken Negativzinsen zu erheben. Das Hamburger FinTech-Unternehmen Deposit Solutions hat nun ermittelt, wie viel die Banken der gesamten Eurozone dieser Strafzins bislang gekostet hat – und liefert erstmals Indizien dafür, wie stark sich dies auf ihre Ertragskraft niederschlägt.
Das Ergebnis: Im Jahr 2018 überwiesen die Banken der Eurozone rund 7,5 Milliarden Euro an die EZB – das sind rechnerisch gesehen über 20 Millionen Euro am Tag. Der größte Anteil dieser Zahlungen wird von den deutschen, französischen und niederländischen Banken geleistet. Allein im Zeitraum 2016 bis 2018 zahlten Banken dieser drei Länder über zwölf Milliarden Euro Negativzinsen an die EZB (Deutschland: 5,7 Mrd. Euro; Frankreich: 4,1 Mrd. Euro; Niederlande: 2,5 Mrd. Euro). Damit tragen die drei Länder bereits 69 Prozent der Gesamtlast der Eurozone-Banken.
Auch in Relation zu den Erträgen fällt die Belastung der deutschen Banken überdurchschnittlich stark aus. So entspricht die Summe der Negativzinszahlungen deutscher Banken einer Reduzierung ihres Vorsteuerergebnisses um 9,1 Prozent – im Rest der Eurozone sind es im Schnitt nur 4,3 Prozent. Stärker schlägt der Negativzins nur bei Banken aus Zypern (-13,9 Prozent) und Finnland (-14,1 Prozent) auf die Ertragskraft durch.
Insgesamt summieren sich die Zahlungen der Banken der Eurozone an die EZB zum 31. Mai 2019 auf 21,4 Milliarden Euro.
Die Analyse von Deposit Solutions zeigt auch, dass die negative Zinsbelastung der Banken kontinuierlich zugenommen hat. So haben sich die Zinszahlungen der deutschen Banken in den vergangenen drei Jahren von 1,1 Milliarden Euro per annum auf 2,5 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Auch in Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg stiegen die Zahlungen im Jahresvergleich. Besonders extrem sind die Zahlungen der spanischen Banken angestiegen: 2016 überwiesen sie rund 125 Millionen Euro an die EZB, 2018 war es mit rund 400 Millionen Euro bereits mehr als das Dreifache dieser Summe.
„Es gibt Geschäftsmodelle, die dem Negativzins stärker ausgeliefert sind als andere“
Während einige Banken von niedrigen Kapitalmarktzinsen auch auf der Finanzierungsseite profitieren, ist es für andere schwieriger, die Belastung durch negative EZB-Zinsen zu bewältigen: „Es gibt Geschäftsmodelle, die dem Negativzins stärker ausgeliefert sind als andere. Eine Bank, die sich als Plattform aufstellt, kann ihren Kunden anbieten, Einlagenprodukte von Drittbanken zu nutzen und dabei die Kundenbeziehung erhalten. Öffnet sich eine Bank jedoch nicht, kann sie höchstens an der Gebührenschraube drehen oder Kundengelder versuchen aktiv loszuwerden, um die zusätzliche Ertragsbelastung abzufedern“, sagt Dr. Tim Sievers, CEO und Gründer von Deposit Solutions.
„Banken, die Open Banking in ihre Geschäftsstrategie integrieren, können über Einlagenprodukte von Drittbanken mehr Geschäft mit den eigenen Kunden machen und neue Kunden hinzugewinnen. Die Aussicht, gleichzeitig die Negativzinsbelastung zu mindern, dürfte für viele Banken ein sehr willkommener Nebeneffekt sein. Statt Gelder teuer bei der EZB zu platzieren, können sie diese kundenfreundlich und bilanzschonend an andere Institute vermitteln.“
Schweizer Banken noch stärker betroffen
Die Analyse von Deposit Solutions zeigt auch: Der Negativzins stellt nicht nur für die Banken der Eurozone eine Belastung dar. Schweizer Banken etwa zahlten von 2016 bis 2018 umgerechnet bereits 4,7 Milliarden Euro negative Zinsen an die Schweizerische Nationalbank (SNB). In Relation zu den Erträgen entsprachen die Negativzinszahlungen im Jahr 2017 einem Abzug von mehr als 13 Prozent. Während sich die Höhe der Negativzinszahlungen der Eurozone-Banken im Jahr 2019 bei rund 7,5 Milliarden Euro einpendeln dürften, deutet das erste Quartal 2019 in der Schweiz zudem auf einen neuen Rekord hin. So zahlten die Schweizer Banken in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits rund 480 Millionen Euro an die SNB. Aufs Jahr gerechnet dürfte die Belastung so von 1,6 Milliarden Euro auf 1,9 Milliarden Euro anwachsen.