Finanzen

Deutschland und Russland kündigen Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen an

Zum ersten Mal seit Jahren haben Deutschland und Russland überraschend eine Intensivierung ihrer Wirtschaftsbeziehungen angekündigt.
07.06.2019 16:50
Lesezeit: 2 min

Deutschland und Russland haben erstmals seit Inkrafttreten der Sanktionen auf Regierungsebene eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Es gebe ein erhebliches Potenzial, um die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag in St. Petersburg. Er und sein russischer Amtskollege Maxim Oreschkin unterzeichneten beim internationalen Wirtschaftsforum eine Absichtserklärung für eine sogenannte Effizienzpartnerschaft. Gemeint ist, dass deutsche Technologien dabei helfen sollen, die oft noch rückständige russische Wirtschaft flott für die Zukunft zu machen.

Aber auch Deutschland könne von Russland lernen, sagten Oreschkin und Altmaier. Als ein Beispiel gilt die Digitalisierung. Die Initiative soll zu einer besseren Arbeitsproduktivität und so zu mehr Wohlstand in Russland führen. Auch ein Austausch von Mitarbeitern bei Unternehmen sowie Aus- und Fortbildungsprojekte sind demnach geplant. Altmaier nahm als erster deutscher Wirtschaftsminister seit Beginn der Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts an dem Forum teil.

In St. Petersburg warben auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) für einen Neustart in den deutsch-russischen Beziehungen. «Wir müssen diese Sanktionen abbauen. Ich hoffe sehr, dass sich beide Seiten aufeinander zu bewegen», sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Die Sanktionen seien gerade für die sächsische und ostdeutsche Wirtschaft ein großes Problem. Nach Darstellung von Schwesig haben vor allem Landwirte gelitten.

Russland reagierte 2015 auf die Sanktionen der EU mit einem Embargo auf Lebensmittel aus dem Westen. Altmaier betonte, dass die Sanktionen der EU gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts bestehen blieben, «solange die Gründe, die dafür maßgeblich waren, nicht beseitigt sind». Der Minister beklagte auch, dass es hier zuletzt auch Rückschläge gegeben habe.

Der Konflikt hätte das europäisch-russische Verhältnis enorm belastet, sagte Altmaier. «Deshalb wollen wir diese Zusammenarbeit im Rahmen des Möglichen intensivieren.» Er erinnerte daran, dass unlängst in der Nähe von Moskau ein Daimler-Werk eröffnet worden sei. «Es gibt große Investitionsvorhaben anderer deutscher Unternehmen», sagte Altmaier, ohne Details zu nennen. Er wolle sich dafür einsetzen, dass deutsche Investitionen die nötige Sicherheit bekämen.

In St. Petersburg zeigten sich Altmaier, Schwesig und Kretschmer auch geschlossen im Hinblick auf die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. Sie wollen sich dafür einsetzen wollten, dass das Projekt vollendet wird. Zum Jahresende soll die Leitung fertig sein - gegen den Widerstand der USA und einiger EU-Staaten.

Nach Angaben des russischen Unternehmerverbandes haben deutsche Konzerne im Wettlauf um Marktanteile in Russland wieder bessere Chancen. Verbandspräsident Alexander Schochin unterstrich den Einsatz der deutschen Branchenvertreter: «Es ist wichtig, dass die Wirtschaft deutlich macht, dass die Sanktionen ihre Aktivitäten einschränken und so auch Deutschland selbst schaden», sagte Schochin der dpa.

Dabei lobte er, dass Altmaier zum vierten Mal seit Amtsantritt in Russland sei: «Wir müssen ihm das hoch anrechnen.» Zugleich meinte Schochin, dass etwa ein Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei Kremlchef Wladimir Putin ein noch besseres Signal für deutsche Unternehmen sein würde, sich wieder stärker zu engagieren.

Sachsens Regierungschef Kretschmer hält die Normalisierung der Beziehungen zu Russland für ein strategisches Ziel: «Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass Russland seine europäische Orientierung behält und sich nicht an Partnern wie China oder Indien orientiert.» Mit engen wirtschaftlichen Beziehungen ließen sich auch Probleme auf politischem Gebiet viel besser lösen, sagte er. Mit Initiativen wie dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg reiche Russlands Präsident Putin dem Westen die Hand: «Wir müssen aber die ausgestreckte Hand der Russen auch ergreifen.» Die deutsche Präsenz in St. Petersburg war in diesem Jahr mit mehr als 200 unter den über 15 000 Forumsteilnehmern vergleichsweise groß.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Goldman Sachs: Europas Aktienmarkt wird die USA überholen
07.09.2025

Nach Jahren der US-Dominanz kommt die Trendwende: Goldman Sachs sieht europäische Aktien vor einem kräftigen Aufschwung. Banken,...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertspeicher im Taschenformat: Wie Sie Edelsteine kaufen – und ob sie als Anlageklasse taugen
07.09.2025

Chris Pampel, Geschäftsführer des Deutschen Edelstein Kontors und Autor des Buches „Das 1x1 der Edelsteininvestments“, erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Experteninterview: Wie Sie mit Geld in Zeiten sinkender Zinssätze umgehen sollten
07.09.2025

Börsen und Gold auf Rekord, Inflation rückläufig – doch die Zinsen wackeln. Während Trump Druck auf die Fed macht, ringt die EZB um...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Boliden-Chef: Mikael Staffas verteidigt Trump-Stahlzölle
07.09.2025

Der CEO von Boliden, Mikael Staffas, verteidigt Trumps Stahlzölle und warnt vor der chinesischen Konkurrenz. Europa steckt in lähmender...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation zwingt Unternehmen zu klarer Preisstrategie
07.09.2025

Die Inflation zwingt Unternehmen zu heiklen Preisentscheidungen. Wer zu schnell oder zu spät reagiert, riskiert Margenverluste – oder...

DWN
Panorama
Panorama Samenernte in 40 Meter Höhe: Wie der Wald von morgen wächst
07.09.2025

Die Samenernte hoch in den Baumwipfeln ist Abenteuer, Handwerk und Zukunftsarbeit zugleich. Wer an den Samen der Tanne gelangen will,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Österreichs Maßnahmen gegen die Inflation – und die Bedeutung für Deutschland
07.09.2025

Österreich steckt in der Krise: Die Regierung verspricht Milliardenhilfen, doch bei genauerem Hinsehen bleiben nur kleine Reformen übrig....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Turbojet-Drohne: Polen präsentiert universelle Technologieplattform
06.09.2025

Polen präsentiert die Turbojet-Drohne – eine universelle Technologieplattform für Militär und Zivil. Für Deutschland stellt sich die...