Deutschland

Europas Luftfahrt besorgt über geplante Kerosin-Steuer

Mehrere EU-Staaten wollen sich bei der neuen EU-Kommission ab November für die Einführung einer Kerosinsteuer einsetzen. Die europäische Luftfahrtbranche warnt vor Gewinneinbrüchen.
16.06.2019 12:54
Lesezeit: 2 min

Für die europäische Luftfahrt kommen offenbar im Zusammenhang mit den Klimaschutzzielen der EU neue finanzielle Belastungen hinzu. Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg bereiten sich nach einem Bericht des Handelsblatts darauf vor, sich nach dem Amtsantritt der neuen EU-Kommission im November 2019 für eine Belastung des Flugverkehrs über den Emissionshandel (ETS), oder aber über eine Ticket- oder Kerosinsteuer einzusetzen.

Dabei erhalten sie auch Unterstützung von deutschen EU-Politikern. “Wir haben die umweltfreundlichen Verkehrsträger Bus und Bahn sehr stark belastet, während der Flugverkehr von vielen Steuern und Abgaben befreit ist”, zitiert das Handelsblatt den umweltpolitischen Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese. Das müsse sich Liese zufolge ändern.

Condor-Chef Ralf Teckentrup hält den geplanten Vorstoß für unangebracht. Es mache keinen Sinn, wenn eine derartige Regelung ausschließlich für den EU-Raum getroffen werde. “Insellösungen, auch auf europäischer Ebene wie das ETS, bringen in einer globalen Industrie gar nichts”, so Teckentrup. Er befürchtet, dass europäische Fluggesellschaften Wettbewerbsnachteile erleiden werden. Dies habe man bereits in Bezug auf die Luftverkehrsabgabe gesehen, die in Deutschland im Jahr 2011 eingeführt wurde. Teckentrup wörtlich: “Faktisch hat sie nur dazu geführt, dass ausländische Airlines schneller gewachsen sind und wir in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil erfahren haben.”

Eine weitere hochrangige Person aus der Luftverkehrsbranche sagte dem Handelsblatt unter der Bedingung der Anonymität: “Wenn jetzt auch noch Ticketsteuer, Kerosinsteuer und eine Ausweitung des Emissionsrechtehandels kommen, sieht es düster aus mit den Gewinnen.”

Europäische Luftfahrt befürchtet Einführung einer Kerosinsteuer

Besonders brisant ist die Diskussion um die Einführung einer Kerosinsteuer. Nationale Alleingänge bei einer Kerosinsteuer hätten den Nachteil, dass sie heimische Gesellschaften und Flughäfen einseitig belasten würden, argumentiert der deutsche Branchenverband BDL. Umsteiger könnten wegen der geringeren Ticketpreise Drehkreuze im kerosinsteuerfreien Ausland wählen, und auch in Deutschland startende Passagiere würden bei Kostenvorteilen ausweichen.

Das ist im geringen Umfang bereits nach Einführung der Luftverkehrssteuer geschehen, die jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die Bundeskasse bringt. Die Steuer fällt für alle Flüge an, die von deutschen Flughäfen starten. Die Höhe richtet sich nach der Entfernung des Reiselandes und beträgt pro Passagier zwischen 7,46 Euro und 41,97 Euro.

Die derzeit noch amtierende EU-Kommission hat die Auswirkungen einer europaweiten Kerosinsteuer untersuchen lassen, eine politische Mehrheit gibt es dafür aber nicht. Laut dem vom Verband Transport & Environment geleakten Bericht könnte der CO2-Ausstoß durch die rund zehn Prozent teureren Tickets um elf Prozent gedrückt werden. Europas Luftverkehr nimmt zudem bei Kontinentalflügen bereits am Emissionshandel für Industrie und Energiewirtschaft teil.

Ob beispielsweise Bio-Kerosin eine Alternative für die Fluggesellschaften ist, bleibt unklar. Seit 2008 wird Bio-Kerosin im zivilen Luftverkehr getestet, seit 2016 setzt es die US-Gesellschaft United im Regelverkehr ein. Auch die Lufthansa hat den Bio-Treibstoff ausführlich getestet, verweist aber auf geringe Verfügbarkeit und sehr hohe Preise.

Das schnelle Wachstum einiger europäischer Gesellschaften könnte sich durch die Einführung einer Kerosinsteuer als nachteilhaft erweisen. Ryanair profitiert beispielsweise vom schnellen Wachstum in den vergangenen Jahren auf nunmehr rund 475 Flugzeuge. Dass die Iren weitere 210 Jets bestellt haben und die Passagierzahl von zuletzt 153 Millionen auf mehr als 200 Millionen im Jahr 2024 steigern wollen, zeigt aber auch die Wachstumsproblematik. Alle diese Flieger müssen erst einmal gefüllt werden: Ryanair verspricht als Anreiz weiterhin fallende Preise, was viele für den eigentlichen Grund des Dauerwachstums zumindest in Europa halten. Doch eine Kerosinsteuer könnte dieses Versprechen zunichte machen und Ryanair vielleicht sogar in einer tiefe Krise stürzen lassen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zahlungsmoral am Limit: 81 Prozent der Unternehmen von Zahlungsverzug bedroht
23.08.2025

Verspätete Zahlungen bedrohen die Existenz vieler Firmen. Im Schnitt bleiben Rechnungen fast 32 Tage offen – in Bau, Transport und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögensaufbau stagniert: Wie der Staat privates Vermögen verhindert
23.08.2025

Die Vorstellung vom reichen Deutschen entspricht immer weniger der Realität: Höhere Lebenshaltungskosten, höhere Sozialabgaben,...

DWN
Panorama
Panorama Verbraucherschützer warnen: Kritik an Parkplatzfirmen nimmt zu
23.08.2025

Beschwerden über Parkplatzfirmen nehmen rasant zu. Immer mehr Autofahrer stoßen auf intransparente Regeln und saftige Vertragsstrafen....

DWN
Politik
Politik Deutschland mit stärkster Armee Europas? Ohne Chinas Rohstoffe bleibt es ein Trugbild
23.08.2025

Deutschland rüstet auf wie nie zuvor – doch ausgerechnet Peking hält den Schlüssel zu den nötigen Rohstoffen in der Hand. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase frisst IT-Jobs: Informatik-Absolventen geraten unter die Räder des Hypes um Künstliche Intelligenz
23.08.2025

Der Traum vom Programmierboom platzt: Während Konzerne Milliarden in Künstliche Intelligenz pumpen, stehen junge Informatik-Absolventen...

DWN
Technologie
Technologie HVO100: Studie kritisiert Klimabilanz der Diesel-Alternative
22.08.2025

HVO100 gilt als moderne Diesel-Alternative und soll den Klimaschutz vorantreiben. Doch eine aktuelle Studie der Deutschen Umwelthilfe wirft...

DWN
Finanzen
Finanzen Steigende Lebensmittelpreise: Diese fünf Produkte treiben die Kosten in die Höhe
22.08.2025

Die steigenden Lebensmittelpreise belasten Verbraucher spürbar. Während viele Haushalte auf günstigere Alternativen ausweichen, warnen...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schau mir in die Augen, Kleiner! Wie das Start-up Navel Robotics den Pflegenotstand lösen könnte
22.08.2025

Das Münchener Start-up Navel Robotics entwickelt einen sozialen Roboter für Pflegeheime und Kliniken. Er spricht mit den Bewohnern über...