Mehr als 100 Tote und bis zu 4.500 Verletzte: Das ist die bisherige Bilanz der jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften in Ägypten. Am frühen Samstagmorgen waren Einheiten der Bereitschaftspolizei gegen Pro-Mursi-Demonstranten am Rande ihres Protestcamps in der Kairoer Vorstadt Nasr City vorgegangen. Unterdessen soll es in Tunesien ebenfalls einen Toten gegeben haben.
Islamisten wollten Straße blockieren
Während die ägyptische Muslimbruderschaft von mindestens 120 Toten ausgeht, wird von Seiten des Gesundheitsministeriums von 38 Toten und 180 Verletzten gesprochen. Am Freitag hatten im ganzen Land Hunderttausende gegen die Entmachtung Mursis demonstriert. Am Morgen gerieten dann Polizei und Mursi-Anhänger in der Nasr-Straße aneinander. Diese führt zum Protestlager der Muslimbruderschaft vor der Raba-al-Adawija-Moschee. Dort wird seit mehr als drei Wochen gegen die Absetzung von Präsident Mursi durch das Militär protestiert.
Was schließlich zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen führte, war zunächst nicht ganz klar. Auslöser war aber offenbar das Bemühen einiger Islamisten eine Straße zum Flughafen mit Sandsäcken und anderen Barrieren zu blockieren. Nachdem die Polizisten zunächst Tränengas einsetze, seien dann Schüsse gefallen. Der Vorwurf der Muslimbruderschaft nun: „Sie (die ägyptischen Polizisten) schießen nicht, um zu verwunden, sondern um zu töten“, zitiert die britische BBC dere Sprecher, Gehad al-Haddad.
Innenminister kündigt Auflösung der Proteste an
Schon in der Nacht hatte Innenminister Mohammed Ibrahim angekündigt, die Pro-Mursi-Proteste sowohl in Giza vor der Kairoer Universität als auch in Nasr City „legal“ auflösen zu wollen. Anwohner hätten sich bereits über die Demonstranten beschwert. Mursi befindet sich seit Freitag in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf Mord an Soldaten und Zusammenarbeit mit der radikal-islamischen Hamas.
Erstes Todesopfer in Tunesien
Währenddessen verschärft sich die Lage auch in Tunesien. Am Freitag gingen nach der Ermordung des Oppositionspolitikers Mohamed Brahmi in der Hauptstadt Tunis Tausende Oppositionelle auf die Straße. Im Süden des Landes soll im Zuge der gewalttätigen Proteste ein Demonstrant ums Leben gekommen sein. Er verstarb in der Nacht in Gafsa. Das berichtet The Independent.
Brahmi war am Donnerstag vor seinem Haus erschossen worden. Nach Ansicht der Regierung ist hierfür eine radikale Salafistengruppe verantwortlich. Angeblich war Brahmi mit derselben Waffe wie im Februar schon Oppositionspolitiker Chokri Belaid ermordet worden. Nur wenige Stunden vor Brahmis Beerdigung explodierte in Tunis nahe einer Polizeiwache im Stadtteil Goulette eine Autobombe. Verletzt wurde offenbar niemand.