Finanzen

Spanien fordert Bürger auf, Schwarzarbeiter zu denunzieren

Das spanische Arbeitsministerium will die Schwarzarbeit bekämpfen. Die Bürger sollen sich gegenseitig anzeigen. Die Maßnahme hat bislang wenig Erfolg. Die Bürger haben die Korruptions-Affäre der Regierung noch nicht vergessen. Die erhofften Steuereinnahmen bleiben aus, die Wirtschaft schrumpft, Inkasso-Unternehmen erleben Hochkonjunktur.
15.08.2013 03:45
Lesezeit: 2 min

Das spanische Arbeitsministerium hat die Bürger öffentlich dazu aufgerufen, Schwarzarbeiter zu denunzieren. Auf seiner Webseite hat die Behörde dazu einen virtuellen Briefkasten eingerichtet, indem jeder Bürger anonym Hinweise auf Schwarzarbeit und Sozialbetrug einreichen kann. Potenzielle Opfer der Denunziation sind Bauarbeiter, Kellner und Reinigungskräfte, die ohne Arbeitsvertrag arbeiten, aber auch Ärzte und Anwälte, die sich häufig in bar bezahlen lassen. Mit anderen Worten: Es kann jeden treffen.

Offiziell reiht sich diese Maßnahme in eine Kampagne gegen Schattenwirtschaft und Sozialbetrug der Regierung um Premierminister Rajoy. Die entgangenen Steuergelder aus der Schattenwirtschaft werden dringend benötigt, um die Löcher im spanischen Haushalt zu stopfen. Denn durch die stetig steigende Arbeitslosigkeit brechen die Steuereinnahmen ein (mehr hier).

Die Spanier reagieren auf den Aufruf anders, als es die Behörde erwartet hat. Statt Mitbürger in ihrer Nachbarschaft der Schwarzarbeit zu bezichtigen, prangern sie Politiker an, die Nebeneinkünfte nicht korrekt deklarieren, Schmiergelder annehmen oder in dubiose Geschäfte verstrickt sind. Die Spanier haben die Korruptions-Affäre um Regierungschef Rajoy noch nicht vergessen (hier). Höchste politische Kreise sind in diesen Skandal verwickelt, ohne dass die Verantwortlichen dafür geahndet werden. Gleichzeitig wird auf einfache Schwarzarbeiter öffentlich zur Jagd aufgerufen.

Schuldner werden öffentlich bloßgestellt

Seitdem die spanische Wirtschaft kontinuierlich schrumpft, haben Inkasso-Unternehmen Hochkonjunktur. Das Geschäft mit der Schuld boomt. Firmen wie El cobrador del frac (Der Kassierer im Frack) setzen auf öffentliche Bloßstellung, um die Schuldner zum Zahlen zu bewegen, berichtet der Guardian.

Das Vorgehen ist dabei denkbar einfach: Ein kostümierter Schuldeneintreiber verfolgt den Schuldner auf Schritt und Tritt und lauert ihm vor seinem Arbeitsplatz, beim Restaurantbesuch oder sogar zu Hause auf. Der Eintreiber trägt Frack, Zylinder und eine Aktentasche mit der Aufschrift des Inkasso-Unternehmens, damit alle Umstehenden begreifen, dass der Verfolgte seine Schulden nicht begleicht. Dadurch wird der soziale Druck soweit erhöht, dass viele Schuldner schließlich bezahlen, um der öffentlichen Demütigung zu entgehen. Das Unternehmen selbst behauptet, dadurch eine Erfolgsquote von 80 Prozent zu erreichen.

In Deutschland sind solche Praktiken untersagt. Die Landesgerichte Leipzig und Köln urteilten bereits 1994, das die Praktiken des „schwarzen Schattens“ rechtswidrig in die Persönlichkeitsrechte der Schuldner eingreifen. Zudem würden sie stark an „mittelalterliche Prangermethoden“ erinnern und den Schuldner in eine „psychische Zwangssituation“ bringen. Außerdem sahen die Gerichte „das Ansehen und die Kreditwürdigkeit“ des Schuldners gefährdet.

In Spanien gibt es trotz mehrmaligen Anläufen noch keine juristischen Regeln dieser Art. Gerichtsverfahren, die unbeglichene Schulden zum Sachverhalt haben, ziehen sich oft über Jahre hin. Deshalb greifen viele Gläubiger zu diesem Druckmittel, um an ihr Geld zu kommen. Die Spanier werden sich also auch in Zukunft an den Anblick der Frackträger in Straßen, Restaurants und Büros gewöhnen müssen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...