Deutschland

Kommunen haben Rezept gegen Schulden gefunden: Höhere Steuern!

Jede dritte Kommune kann ihre Schulden nicht aus eigener Kraft zurückzahlen. Die gestiegenen Steuereinnahmen ändern daran nichts. Eine neue Welle von Gebührenerhöhungen und Leistungskürzungen rollt auf die Bürger zu. Drei Viertel aller Kommunen wollen die Bürger stärker belasten, um den Crash zu verhindern.
21.08.2013 23:31
Lesezeit: 2 min

Fast jede zweite Kommune hat im Jahr 2012 ein Haushaltsdefizit verbucht. Für das laufende Jahr rechnet das Wirtschaftsinstitut Ernst & Young in einer aktuellen Meldung damit, dass 59 Prozent höhere Ausgaben als Einnahmen haben. Insgesamt beträgt der Schuldenberg aller Kommunen 135 Milliarden Euro.

Viele Kommunen können ihre Schulden nicht mehr aus eigener Kraft zurückzahlen. Ernst & Young geht davon aus, dass der Fehlbetrag in naher Zukunft auf den Steuerzahler umgelegt wird:

„Angesichts der desolaten Finanzlage vieler Kommunen kommt eine weitere Welle von Leistungskürzungen und Steuererhöhungen auf die Bürger zu: Drei Viertel der Kommunen wollen 2013/2014 Steuern und Gebühren erhöhen. Und 37 Prozent planen, Leistungen zu reduzieren oder ganz einzustellen, etwa im Bereich Straßenbeleuchtung oder bei der Kinder- und Seniorenbetreuung.“

Für die Studie wurden 300 deutsche Kommunen befragt. Außerdem wurde der Haushalt der Kommunen mit mindesten 20.000 Einwohnern analysiert.

Es klafft eine Lücke zwischen den gering und den stark verschuldeten Kommunen. So konnten die Kommunen mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von unter 1.000 Euro ihre Situation leicht verbessern. Solche Kommunen, dessen Pro-Kopf-Verschuldung über 2.000 Euro liegt, geraten immer mehr in die Schuldenfalle (mehr hier).

Die wachsenden Sozial- und Personalausgaben legten im vergangenen Jahr um drei bis vier Prozent zu. Für Investitionen haben die klammen Kommunen weniger Geld (-11%). Die Erwerbsminderung und die Grundsicherung im Alter muss der Bund bereits finanzieren und die Kommunen entlasten. Eine Übernahme der Kosten für die Eingliederungsbeihilfe für Menschen mit Behinderung ist ebenfalls geplant.

Nachhaltig ist die Unterstützung des Bundes für die Kommunen nicht. Nach Einschätzung der Kämmerer werde der Anteil der Kommunen, die keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können binnen drei Jahren von 40 auf 53 Prozent ansteigen. Diese Kommunen nehmen auch immer häufiger die Rettungsschirme der Bundesländer in Anspruch. Als Gegenleistung für solche Finanzhilfen verpflichten sich die Kommunen zu Konsolidierungsmaßnahmen.

„Ende der Fahnenstange"

Zur Haushaltssanierung trägt auch die Gebührenerhöhung für Kindertagesstätten bei, die in 30 Prozent aller Kommunen erhöht werden soll. Die Grundsteuer soll in 28 Prozent aller Kommunen angehoben werden.

„Die Gebührenschraube wird weiter angezogen, die Bürger müssen sich auf eine neue Welle von Steuer- und Gebührenerhöhungen einstellen – nachdem es bereits in den vergangenen Jahren auf breiter Front Erhöhungen gab“, sagte Hans-Peter Busson, Partner bei Ernst & Young.

Es ist davon auszugehen, dass die Jugend- und Seniorenarbeit um zwölf Prozent zurückgeht. Die Straßenbeleuchtung wird um zehn Prozent eingeschränkt. Sieben Prozent der Hallen- und Freibäder werden geschlossen. Die Möglichkeiten sind jedoch begrenzt: „In vielen Verwaltungen gibt es kaum noch freiwillige Leistungen, die gekürzt, oder Gebühren, die weiter erhöht werden könnten – da ist inzwischen das Ende der Fahnenstange erreicht“, sagte Busson.

Die „Zeitbombe" tickt

Die Schuldenbremse auf zwinge die Bundesländer dazu, die Kommunen von zusätzlichen Mitteln abzuschneiden. Das werde die Finanznot noch verstärken. „De facto sind viele deutsche Kommunen längst bankrott“, sagte Busson. „Die Altschulden sind eine Zeitbombe, von der derzeit keiner weiß, wie sie entschärft werden kann.“

Einen möglichen Lösungsansatz sieht Busson in Privatisierungen und in dem Verkauf von Immobilien. Zudem dürfe auch die Zusammenlegung kleinerer Kommunen kein Tabu sein.

An tiefgreifenden strukturellen Veränderungen führt kein Weg vorbei.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Einigung bei historischem Schuldenpaket: Schwarz-rote Grund­ge­setz­än­de­rungen werden grün
14.03.2025

100 Milliarden Sonderschulden für die Grünen und Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz: Nach zähen Verhandlungen haben Union, SPD...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Du bist mir eine Marke! Der Erfolg von 130 Jahren Falke-Socken
14.03.2025

Franz-Peter Falke leitet das Familienunternehmen im Sauerland in vierter Generation. Zwischen Wahren der Tradition und Wappnen für die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betriebsbedingte Kündigung: Was gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
14.03.2025

Die andauernde Wirtschaftskrise führt in Deutschland zu immer mehr Firmenpleiten und zunehmenden Stellenabbau bei Unternehmen. Damit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla: Trump-Zölle könnten dem E-Autobauer schaden
14.03.2025

Tesla-Chef Elon Musk gilt als Trump-Unterstützer – doch sein Unternehmen schlägt Alarm. Die Strafzölle der US-Regierung könnten nicht...

DWN
Politik
Politik BSW: neues Wahlergebnis zählt 4.277 Zweitstimmen mehr - trotzdem kein Einzug in den Bundestag
14.03.2025

Das BSW scheitert final am Einzug in den Bundestag: 0,02 Prozent fehlten! Während sich an der Sitzverteilung nichts mehr ändert, treten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unser neues Magazin ist da: Gesund arbeiten und gesund leben? Die Balance auf der Kippe
14.03.2025

Unsere Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Digitalisierung, Globalisierung und die ständige...

DWN
Unternehmen
Unternehmen BMW-Aktie: Gewinn beim Hersteller BMW sackt ab - die ganz fetten Jahre sind vorbei
14.03.2025

Nach Jahren extremer Erträge geht es für die Autohersteller gerade abwärts. Doch selbst nach den aktuellen Einbrüchen verdienen...

DWN
Politik
Politik Grüne blockieren schwarz-rotes Finanzpaket – Streit um Europas Zukunft
14.03.2025

Die Grünen stellen sich gegen das Finanzpaket von Union und SPD. Fraktionschefin Katharina Dröge fordert, Verteidigungs- und...