Weltwirtschaft

Deutsche Industrie erleidet massiven Auftragsrückgang

Lesezeit: 2 min
05.09.2019 09:00  Aktualisiert: 05.09.2019 09:03
Der Abschwung in der deutschen Industrie nimmt an Schärfe zu. Im Juli kam es erneut zu einem deutlichen Rückgang der Bestellungen. Die gesamte deutsche Wirtschaft dürfte im Sommer in die Rezession gerutscht sein.
Deutsche Industrie erleidet massiven Auftragsrückgang
Foto: Bernd Thissen

Die deutsche Industrie hat im Juli wegen der sinkenden Nachfrage aus Übersee den stärksten Auftragsschwund seit einem halben Jahr erlitten. Das Neugeschäft schrumpfte um 2,7 Prozent zum Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang um 1,5 Prozent gerechnet. "Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe starteten insgesamt schwach ins dritte Quartal", erklärte das Ministerium dazu.

Im Juni hatte es noch ein kräftiges Wachstum von 2,7 Prozent gegeben, allerdings nur aufgrund ungewöhnlich vieler Großaufträge. Diese fielen im Juli unterdurchschnittlich aus. Während die Bestellungen aus dem Inland um 0,5 Prozent abnahmen, stiegen die aus der Euro-Zone um 0,3 Prozent. Dagegen sank die Nachfrage aus dem Rest der Welt - mitsamt den weltgrößten Volkswirtschaften USA und China - um 6,7 Prozent. "Angesichts der weiter schwelenden internationalen Handelskonflikte und der zurückhaltenden Geschäftserwartungen im Verarbeitenden Gewerbe zeichnet sich für die kommenden Monate noch keine grundlegende Besserung der Industriekonjunktur ab", erwartet das Ministerium.

Mit der anhaltenden Schwäche der Industrie steige die Gefahr "erheblich", dass Europas größte Volkswirtschaft im laufenden dritten Quartal erneut schrumpft und damit in eine Rezession abrutsche, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel: "Die Schwäche der Neubestellungen belastet in weiterer Folge die Industrieproduktion und damit auch das Wachstum der gesamten Wirtschaft."

Experten weisen darauf hin, dass die Misere auch auf die geringere Binnennachfrage zurückgeht. "Seit Jahresbeginn sind die Inlandsaufträge sogar stärker gesunken als die Auslandsaufträge", sagte der Deutschland-Chefvolkswirt der niederländischen Bank ING, Carsten Brzeski. "Das deutet darauf hin, dass die globalen Probleme die Binnenwirtschaft erreicht haben."

Die deutsche Industrie steckt derzeit in der Rezession und zieht die gesamte Wirtschaft mit nach unten. Ihr machen vor allem die globalen Handelskonflikte, der nahende EU-Abschied Großbritanniens und die schwächelende Autoindustrie zu schaffen. Dass die Autobauer und mit ihnen hunderte Zulieferbetriebe in ernsten Schwierigkeiten stecken, ist nicht zuletzt auch Folge der verstärkten Hinwendung zum Elektromotor, welcher derzeit noch gar nicht flächendeckend anwendbar ist.

Auch bei den deutschen Maschinenbauern gibt es trotz eines abgeschwächten Abwärtstrends im Juli keine Hoffnung auf bessere Zeiten. Die Bestellungen sanken um drei Prozent, wie der Branchenverband VDMA am Donnerstag mitteilte. Dabei schrumpften die Auftragseingänge im Inland um vier Prozent und die Aufträge aus dem Ausland um drei Prozent. "Damit ist der Abschluss im Juli zwar weniger trübe ausgefallen – eine kleine Atempause. Doch der Trend zeigt weiter nach unten und die Geschäfts- und Exporterwartungen bleiben angesichts der konjunkturellen und politischen Risiken für die zweite Jahreshälfte pessimistisch", erklärte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers.

Positiv sei allein, dass die Bestellungen aus den Euro-Ländern um drei Prozent zulegten. Dagegen sanken die Order aus den Nicht-Euro-Ländern um fünf Prozent. In dem von Schwankungen weniger beeinflussten Drei-Monats-Zeitraum von Mai bis Juli gingen die Bestellungen um acht Prozent zurück, im In- und Ausland gleichermaßen um acht Prozent.

Die als Rückgrat der deutschen Wirtschaft geltende Branche mit mehr als einer Million Beschäftigten hatte im ersten Halbjahr einen Rückgang der Bestellungen um neun Prozent verbucht. Deutschlands zweitgrößter Industriezweig nach der Autobranche erwartet in diesem Jahr erstmals seit 2013 einen Rückgang der Produktion. Der VDMA hatte Anfang Juli seine Erwartungen eingedampft und rechnet nun mit einem Minus von zwei Prozent. Die stark exportorientierten Hersteller - rund drei Viertel der Anlagen gehen ins Ausland - hatten zuvor noch ein Plus von einem Prozent erwartet.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...