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Frankreichs Eliten beuten noch heute zahlreiche afrikanische Staaten aus

Lesezeit: 5 min
11.09.2019 18:09  Aktualisiert: 11.09.2019 18:15
Frankreich beutet zahlreiche afrikanische Staaten im Rahmen des Kolonialpakts finanziell und wirtschaftlich aus. Italiens Vizepremier Di Maio meint: “Wenn wir heute noch Menschen haben, die Afrika verlassen, liegt dies vor allem an mehreren europäischen Ländern wie Frankreich, die die Kolonialisierung Afrikas nicht beendet haben.”
Frankreichs Eliten beuten noch heute zahlreiche afrikanische Staaten aus
Der französische Präsident Emmanuel Macron besucht Ouagadougou, die Hauptstadt von Burkina Faso. (Foto: dpa)
Foto: Ahmed Yempabou Ouoba

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Als Sékou Touré aus Guinea 1958 beschloss, das französische Kolonialreich zu verlassen und sich für die Unabhängigkeit des Landes zu entscheiden, wurde die französische Kolonialelite in Paris so wütend, dass sie 3.000 Franzosen, die in Guinea lebten zur Rückwanderung nach Frankreich bewegte. Diese verließen das Land, nahmen ihr gesamtes Eigentum und zerstörten alles, was nicht bewegt werden konnte: Schulen, Kindergärten, Gebäude der öffentlichen Verwaltung, Autos, Bücher, Medizin und Instrumente für die Forschung. Traktoren wurden zerkleinert, Pferde, Kühe auf den Farmen wurden getötet und Lebensmittel in Lagerhäusern verbrannt oder vergiftet.

Der Zweck dieser Tat war es, allen anderen Kolonien eine klare Botschaft zu übermitteln, damit sie sich nicht von Frankreich abwenden. Tourés Slogan lautete: “Wir ziehen Freiheit in Armut dem Prunk in der Sklaverei vor.” Doch nach diesem Präzedenzfall in Guinea traute sich keine ehemalige afrikanische Kolonie, dem Beispiel Tourés zu folgen, berichtet die französische Zeitung Mediapart, die dem europäischen Recherche-Netzwerk European Investigative Collaboration angehört.

Sylvanus Olympio, der erste Präsident der Republik Togo, einem winzigen Land in Westafrika, wollte mit den Franzosen eine Lösung für einen Mittelweg finden. Er wollte nicht, dass sein Land weiterhin unter französischer Herrschaft war, und lehnte es daher ab, den Kolonialpakt Charles De Gaulles zu unterzeichnen. Olympio erklärte sich allerdings bereit, eine jährliche Summe für die “Vorteile” zu zahlen, die der französische Kolonialismus dem Togo gebracht habe. Der von Frankreich geschätzte Betrag war jedoch so hoch, dass die Rückzahlung der sogenannten “Kolonialverschuldung” 1963 fast 40 Prozent des Staatshaushalts betrug.

Die finanzielle Situation des neuen unabhängigen Togo war sehr instabil. Um die Situation zu lösen, beschloss Olympio, das französische Kolonialgeld FCFA durch eine eigene Landeswährung zu ersetzen.

Am 13. Januar 1963, drei Tage nachdem er begonnen hatte, seine Landeswährung zu drucken, starb Olympio. Olympio wurde von einem ehemaligen Sergeant der französischen Fremdenlegion namens Etienne Gnassingbe getötet, der angeblich von der örtlichen französischen Botschaft eine Prämie in Höhe von 612 US-Dollar für den Auftragsmord erhalten hatte, berichten Martin Fonkoua und Arnaud Romeo Noume in ihrem Buch "Vers Une Nouvelle Afrique?"

Am 30. Juni 1962 beschloss Modiba Keita, der erste Präsident der Republik Mali, sich von der französischen Kolonialwährung FCFA zurückzuziehen, die zwölf neuen unabhängigen afrikanischen Ländern auferlegt wurde. Für den malischen Präsidenten, der sich mehr auf eine sozialistische Wirtschaft stützte, war klar, dass der Fortführungspakt der Kolonialisierung mit Frankreich eine Falle war, um die Entwicklung seines Landes zu verhindern. Am 19. November 1968 wurde Keita wie Olympio Opfer eines Putsches, den ein anderer ehemaliger französischer Fremdenlegionär, der Leutnant Moussa Traoré, durchgeführt hat, berichtet die Washington Post.

Frankreichs Rolle in Afrika

Am 1. Januar 1966 führte Jean-Bédel Bokassa, ein ehemaliger französischer Fremdenlegionär, einen Putsch gegen David Dacko, den ersten Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik durch.

Am 3. Januar 1966 wurde Maurice Yaméogo, der erste Präsident der Republik Obervolta, jetzt Burkina Faso genannt, Opfer eines Putsches, den Aboubacar Sangoulé Lamizana, ein ehemaliger französischer Legionär, der mit französischen Truppen in Indonesien und Algerien gegen die Unabhängigkeit dieser Länder kämpfe, durchführte.

Am 26. Oktober 1972 führte Mathieu Kérékou, ein Sicherheitsbeamter von Präsident Hubert Maga, dem ersten Präsidenten der Republik Benin, einen Putsch gegen den Präsidenten durch.

Von 1964 bis 2014 Jahren fanden insgesamt 67 Staatsstreiche in 26 Ländern Afrikas statt, von denen 16 französische Ex-Kolonien waren. Dies bedeutet, dass 61 Prozent der Staatsstreiche im frankophonen Afrika stattfanden.

Stimmen zum Kolonialpakt zwischen Frankreich und Afrika

Im März 2008 sagte der frühere französische Präsident Jacques Chirac nach Angaben von Voice of Africa: “Ohne Afrika wird Frankreich in den Rang einer dritten Weltmacht abrutschen.” Chiracs Vorgänger François Mitterand prophezeite bereits 1957: “Ohne Afrika wird Frankreich im 21. Jahrhundert keine Geschichte haben.”

Derzeit sind 14 afrikanische Länder von Frankreich durch den Kolonialpakt verpflichtet, 85 Prozent ihrer Währungsreserven unter der Kontrolle des französischen Finanzministers bei der französischen Zentralbank unterzubringen, so die New York Times. Bislang müssen Togo und etwa 13 andere afrikanische Länder noch Kolonialschulden an Frankreich zahlen. Diejenigen Staatsschefs, die gehorchen, werden von Frankreich mit einem verschwenderischen Lebensstil unterstützt und belohnt, während ihr Volk oft unter extremer Armut und Verzweiflung leidet.

Der italienische Vizepremier Luigi Di Maio sieht sogar die Ursache für den afrikanischen Flüchtlingsstrom nach Europa in der französischen Afrika-Politik, die de facto eine Kolonialpolitik sei. Im Februar 2019 sagte Di Maio: “Wenn wir heute noch Menschen haben, die Afrika verlassen, liegt dies vor allem an mehreren europäischen Ländern wie Frankreich, das die Kolonialisierung Afrikas nicht beendet haben.” Frankreich manipuliere die Volkswirtschaften von 14 afrikanischen Ländern, die die FCFA-Währung nutzen, behauptete di Maio. “Wenn Frankreich keine afrikanischen Kolonien hätte, wäre es die 15. größte Weltwirtschaft. Stattdessen ist es eine der ersten, aufgrund dessen, was das Land in Afrika tut”, zitiert die EU-Denkfabrik IERI Di Maio.

Im Jahr 2017 fanden in Benin Proteste gegen die Kolonialwährung FCFA statt. Im Verlauf der Proteste wurde der Organisator der Proteste, Kémi Séba, verhaftet, so die BBC. Es finden auch in anderen Staaten von Zeit zu Zeit Proteste gegen Frankreichs Politik statt. Doch die werden im Regelfall von den jeweiligen afrikanischen Regierungen, die den Anweisungen Frankreichs Folgen müssen, im Keim erstickt.

Die Komponenten des Kolonialpakts

Der Kolonialpakt, den Frankreich den 14 afrikanischen Staaten auferlegt hat, weist mehrere Komponenten auf:

Kolonialschuld zugunsten der französischen Kolonialisierung

Die neuen “unabhängigen” Länder wurden dazu gezwungen, die von Frankreich während der Kolonialisierung aufgebaute Infrastruktur zu zahlen.

Automatische Einziehung von nationalen Reserven

Die afrikanischen Länder müssen ihre nationalen Währungsreserven bei der französischen Zentralbank hinterlegen. Frankreich hält seit 1961 die nationalen Reserven von Benin, Burkina Faso, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Senegal, Togo, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Kongo-Brazzaville, Äquatorialguinea und Gabun. 65 Prozent der Devisenreserven werden auf einem Geschäftskonto beim französischen Finanzministerium hinterlegt. Weitere 20 Prozent werden auf einem anderen Konto zur Deckung finanzieller Verbindlichkeiten hinterlegt.

Die afrikanischen Länder haben keinen Zugang zu diesem Geld. Frankreich erlaubt ihnen, nur 15 Prozent des Geldes jährlich abzurufen. Wenn die Länder höhere Summen brauchen sollten, müssen sie das zusätzliche Geld von ihren eigenen Zwangseinlagen beim französischen Finanzministerium mit Zinsen leihen. Doch Paris hat mittlerweile durchgesetzt, dass die Länder insgesamt 20 Prozent ihrer eigenen Reserven anzapfen dürfen.

Vorkaufsrecht für im Land entdeckte Rohstoffe und Bodenschätze

Frankreich hat ein Vorzugsrecht beim Kauf von Ressourcen, die im Land seiner ehemaligen Kolonien gefunden wurden. Erst wenn Frankreich kein Interesse hat, dürfen die Länder die betroffenen Rohstoffe und Bodenschätze, die nicht von Interesse sind für Paris, weiterverkaufen.

Vorrang für französische Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen und öffentlichen Ausschreibungen

Bei der Vergabe von Regierungsaufträgen müssen französische Unternehmen zuerst berücksichtigt werden. Es spielt keine Rolle, ob die afrikanischen Länder anderswo ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis erzielen können. Infolgedessen befinden sich in vielen französischen Ex-Kolonien alle wichtigen Wirtschaftsgüter der Länder in der Hand von Exil-Franzosen. In Côte d'Ivoire beispielsweise besitzen und kontrollieren französische Unternehmen alle wichtigen Versorgungsunternehmen - Wasser, Strom, Telefon, Transport, Häfen und Großbanken. Gleiches gilt für den Handel, Bau und Landwirtschaft, berichtet Silicon Africa.

Ausschließliches Recht, militärische Ausrüstung zu liefern und die Militärs des Landes auszubilden

Durch ein ausgeklügeltes Stipendien-, Zuschuss- und Verteidigungsabkommensschema, das dem Kolonialpakt beigefügt ist, müssen die Afrikaner ihre hochrangigen Militäroffiziere zur Ausbildung nach Frankreich oder in französische Einrichtungen entsenden. Frankreich hat das Recht, im Rahmen der sogenannten "Verteidigungsabkommen", die dem Kolonialpakt beigefügt sind, in den afrikanischen Länder militärisch einzugreifen, Truppen zu stationieren und Stützpunkte zu errichten.

Verpflichtung, Französisch zur offiziellen Landessprache und zur Unterrichtssprache zu machen

Es wurde eine französische Organisation zur Verbreitung von Sprache und Kultur namens “Frankophonie” mit mehreren Satelliten- und Mitgliedsorganisationen gegründet, die vom französischen Außenminister beaufsichtigt werden.

Durch den Einsatz der französischen Kolonialwährung fließen jährlich 440 Milliarden Euro in die französische Staatskasse, so Modern Ghana.

Verpflichtung zur Übersendung des Jahresbilanz- und Reservenberichts für Frankreich

Die Notenbanken der afrikanischen Länder sind verpflichtet, ihre Jahresbilanz- und Reserveberichte dem französischen Finanzministerium zuzusenden. Andernfalls erhalten die Länder kein Geld.

Verzicht auf das Eingehen eines Militärbündnisses mit einem anderen Land, es sei denn, dies wurde von Frankreich genehmigt

Afrikanische Länder sind im Allgemeinen diejenigen mit weniger regionalen militärischen Allianzen. Die meisten Länder haben nur militärische Allianzen mit ihren Ex-Kolonisatoren. Die betroffenen Länder dürfen nur dann Allianzen mit anderen Ländern eingehen, wenn dies von Frankreich genehmigt wird.

Verpflichtung, sich in einer Kriegssituation oder einer globalen Krise mit Frankreich zu verbünden

Die 14 afrikanischen Nationen sind verpflichtet, Frankreich militärisch zu unterstützen, falls Frankreich in einen Krieg eintreten sollte. Über eine Million afrikanischer Soldaten kämpften beispielsweise im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland. Seitdem hat Paris dieses Potenzial für sich entdeckt, um es künftig weiter ausschöpfen zu können.

Der aktuelle Präsident Emmanuel Macron kennt die Geschichte und Gegenwart seines Landes im Zusammenhang mit Afrika. Doch bisher hat auch er nichts unternommen, um ein gerechtes Verhältnis zu den 14 afrikanischen Staaten, die unter der finanziellen und politischen Totalkontrolle von Paris stehen, zu schaffen.


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