Finanzen

Deutschland mit größtem Schaden: Forderungen nach Ende der Russland-Sanktionen häufen sich

Deutschland erleidet den größten Schaden aller westlichen Staaten durch die Russland-Sanktionen. Das Institut für Weltwirtschaft hat dazu neueste Zahlen vorgelegt. Der Druck auf die Befürworter der Sanktionspolitik wächst.
02.10.2019 13:10
Aktualisiert: 02.10.2019 13:18
Lesezeit: 2 min

Nach der Annäherung der Kriegsparteien in der Ostukraine hat die deutsche Wirtschaft eine Lockerung der Russland-Sanktionen der EU gefordert, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. "Die EU muss jetzt die Aufhebung erster Sanktionen in Aussicht stellen, um ihrerseits Anreize für weitere Fortschritte zu geben", teilte der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, am Mittwoch in Berlin mit. "Von einer schrittweisen Aufhebung der Sanktionen, die Warenverkehr und Wertschöpfungsketten massiv stören, würden alle Seiten profitieren."

Ähnliche Forderungen waren auch von deutschen Politikern erhoben worden. Die EU-Sanktionen waren 2014 verhängt und im Juni erneut verlängert worden. Zuvor hatten sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Bundesaußenminister Heiko Mass mitgeteilt, dass es eine Einigung der Konfliktparteien auf eine Entflechtung von Truppen und einen Sonderstatus für Lokalwahlen in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine gebe. Der Ostausschuss-Vorsitzende Hermes warnte, dass der "fragile Prozess nicht durch Störmanöver – etwa neue Russland-Sanktionen der USA – gefährdet werden" dürfe.

Die schrittweise verschärften Sanktionen der USA und der EU gegen Russland nach 2014 haben nach Angaben von Julian Hinz vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erhebliche Auswirkungen - insbesondere für Deutschland und Russland, berichtet Reuters. Russland verliere dadurch rund 3,4 Milliarden Dollar pro Monat an Handel, sagte er. Aber auch bei Deutschland seien dies rund 770 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Handelseinbußen der USA betrügen nur rund 70 Millionen Dollar pro Monat, sagte Hinz. Auch innerhalb der EU trage die Exportnation Deutschland mit dem vor 2014 florierenden Russland-Handel klar die Hauptlast der Sanktionen. Bereits im Juni hatte die deutsch-russische Außenhandelskammer beklagt, dass allein die US-Sanktionen die deutsche Wirtschaft mehrere Milliarden Euro kosteten.

Nach fünf Jahren Sanktionen zieht OA-Geschäftsführer Michael Harms deshalb eine ernüchternde Bilanz. Zum einen habe die EU- und US-Politik den Trend zum Protektionismus in Russland deutlich beschleunigt. Zum anderen gebe es eine klare Umorientierung der russischen Wirtschaft Richtung China. Chinesische Firmen lieferten die Waren, die nicht mehr aus Deutschland exportiert werden dürften.

Gerade die US-Sanktionen schafften eine solche Unsicherheit, dass sich deutsche Firmen aus Sorgen vor Strafen von vielen auch aus legalen Geschäften zurückzögen - und europäische Banken paradoxerweise das Geschäft an US-Konkurrenten verlören. Denn russische Geschäftspartner vermuteten, dass diese einen engeren Draht zur US-Regierung hätten und Sanktionen abbiegen könnten, sagte Harms. Aber auch die sehr langen Zeiten für Ausfuhrgenehmigungen in Deutschland führten dazu, dass russische Partner Aufträge zunehmend nach Asien vergäben.

Auch im Bundestag regt sich parteiübergreifender Widerstand. Zusammen mit dem Ostausschuss organisierte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Klaus Ernst (Linke), eine Veranstaltung der Kritiker. Sein Hauptargument: Nach fünf Jahren müsse auch die Bundesregierung einräumen, dass die EU-Sanktionen zu keiner Verhaltensänderung Russlands geführt hätten. Abgeordnete mehrerer Bundestagsfraktionen fordern deshalb nun eine schrittweise Lockerung der EU-Sanktionen - zumal es erste Entspannungssignale im Verhältnis Russlands zur Ukraine gebe. "Macron und Merkel müssten das Thema auf die EU-Agenda setzen", forderte etwa der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Bernd Westphal. "Wir gehen den ersten Schritt und sehen, was Russland macht", schlug er vor. Sein CSU-Kollege Peter Ramsauer sieht dies ähnlich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik EU erzielt Kompromiss über Nachhaltigkeitsberichterstattung - was das konkret bedeutet
11.12.2025

Nach zähen Verhandlungen einigt sich die EU auf weitreichende Entlastungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Doch der Kompromiss...

DWN
Politik
Politik Finanzielle Lage von Eltern: Alleinerziehende sind trotz Vollzeitjob armutsgefährdet
11.12.2025

Sie arbeiten, kümmern sich um ihre Kinder, doch ihre finanzielle Lage ist prekär und führt immer mehr in Armut. Die Folge: Deutschland...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Weniger Azubi-Stellen: Ausbildungszahlen sinken weiter, zweiter Rückgang in Folge
11.12.2025

Für junge Menschen wird es im Zuge der Wirtschaftsflaute schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden. Angesichts der Konjunkturschwäche...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Bahn: Ab Sonntag neuer Fahrplan – Ausdünnung in der Fläche
11.12.2025

Am kommenden Sonntag tritt der neue Fahrplan im Fernverkehr der Deutschen Bahn in Kraft. Er bringt für Fahrgäste unter anderem...

DWN
Finanzen
Finanzen Fed-Zinsentscheid: US-Notenbank senkt erneut US-Leitzins - Folgen für Deutsche?
11.12.2025

Der jüngste Fed-Zinsentscheid der US-Notenbank bewegt Wechselkurse, Finanzmärkte und deutsche Geldbeutel. Doch wem nützt der niedrigere...

DWN
Politik
Politik Steuerfreie Überstundenzuschläge in der Kritik: Reform bringt fast nichts
11.12.2025

Steuerfreie Überstundenzuschläge sollen ab 2026 die Arbeitsmotivation der Deutschen ankurbeln: Mehrarbeit soll sich lohnen. Deshalb...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Medienkrieg: Warum Paramount Skydance das Netflix-Angebot sprengt
10.12.2025

Ein Übernahmekampf erschüttert die US-Medienbranche, weil Paramount Skydance das vermeintlich entschiedene Rennen um Warner Bros....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen beendet Fahrzeugproduktion: Umbaupläne für Gläserne Manufaktur in Dresden
10.12.2025

Die VW-Fahrzeugproduktion in Dresden endet aus wirtschaftlichen Gründen nach mehr als 20 Jahren. Über die Zukunft des ehemaligen...