Politik

Türkische Invasion in Syrien: Assad verlegt Truppen in den Norden

Die syrische Regierung verlegt Medienberichten zufolge Truppen in den Norden des Landes, um die türkische Invasion zu stoppen. Die EU-Staaten diskutieren derweil über Sanktionen gegen Ankara.
14.10.2019 08:15
Aktualisiert: 14.10.2019 08:19
Lesezeit: 3 min

Syrien stationiert in etlichen Grenzstädten Truppen, die sich der türkischen Invasion entgegenstellen sollen. Soldaten seien bereits in Tel Tamer, Tabka nahe Rakka, Ain Issa und weiteren Orten eingerückt, berichteten syrische Staatsmedien am Montag. Vorausgegangen war eine Verständigung zwischen der Regierung in Damaskus und dem von der Kurden-Miliz YPG geführten Rebellenbündnis Syrische Demokratische Streitkräfte (SDF).

Die Soldaten seien unter anderem in Tel Tamer im Nordosten des Landes eingerückt, berichteten Staatsmedien. Die Stadt liegt an der strategisch wichtigen Autobahn M4, die von Osten nach Westen führt. Die syrische Armee teilte mit, sie habe die Straße am Sonntag unter ihre Kontrolle gebracht. Tel Tamer ist nur 35 Kilometer von Ras al-Ain entfernt, das eines der zentralen Ziele der türkischen Armee ist.

Die Regierungssoldaten würden in die Grenzstädte von Manbidsch bis Derik einziehen, was dem Schutz der Grenze diene, sagte der führende Kurden-Vertreter Badran Dschia Kurd zu Reuters. "Das ist eine vorläufige militärische Übereinkunft. Die politischen Aspekte wurden nicht besprochen, diese werden später diskutiert werden." Nachdem die USA der Türkei grünes Licht für ihren Angriff gegeben hätten, sei man gezwungen gewesen, nach einer anderen Option zu suchen, sagte Kurd. Daher habe man das Gespräch mit der syrischen Regierung und Russland gesucht. Die USA hatten zunächst ihre Soldaten von zwei Beobachtungsposten im Nordosten Syriens abgezogen und damit den Weg für den türkischen Angriff geebnet. Am Sonntag kündigte die US-Regierung an, sie werde ihre restlichen 1000 Soldaten wegen der sich ausweitenden türkischen Offensive in den kommenden Tagen aus Syrien abziehen.

Die Türkei hatte die lang geplante «Operation Friedensquelle» am Mittwoch mit Angriffen auf syrische Orte entlang der gemeinsamen Grenze begonnen. Ankara betrachtet die dortigen Kurdenmilizen als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation.

Der libanesische TV-Sender Al-Mayadeen berichtete von einer Vereinbarung der Regierung in Damaskus mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF). Diese werden von der Kurdenmiliz YPG angeführt, gegen die Ankara die Offensive begonnen hatte. Als Teil der Vereinbarung würden syrische Regierungstruppen ab Montagmorgen zur türkischen Grenze verlegt. Kontrollpunkte der SDF würden geöffnet, um der Armee Zugang zur Region zu verschaffen, berichtete Al-Mayadeen unter Berufung auf kurdische Quellen.

In Luxemburg diskutierten die Außenminister der EU-Staaten am Montag über mögliche Reaktionen auf die türkische Invasion. Schweden hatte sich im Vorfeld der Gespräche offen für ein EU-weites Waffenembargo gegen die Türkei ausgesprochen und will bei einer Verschlechterung der Lage auch Wirtschaftssanktionen oder Sanktionen gegen Einzelpersonen vorschlagen. Auch die französische Regierung hat das Thema Sanktionen aufgeworfen. Nach einer Sondersitzung des französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats am späten Sonntagabend teilte der Elysee-Palast mit, dass Frankreich seine Bemühungen verstärken werde, ein «unverzügliches Ende» der türkischen Offensive zu erwirken.

Die EU-Außenminister haben am Montag jedoch kein gemeinsames Waffenembargo gegen die Türkei verabschiedet. Sie verwiesen in einer Erklärung bei ihrem Treffen in Luxemburg lediglich auf nationale Entscheidungen "einiger Mitgliedstaaten, die Waffenexporte sofort einzustellen". Die EU-Staaten insgesamt verpflichteten sich darüber hinaus zu "starken nationalen Positionen mit Blick auf ihre Waffenexporte an die Türkei" auf Grundlage von EU-Kriterien, wonach diese die Stabilität einer Region nicht gefährden dürfen. Damit bleibt die Entscheidung, ob ein Waffenembargo gegen Ankara verhängt wird oder nicht, weiter bei den nationalen Regierungen. Die Außenminister kündigten an, eine Arbeitsgruppe werde sich diese Woche treffen, um "die Standpunkte der Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit zu koordinieren und zu überprüfen". Die Außenminister forderten Ankara erneut auf, "seine einseitigen militärischen Handlungen in Nordost-Syrien zu stoppen und seine Truppen abzuziehen". Die Offensive untergrabe "ernsthaft die Stabilität und die Sicherheit der gesamten Region" und führe "zu mehr Leid und weiterer Vertreibung der Zivilbevölkerung". Zudem bedrohe die Militäraktion die Fortschritte im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz IS.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Sonntag in einen Telefonat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum sofortigen Stopp der Militäroffensive aufgefordert. Diese war auch Thema bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Sonntagabend in Paris. Beide warnten vor einem Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat durch das Vorgehen der Türkei in Nordsyrien. Am Sonntag hatten die kurdische Autonomiebehörde und die sogenannte „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in London mitgeteilt, dass rund 780 Angehörige von IS-Extremisten aus einem Lager ausgebrochen seien.

Unterdessen wollte die US-Regierung mit dem Abzug von rund 1000 Soldaten aus Nordsyrien beginnen. Verteidigungsminister Mark Esper erklärte am Sonntag im US-Fernsehen, es bestehe die Gefahr, dass die USA zwischen zwei vorrückende Armeen gerieten. Einen Zeitplan nannte er nicht. Auch blieb unklar, wohin die US-Soldaten sich zurückziehen sollten.

Frankreich kündigt Schritte zur Gewährleistung der Sicherheit der französischen Truppen und Zivilisten im Nordosten Syriens an. Nach einer Dringlichkeitssitzung des Verteidigungskabinetts sagte die französische Präsidentschaft am Montag, das "in den kommenden Stunden" Maßnahmen ergriffen werden, um die französische Streitkräfte und Zivilpersonen zu schützen, die als Teil der internationalen Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) kämpfen oder humanitäre Hilfe vor Ort leisten. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Französische Beamte hatten zuvor gesagt, dass ein US-Rückzug aus Syrien Frankreich zu einem Abbruch des Einsatzes zwingen würde, da die französischen Truppen auf die logistische Unterstütung der USA angewiesen seien.

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