Technologie

Medientage München: Europa will sich von der Technologie-Dominanz Amerikas befreien

Die 33. Medientage München wurden von der Frage bestimmt, wie Europa sich von der US-amerikanischen Dominanz im Technologiebereich befreien könnte.
23.10.2019 16:29
Aktualisiert: 23.10.2019 16:32
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Medientage München: Europa will sich von der Technologie-Dominanz Amerikas befreien
Zeynep Tufekci, Associate Professor der UNC School of Information and Library Sciences der Universität von North Carolina an den Medientagen in München. (Foto: dpa) Foto: Felix H

Gegen die Übermacht von US-Internetkonzernen helfen nach Einschätzung von Medienexperten und Politikern nur bessere Zusammenarbeit in Europa - und bessere Werte, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich am Mittwoch zum Start der 33. Medientage München für eine alternative europäische Internetplattform aus: "Entweder sind wir bereit, den Wettbewerb anzunehmen, oder wir werden am Ende nur Konsumenten sein von anderen Wettbewerbern."

Söder warf in seiner Rede deutschen Medienhäusern und besonders der Medienpolitik mangelndes Reformtempo vor. Vieles gehe zu langsam. "Bis wir ein Fußballspiel anpfeifen, haben die anderen schon drei Ligen gespielt." Die deutsche Medienordnung sei "anachronistisch" und "altbacken".

Der bayerische Regierungschef bekannte sich ausdrücklich zu den Öffentlich-Rechtlichen Sendern in Deutschland. Er kritisierte aber zugleich eine "unendliche Staatsvertrags-Mäanderei" und sprach sich für eine umfassende Reform der deutschen Medienordnung jenseits des gegenwärtig verhandelten neuen Medienstaatsvertrages aus. "Deutschland zögert" - und werde darum zunehmend abgehängt.

Die Tech-Soziologin Zeynep Tufekci, Professorin an der Universität von North Carolina in den USA und Journalistin unter anderem für die "New York Times", zog gar Parallelen zum Kalten Krieg. Der Westen haben diesen gegen den Ostblock gewonnen, weil er einfach die besseren Werte, das bessere Lebensmodell angeboten habe. Dem seien die Menschen gefolgt. Ähnlich könne man das in der digitalen Welt mit Alternativen schaffen. Aus Sicht der Wissenschaftlerin haben Google und Facebook "autoritäre" Strukturen geschaffen, die derzeit "noch" für Kommerz und nicht für autoritäre Politik genutzt werden.

Ein Gegenmodell, das Gleiches anbiete, aber keine Daten sammle, sei die einzig denkbare Alternative, um die Macht der Konzerne zu zerschlagen. Vor allem eine Plattform wie Youtube, die Menschen mit dem Algorithmus hinter automatischen Videovorschlägen nicht nur in ihren Ansichten bestätige, sondern zunehmend radikalisiere, sei eine große Gefahr. "Wir werden auseinandergerissen - Bildschirm für Bildschirm", sagte Tufekci.

Andreas Briese (Director Youtube Partnerships Central Europe) betonte in einer anderen Gesprächsrunde, dass die Algorithmen von Youtube in den vergangenen Jahren verändert worden seien. Ursprünglich sollten Videos gefördert werden, die viele Klicks erzielen. Danach seien Videos mit langen Sehzeiten favorisiert worden. Jetzt gehe es darum, Inhalte zu fördern, die breit und vielfältig und nicht in Nischen sind. Im Frühjahr habe es ein Update gegeben, das sich dem Problem von Hassreden, der sogenannten Hate-Speech, widme.

Der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm betonte: "Es ist unverzichtbar, dass sich Europa seine Souveränität auch im Digitalen bewahrt." Nahezu alle Plattformen sozialer Netzwerke über Cloud-Services werden demnach von Anbietern außerhalb Europas bestimmt. "Damit werden auch die Relevanz und Sichtbarkeit von Inhalten von Algorithmen gesteuert, deren Funktionsweise allein in den Händen von privaten Unternehmen liegt und deren Geschäftsmodell vor allem auf die gezielte Platzierung von Werbung ausgerichtet ist", sagte Wilhelm.

Bei den Medientagen diskutieren bis Freitag Medienschaffende und Experten über die großen Herausforderungen der Branche - vor allem geht es um digitalen Wandel. Verlage müssen seit Jahren im Print-Bereich hohe Auflagenverluste hinnehmen. Auch die Werbeerlöse sind ein Problem. Zugleich feilen sie daran, über Bezahlmodelle im Internet Kunden zu gewinnen.

Medienunternehmen sehen in Bezahlmodellen im Internet Chancen. Was funktioniere, sei guter und fundiert ausrecherchierter Lokaljournalismus - und nicht das Katzen-Video, sagte die Leiterin der Onlineredaktion der "Aachener Zeitung", Nina Leßenich, in einer Gesprächsrunde. Der Chefredakteur der "Augsburger Allgemeinen", Gregor Peter Schmitz, betonte, dass man sich zunehmend darüber Gedanken mache, Inhalte so aufzubereiten, dass sie für den Leser relevant sind. Es gehe auch darum, den Leser besser zu verstehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt Deutschland: Käufer kehren zurück, Zinsen steigen
18.09.2025

Der deutsche Immobilienmarkt lebt wieder auf. Mehr Käufer greifen zu, doch steigende Bauzinsen bremsen die Euphorie. Während die...

DWN
Politik
Politik Fed senkt Leitzins: Trump drängt auf geldpolitischen Kurswechsel
18.09.2025

Die US-Notenbank senkt erstmals seit Ende 2024 den Leitzins – ein Schritt, der tief in die innenpolitische Auseinandersetzung hineinragt....

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Deutschland: Wieso sich so viele Deutsche Geld für Lebensmittel leihen
18.09.2025

Brot, Milch, Schulden: Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer...

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...