Politik

Großbritannien verweigert Rückgabe seiner letzten Kolonie im Indischen Ozean

Die UN setzten Großbritannien eine sechsmonatige Frist, um eine Inselgruppe im Indischen Ozean an Mauritius zurückzugeben. Am Montag endete die Frist.
25.11.2019 15:00
Aktualisiert: 25.11.2019 15:44
Lesezeit: 2 min
Großbritannien verweigert Rückgabe seiner letzten Kolonie im Indischen Ozean
London lässt Frist zur Rückgabe von Chagos-Archipel verstreichen. (Foto: dpa) Foto: Us_Dept_Of_Defense

Die britische Regierung hat eine Frist der UN-Vollversammlung verstreichen lassen, welche das Land zur Rückgabe einer kleinen Inselgruppe im Indischen Ozean an Mauritius aufgefordert hatte.

Der Chagos-Archipel wird von London als Kolonie beansprucht. Er wurde 1965 von Mauritius abgespalten, drei Jahre vor der Unabhängigkeit des Inselstaates von Großbritannien. Der Chagos-Archipel liegt östlich des afrikanischen Kontinents und südlich der Malediven. Die Hauptinsel des Archipels, Diego Garcia, verpachtet London seit 1966 an die USA, die dort einen Militärstützpunkt unterhalten. Die Einwohner wurden damals zwangsweise umgesiedelt, größtenteils nach Mauritius.

“Wir bestreiten offensichtlich die Ansprüche, die gemacht werden, und wir werden unsere Position weiterhin im internationalen Recht verteidigen”, zitiert die dpa Premierminister Boris Johnson. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei kündigte hingegen an, im Falle eines Wahlsiegs am 12. Dezember den Archipel an Mauritius zu übergeben.

Im Mai dieses Jahres hatten die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen mehrheitlich eine Resolution verabschiedet, die Großbritannien aufgefordert, den Chagos-Archipel an Mauritius innerhalb von sechs Monaten zurückzugeben. 116 Länder stimmten dafür. Deutschland und 55 weitere Staaten enthielten sich. Dagegen stimmten sechs Staaten, darunter Großbritannien, die USA, Australien und Israel. Rechtlich bindend ist die Resolution nicht.

Bereits im Februar hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag (IGH) im Auftrag der UN-Vollversammlung ein Gutachten erstellt, demzufolge die jahrzehntelange Kontrolle Großbritanniens über das Archipel gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker verstößt.

Der IGH sollte prüfen, ob die Abspaltung des Chagos-Archipels von der damaligen britischen Kolonie Mauritius im Jahr 1965 - drei Jahre vor der Unabhängigkeit des Inselstaates östlich des afrikanischen Kontinents - rechtmäßig war. Die Richter erklärten, damit sei die territoriale Integrität von Mauritius verletzt worden; dessen Entkolonialisierung sei daher bis heute nicht vollständig vollzogen.

Großbritannien hat Diego Garcia - die Hauptinsel des 56 Quadratkilometer großen Archipels - 1966 an die USA verpachtet. Der Vertrag wurde 2016 bis 2036 verlängert. Die rund 1.500 Bewohner der Insel wurden vertrieben, nachdem die USA dort Anfang der 1970er Jahre ihren wichtigsten Militärstützpunkt im Indischen Ozean einrichteten. Die Rückkehr wird ihnen sowie ihren Nachfahren bis heute verweigert.

Für die USA hat Diego Garcia große militärstrategische Bedeutung. Der Stützpunkt wurde unter anderem für US-Kriegseinsätze in Afghanistan und im Irak genutzt. Washington hatte den IGH aufgefordert, sich nicht mit der Forderung nach Rückgabe des Chagos-Archipels zu befassen, sondern dies direkten Gesprächen zwischen Mauritius und Großbritannien zu überlassen.

Der aus Somalia stammende IGH-Präsident Abdulqawi Ahmed Yusuf erklärte hingegen, der Gerichtshof habe die Frage seiner Zuständigkeit gründlich geprüft und mit Ja beantwortet. Der Auftrag für das Rechtsgutachten erging 2017 nach einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung, bei der sich Großbritanniens europäische Verbündete Frankreich und Deutschland enthielten.

Bei den Anhörungen vor dem Weltgerichtshof erklärte der Ex-Regierungschef des Inselstaates, Sir Anerood Jugnauth (88), die Vertreter von Mauritius hätten bei den Verhandlungen über die Unabhängigkeit mit London der Abspaltung des Chagos-Archipels nur nach “immensem Druck” zugestimmt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hilfsarbeitskraft: Deutschlands unterschätzte Welle zur Rettung bei Fachkräftemangel
23.12.2025

Die Krise im deutschen Mittelstand ist real: Der Fachkräftemangel lähmt das Wachstum. Die strategische Antwort darauf ist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden 2025: Finanzsektor glänzt, Autobauer kürzen massiv
23.12.2025

Während die Autobranche unter Druck steht, feiern Banken und Versicherer Rekordzahlen. Für deutsche Aktionäre bedeutet das ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Gold und Silber auf Rekordkurs: Edelmetalle profitieren von Zinserwartungen und Geopolitik
23.12.2025

Edelmetalle rücken erneut in den Fokus der Finanzmärkte und markieren ungewöhnliche Preisbewegungen in einem zunehmend unsicheren...

DWN
Politik
Politik Mike Pompeo über China und Russland: Die wahre Bedrohung für den Westen
23.12.2025

Der frühere US-Außenminister Mike Pompeo entwirft ein Bild globaler Machtverschiebungen, in dem Abschreckung und strategische Klarheit...

DWN
Politik
Politik Nato-Chef Rutte: Wie sich ein Angriff Russlands verhindern lässt
23.12.2025

Ein Nato-Generalsekretär, der von Gefahr spricht, wählt seine Worte nicht leichtfertig. Mark Rutte zeichnet das Bild eines Russland, das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft DIHK: Wirtschaftlicher Abstieg Deutschlands rückt näher
23.12.2025

Deutschlands Wirtschaft kommt nicht vom Fleck, die Ungeduld wächst. Während Investitionen einbrechen und Arbeitsplätze verschwinden,...

DWN
Panorama
Panorama Kartoffelsalat und Würstchen: So teuer wird der Weihnachtsklassiker 2025
23.12.2025

Kartoffelsalat mit Würstchen bleibt zum Fest günstiger als im Vorjahr. Vor allem die Essig-Öl-Variante spart Geld, während regionale...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie die Geldentwertung Gold und Bitcoin in den Vordergrund rückt
23.12.2025

Ersparnisse verlieren Jahr für Jahr an Wert. Nicht durch Zufall, sondern durch System. Warum Geldentwertung Gold und Bitcoin immer...