Deutschland

Berlin lahmgelegt: Tausende Landwirte protestieren gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung

Lesezeit: 2 min
26.11.2019 11:47  Aktualisiert: 26.11.2019 11:47
In Berlin haben am Dienstag tausende Landwirte gegen die von der Bundesregierung geplanten schärferen Vorgaben protestiert. Der Verkehr der Hauptstadt wurde stellenweise lahmgelegt.
Berlin lahmgelegt: Tausende Landwirte protestieren gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung
26.11.2019, Berlin: Traktoren stehen am Morgen am Brandenburger Tor. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Tausende Bauern sind aus ganz Deutschland zu einer Demonstration nach Berlin gekommen - und haben mit ihren Traktoren die Hauptstadt verstopft. Am Mittag (12.00) wollen sie am Brandenburger Tor gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung demonstrieren. Der Protest richtet sich unter anderem gegen geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz und weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers, berichtet die dpa. Dadurch würden landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet, argumentieren die Bauern.

In Berlin und Brandenburg sorgten ihre Fahrzeuge im Berufsverkehr für Behinderungen. Die Polizei sprach von 5095 Traktoren, die sie durch Brandenburg begleitet hat. Teilweise gab es bis zu 20 Kilometer lange Konvois. Auf beiden Seiten des Brandenburger Tors parkten bereits am Morgen Traktoren. Viele Bauern hatten Plakate daran befestigt.

Auf der Fahrt nach Berlin kam es bei Überholmanövern auch zu Unfällen. Die Brandenburger Polizei rief Autofahrer auf Twitter zur Vorsicht auf: "Überholen Sie nur an übersichtlichen Stellen und wenn Sie die gesamte Überholstrecke überblicken können!"

Zu der Kundgebung aufgerufen hat die Initiative "Land schafft Verbindung", in der sich Zehntausende Bauern zusammengefunden haben. Mitte November gab es schon Proteste bei der Umweltministerkonferenz in Hamburg, im Oktober fuhren Bauern in mehrere Städte, allein 6000 nach Bonn.

Der Deutsche Bauernverband kritisierte die aus seiner Sicht zu strengen Umweltschutz- und Düngebeschränkungen. "Der Protest richtet sich gegen die Verschärfungen, die die Landwirtschaft belasten, die aber aus Gründen des Gewässerschutzes nicht erforderlich sind, sondern von vielen Betrieben als Schikane empfunden werden", sagte der Generalsekretär des Verbandes, Bernhard Krüsken, MDR aktuell.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zeigte Verständnis für die Kundgebung, auf der sie ebenso wie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprechen will. "Immer mehr wird erwartet von Bauern, auch gerade von den Konsumenten, von uns Verbrauchern, aber es wird immer weniger Bereitschaft gezeigt, dafür mehr zu zahlen", sagte Klöckner im ARD-"Morgenmagazin".

Zugleich verteidigte sie die geplanten schärferen Vorgaben, derentwegen die Bauern auf die Straße gehen. Dazu gehören weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers. "Es ist zuviel Nitrat - an einigen Stellen - im Grundwasser, das liegt auch an der Düngung", sagte Klöckner. Deutschland habe eine Klage gegen die EU-Kommission verloren - und müsse die Verordnung jetzt nach einem Zweitverfahren umsetzen. Beim Insektenschwund sieht sie auch andere Verursacher neben der Landwirtschaft: Vorgärten nur mit Steinen, Lichtverschmutzung und Flächen-Versiegelung.

Schulze sagte, den Landwirten werde "enorme Wertschätzung" entgegengebracht. Sie verwies auf die milliardenschwere EU-Agrarfinanzierung. Es gebe deutliche Probleme, etwa beim Grundwasserschutz und mit der biologischen Vielfalt. Politik und Bauern redeten viel miteinander, das werde öffentlich aber teils anders dargestellt.

Der Bundestagsfraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, warf den Bauern vor, sie verfolgten einen "falschen Ansatz". "So etwas wie das Artensterben oder die Verschmutzung des Grundwassers gehen nicht weg, indem man es ignoriert", sagte er RTL/N-TV. "Noch weniger Naturschutz machen, noch mehr Dünger ausbringen, das ist nicht die richtige Antwort." Hofreiter sagte zugleich: "Man muss die Landwirte verstehen. Sie stehen nach Jahren falscher Agrarpolitik wirklich mit dem Rücken zur Wand." Sowohl das Landwirtschaftsministerium als auch der Bauernverband hätten auf immer größere Betriebe gesetzt. Das habe dazu geführt, dass es immer weniger Höfe gebe.

Die FDP forderte, das Agrarpaket auf Eis zu legen. FDP-Agrarexperte Gero Hocker warf Klöckner einen "Ausverkauf der Landwirtschaft in Deutschland" vor. Die Politik bei Tierwohl, Insektenschutz und Düngeverordnung führe zur Verlagerung der Produktion ins Ausland, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Tieren, Insekten und Grundwasser wird damit ein Bärendienst erwiesen." Karlheinz Busen (FDP) mahnte, auf das "Signal der Überforderung" zu hören. Um ein Höfesterben zu verhindern, müsse die Politik "beim Erlass neuer Gesetze einfach einmal für ein paar Jahre die Füße stillhalten."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Chef sieht Zinssenkungspfad unklar und plädiert für digitalen Euro
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
24.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Frauen in Tech-Berufen: Deutliches Ungleichgewicht trotz wachsender Nachfrage
24.04.2024

Der Frauenanteil in Berufen in den Bereichen Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist laut einer Studie niedrig....