Finanzen

Unregelmäßigkeit in EU-Handelsstatistik weist auf Umsatzsteuer-Betrug in Milliardenhöhe hin

Die EU hat mit sich selbst einen Handelsüberschuss von 307 Milliarden Euro, bei einer korrekten Erfassung aller Im- und Exporte müsste dieser aber null sein. Messfehler alleine können diese systematische Abweichung nicht erklären. Vielmehr scheint massiver Umsatzsteuerbetrug eine Ursache, der die EU-Staaten 30 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr kostet.
07.01.2020 10:35
Aktualisiert: 07.01.2020 10:35
Lesezeit: 2 min
Unregelmäßigkeit in EU-Handelsstatistik weist auf Umsatzsteuer-Betrug in Milliardenhöhe hin
Die Euro-Skulptur in Frankfurt. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

„Wenn Unternehmen Umsätze als Exporte deklarieren, sind diese von der Umsatzsteuer befreit. Werden diese Umsätze aber gar nicht im Ausland erzielt, sondern im Inland, fehlen sie in der Importstatistik des angeblichen Handelspartners und bleiben damit unversteuert“, erklären die Autoren einer aktuellen Studie zum Thema, IfW-Präsident Gabriel Felbermayr und ifo-Forscher Martin Braml.

Nach ihren Schätzungen sind dem europäischen Fiskus so alleine im Jahr 2018 rund 30 Milliarden Euro verloren gegangen. Sie empfehlen einen digitalen, automatisierten Datenabgleich von Importen und Exporten innerhalb der EU, um Bilanzfehler künftig zu verringern und Betrug zu erschweren. Die Berechnungen sind nun als Working Paper erschienen.

Die Forscher analysieren die erfassten Handelsdaten aller 28 EU-Mitgliedsstaaten untereinander seit 1999. Allein 2018 betrug der EU-EU-Handelsüberschuss beachtliche 307 Milliarden Euro. Dies entspricht knapp 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der EU und ist mehr als das BIP der acht kleinsten EU-Mitglieder zusammen.

Politik braucht verlässliche Daten

Die gesamte Welt hatte 2018 einen Handelsüberschuss mit sich selbst von 357 Milliarden Euro (422 Mrd. US-Dollar). Die globale Abweichung geht demnach zu 86 Prozent allein auf die EU zurück. Die EU bilanziert seit Gründung des Binnenmarktes 1993 einen Handelsüberschuss mit sich selbst, der mit der EU-Osterweiterung deutlich anstieg und sich über die letzten zwölf Jahre auf insgesamt 2,9 Billionen Euro summiert.

„Einen Fehler in der Zahlungsbilanz dieser Größenordnung darf die EU nicht auf die leichte Schulter nehmen und als amüsante Kuriosität abtun, gerade auch, weil sich derzeit internationale Streitigkeiten an der Höhe von Handelsbilanzüberschüssen entzünden. Die Politik braucht verlässliche Daten“, so Felbermayr und Braml.

Am stärksten ins Gewicht fallen die statistischen Abweichungen in der Bilanz des Vereinigten Königreiches, was aber auch zurückgeht auf die dort praktizierte, bloß stichprobenmäßige Erfassung von Handelsdaten. Betrachtet man allein die Eurozone, sinkt der Überschuss im Jahr 2018 von 307 auf 126 Milliarden Euro. Geht man auch bei Länderpaaren, die Großbritannien umfassen, davon aus, dass die Bilanzabweichungen auf Steuerbetrug zurückzuführen sind, wurden in der EU 64 Milliarden Euro Steuern hinterzogen.

Niederlande liefern die beste Datenqualität

Die Autoren untersuchen verschiedene Erklärungen für die statistischen Abweichungen. Messfehler oder zufällige Ungenauigkeiten allein können die Abweichungen demnach nicht erklären, da diese dann im langfristigen Durchschnitt null sein müssten. „Steuerhinterziehung ist als eine Ursache des EU-EU-Handelsüberschusses hochwahrscheinlich und kostet den Steuerzahler jedes Jahr Milliarden“.

Im Durchschnitt werden den Mitgliedsländern 18 Prozent zu viel Warenexporte und 26 Prozent zu viel Dienstleistungsexporte gemeldet. Dabei ist die Bilanzqualität der einzelnen Staaten höchst unterschiedlich. Die beste Datenqualität liefern die Niederlande, Deutschland liegt im vorderen Mittelfeld. Zypern, Irland, Luxemburg und Schweden weisen die größten Abweichungen auf. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Nachbarstaaten und Mitgliedsländern mit größeren Unterschieden in den Mehrwertsteuersätzen.

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