Politik

Tod von Soleimani kommt dem iranischen Regime entgegen

Der Tod des hochrangigen Generals Soleimani bei einem US-Drohnenangriff wird die Position der iranischen Führung in der Region nicht schwächen, sondern sie vielmehr weiter stärken.
11.01.2020 15:20
Lesezeit: 3 min
Tod von Soleimani kommt dem iranischen Regime entgegen
Der oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, würdigte am Mittwoch in Teheran vor Anhängern den durch die USA getöteten General Soleimani. (Foto: dpa) Foto: -

Wie wir bereits als erstes Medium im europäischen und US-amerikanischen Raum in einem Kommentar ausführlich beschrieben haben, hat sich das Vorgehen der USA im Nahen Osten zuletzt als positiv für den Iran erwiesen. Und umgedreht hat das Vorgehen Teherans auch die Position von US-Präsident Donald Trump gestärkt. Zwischen den beiden vermeintlichen Kriegsgegner gibt es offenbar Absprachen hinter den Kulissen. Selbst der tödliche US-Drohnenangriff auf den iranischen General Qassem Soleimani, der bei großen Teilen des iranischen Volks verhasst war, hat die Führung in Teheran nicht geschwächt, sondern offenbar sogar gestärkt.

Diese Ansicht vertritt auch der Forscher Koert Debeuf von der Freien Universität Brüssel. Im EUobserver schreibt er, dass die "Herrschaft von Soleimani" ohnehin bereits am Zerbröckeln war. Der Iran habe die Schiiten im Irak, in Syrien und im Libanon unterstützt, die dafür im Gegenzug Befehle aus Teheran befolgen mussten. "Im Libanon kann niemand mit der schwer bewaffneten Hisbollah konkurrieren - während im Irak die Schiiten die Macht in der Regierung haben." Doch seit einigen Monaten stehe dieses bisher erfolgreiche iranische Machtmodell unter Druck. Debeuf schreibt:

"Sowohl im Libanon als auch im Irak gingen die Menschen auf die Straße, um gegen dieses Denken und gegen den Einfluss des Iran zu protestieren. Diese Menschen waren Sunniten, Schiiten und Christen. Sie haben genug von der iranischen Agenda. Auch im Iran gibt es seit Wochen große Proteste. Der Wirtschaft geht es schlecht - auch wegen der amerikanischen Sanktionen. Aber die Menschen sind auch der Unterdrückung überdrüssig. Der einzige Grund, warum wir wenig darüber hören, ist, dass das iranische Regime das Internet abgeschaltet hat und somit nur sehr wenige Nachrichten aus dem Land kommen können. Aber auch ohne diese Videos ist klar, dass das Regime in Teheran unter starkem Druck steht und zudem keine Lösungen finden kann."

In dieser für den Iran prekären Situation habe Donald Trump mit der Ermordung von Soleimani dem iranischen Regime "ein schönes Neujahrsgeschenk" gemacht, so Debeuf. In den Augen vieler Iraner habe der große Feind USA den großen Helden Soleimani kaltblütig ermordet. Daher habe Ayatollah Khamenei die Gelegenheit, das Land mit kriegerischer Rhetorik wieder hinter sich zu vereinen. Er habe diese Gelegenheit auch bereits genutzt, indem er unmittelbar nach dem Drohnenanschlag auf Soleimani drei nationale Trauertage festgesetzt hat. Doch nicht nur im Iran selbst, sondern auch im Libanon und im Irak könnten die schiitischen Kräfte gestärkt aus Soleimanis Tod hervorgehen.

"Soleimani war kein gewöhnlicher General. In den letzten zehn Jahren ist er zu mythischen Ausmaßen angewachsen. Als Anführer der Al Quds-Brigade (arabisch und persisch für Jerusalem) war er für das iranische Militär im Irak, in Syrien und im Libanon verantwortlich - und hat jedes dieser Länder in Satellitenstaaten des Iran verwandelt. Er stärkte die Hisbollah im Libanon, sorgte dafür, dass Baschar al-Assad immer noch Präsident von Syrien ist, und löschte ISIS im Irak von der Landkarte. Für viele Iraner und andere Schiiten war Soleimani zu einer Art iranischem Che Guevara geworden."

Debeuf zufolge ist in der Folge der Tötung von Soleimani nun kein Amerikaner mehr sicher im Nahen Osten. Das US-Außenministerium sei sich dieser Bedrohung bewusst und habe daher bereits wenige Stunden nach dem Attentat angeordnet, dass alle amerikanischen Bürger den Irak sofort verlassen müssen. Auch US-Bürger in Syrien, Libanon und Afghanistan müssten nun um ihr Leben fürchten. Die Lage im engsten Abschnitt des Golfs, der Straße von Hormuz, ist bereits so instabil geworden, dass sogar Japan beschlossen hat, Soldaten in den Persischen Golf zu schicken, um die Ölversorgung zu sichern. Nun fragt man sich in Japan, ob diese Soldaten nun ebenfalls in Gefahr sind. Bereits im Jahr 2019 wurden in der Straße von Hormuz mehrere Schiffe angegriffen. Etwa 20 Prozent des weltweiten Ölvorkommens kommen aus dem Persischen Golf.

Eine weitere Konsequenz der neuen Eskalation zwischen den USA und dem Iran ist, dass der Nuklearvertrag mit dem Iran nun völlig zerschlagen ist. Der Deal erlaubte es dem Iran, Atomenergie zu entwickeln, verbot ihm aber den Bau von Atomwaffen. US-Präsident Donald Trump hatte bereits die Unterschrift der USA zurückgezogen, während Europa, Russland und China daran festhielten. Europa hatte sogar einen Mechanismus geschaffen, der es europäischen Unternehmen ermöglicht, im Iran zu investieren, ohne US-Sanktionen befürchten zu müssen. Zwar ist dieser Mechanismus bisher nicht voll funktionsfähig, aber nun wird jeder Versuch, ihn zum Laufen zu bringen, eingestellt. Auch diese für die USA positive Entwicklung verstärkt die These, dass es hinter den Kulissen Absprachen zwischen den USA und dem Iran gegeben hat.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Frankreichs Schulden bedrohen Europa: Kommt jetzt die Eurokrise zurück?
23.11.2025

Steigende Zinsen, explodierende Schulden, nervöse Märkte: Europa erlebt ein gefährliches Déjà-vu. Immer mehr Experten warnen vor einer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 645 Millionen Euro Verlust: Cannabis-Betrug und Geldwäsche-Netzwerk erschüttern Europa
23.11.2025

Europa ist von einem der größten Cannabis-Investmentbetrugsfälle der letzten Jahre erschüttert worden, der Anleger in mehreren Ländern...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Friedensplan: Welche Aktien vom Ende des Ukraine-Krieges profitieren könnten – und welche nicht
23.11.2025

Frieden bedeutet nicht nur geopolitische Stabilität, es zieht auch ein gigantisches Investitionsprogramm nach sich. Wer auf die richtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritische Rohstoffe: Ein Fund in Grönland sorgt für Streit
23.11.2025

In einer abgelegenen Mine in Westgrönland wurden gleich mehrere kritische Rohstoffe entdeckt, die für Mikrochipproduktion, Rüstung und...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-Aktien im Aufschwung: Welche Chancen Anleger jetzt nutzen können
23.11.2025

Die Kapitalmärkte befinden sich im Umbruch, Investoren suchen verstärkt nach stabilen Alternativen. Europa gewinnt dabei durch Reformen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autoindustrie in der Krise: Warum die Lage dramatisch ist
23.11.2025

Europas Autohersteller stecken in existenziellen Nöten und Beobachter sprechen schon von einem drohenden Niedergang. Neben den Problemen...

DWN
Technologie
Technologie Experten warnen vor 2035: Plug-in-Hybride sind ein Weg ins Nichts
23.11.2025

Ein neuer französischer Bericht rüttelt an der europäischen Autoindustrie. Plug-in-Hybride gelten darin als teurer, klimaschädlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen NATO-Ostflanke: Drohnenhersteller Quantum Systems unterstützt die Bundeswehr-Brigade in Litauen
22.11.2025

Der deutsche Drohnenhersteller Quantum Systems expandiert nach Litauen und baut dort ein umfassendes Wartungs- und Logistikzentrum für...