Immer mehr Deutsche sehen den Kapitalismus skeptisch. Laut einer Studie der US-Kommunikationsagentur "Edelman", die heute auf dem Weltwirtschaftforum in Davos vorgestellt wurde, sind 55 Prozent der Meinung, dass der Kapitalismus in seiner jetzigen Form "mehr Schaden als Gutes in der Welt anrichtet". Nur 12 Prozent sehen den Kapitalismus positiv.
Der Kapitalismus trifft einer Umfrage zufolge in zahlreichen Ländern auf starke Skepsis. 83 Prozent der Befragten haben Angst um ihren Job. 78 Prozent geben an, das Gefühl zu haben, dass ihr Einkommen nur noch dazu reiche, die täglichen Rechnungen zu begleichen, während die Elite reicher und reicher werde. 57 Prozent sagen, ihnen werde immer weniger Respekt entgegengebracht; sie wären dabei, ihre Würde zu verlieren.
Weltweit gesehen ist die Haltung gegenüber dem Kapitalismus in Thailand und Indien am wenigsten positiv. Auch in Deutschlands Nachbarland Frankreich ist die Skepsis hoch. Nur in den westlichen Auswander-Gesellschaften Australien, Kanada und den USA sowie den hochentwickelten asiatischen Staaten Südkorea, Hongkong und Japan widersprach eine Mehrheit der Negativ-Beurteilung. Generell genießt der Kapitalismus in Asien mehr Vertrauen als in anderen Gegenden der Welt.
Die Studie misst auch, wie die Menschen in ihre ökonomische Zukunft schauen. In der entsprechenden Rangliste liegen die Deutschen auf dem drittletzten Platz - über drei Viertel (77 Prozent) äußern Pessimismus. Noch mehr Sorgen äußern nur nur Franzosen (81 Prozent) und Japaner (85 Prozent - wobei der Kapitalismus, wie oben erwähnt, in Nippon dennoch weiterhin positiv gesehen wird).
Der CEO von "Edelman", Richard Edelman, zieht auf prägnante Weise Bilanz: "Es gibt eine ganz einfache Wahrheit: Die Menschen haben Angst."
Pikant: Selbst Vertreter der Finanzindustrie äußern mittlerweile Kritik am herrschenden System. Die FAZ zitiert den Chef von J.P. Morgan, Jamie Dimon: "Wenn wir den Kapitalismus nicht ändern, besteht die Gefahr, dass wir ihn für immer verlieren."
Für die Studie wurden von "Edelman" mehr als 34.000 Personen in 28 Ländern befragt. Das sogenannte "Edelman Trust Barometer" wird seit dem Jahr 2000 ermittelt. Es misst das Vertrauen von Bürgern in zentrale Institutionen. Über die Jahre stellten die Autoren eine wachsende Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit fest. Die diesjährigen Ergebnisse fasst Studienleiter David Bersoff folgendermaßen zusammen: "Die Menschen bezweifeln, dass die Welt, in der wir heute leben, optimal für eine gute Zukunft ist."