Deutschland

Arme Kommunen verkaufen Daten ihrer Bürger

Die von den deutschen Städten und Gemeinden gesammelten Daten können für private Unternehmen sehr wertvoll sein. Viele arme Kommunen, die dringend Geld brauchen, verkaufen die Daten deshalb. Damit schaden sie aber ihren Bürgern und begeben sich darüber hinaus in eine gefährliche Abhängigkeit.
07.03.2020 08:29
Lesezeit: 2 min
Arme Kommunen verkaufen Daten ihrer Bürger
Viele deutsche Kommunen haben nicht mehr das Geld, um ihre Straßen in Schuss zu halten. (Foto: dpa) Foto: Jens B

In den richtigen Händen können die Daten, die von den deutschen Kommunen gesammelt werden, einen enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wert haben. Allerdings verkaufen vor allem die armen und verschuldeten Kommunen ihre Daten an Interessenten, die die Daten ausschließlich für ihre eigenen Zwecke ausschlachten wollen. Dieser Verkauf in die falschen Hänge geschieht manchmal aufgrund fehlender Kompetenz der Mitarbeiter - meist aber aus schierer wirtschaftlicher Not, wie eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens PD zeigt.

Die zusätzlichen Einnahmen, die der Datenverkauf einbringt, werden von vielen Kommunen nämlich dringend benötigt, etwa für die kommunale Schwimmhalle oder um den über die Jahre angehäuften Schuldendienst abzuleisten. Reiche Kommunen dagegen können solche Ausgaben über Steuereinnahmen finanzieren.

Darüber hinaus erhalten Bürgermeister regelmäßig Angebote von Technologiekonzernen zu sogenannte Smart-City-Anwendungen. Dabei geht es der Studie zufolge etwa um intelligente Parksysteme oder digitale Verkehrssteuerungssysteme. Aber auch für die Bereiche Energie, Bildung oder Gesundheit bieten Unternehmen den Kommunen verschiedene Lösungen an, die mehr Effizienz in die kommunale Verwaltung bringen sollen.

Im Rahmen dieser Smart-City-Lösungen erhalten die Unternehmen Zugriff auf verschiedene Daten der Kommunen oder von kommunalen Unternehmen. Den Technologieunternehmen ist der enorme wirtschaftliche Wert dieser Daten natürlich längst klar, in den Händen der Kommunen sind die Daten hingegen praktisch wertlos. Sie sind sozusagen "Abfallprodukte" des kommunalen Betriebs.

"Dementsprechend gestalten die Technologieanbieter ihre Smart-City-Verträge: Das Datennutzungsrecht liegt häufig aufseiten der Anbieter. Dabei nutzen die Technologiekonzerne ihre Verhandlungsposition geschickt aus. Teilweise sind die Verträge so formuliert, dass die in smarten Anwendungen generierten Daten sogar verwaltungsintern nicht genutzt werden dürfen", heißt es in der Studie.

Und weiter: "Da die Verträge häufig auch die Veröffentlichung von Daten verbieten, untergraben sie zudem bisherige Anstrengungen in den Bereichen Open Data beziehungsweise Open Government. Das Ergebnis: Deutsche Kommunen begeben sich bei ihren ureigensten Aufgaben - der kommunalen Daseinsvorsorge - oft in eine langfristige Abhängigkeit von Technologiekonzernen."

Die Studienautoren empfehlen den Kommunen, ihre Smart-City-Verträge bezüglich Klauseln zur Datensouveränität zu prüfen und gegebenenfalls in Verhandlungen mit den privaten Anbietern einzusteigen. Doch diese Verhandlungen sind oftmals schwierig. "Es gibt einen regelrechten Kampf um die Daten", sagt etwa René Münch, Bereichsleiter Konzernstrategie der WSW Wuppertaler Stadtwerke GmbH.

Und Sven Hense, Leiter der Geschäftsstelle "Chief Digital Officer" der Stadt Bonn, sagt: "Grundsätzlich fordern wir vollen Datenzugriff. Hiermit sind wir aber nur teilweise erfolgreich und müssen oftmals weiter verhandeln. So erhalten wir häufig Zugriff auf ausgewählte Datenbestände, bei Weitem aber nicht auf alle für uns relevanten Daten."

Wie erfolgreich die Verhandlungen sind, hängt der Studie zufolge massiv von der Verhandlungsposition der Kommune ab. So haben sehr große Städte in der Regel mehr Erfolg in Verhandlungen mit privaten Anbietern. Auch die kommunale Finanzsituation ist entscheidend. Denn wer über mehr finanziellen Spielraum verfügt, der kann Smart-City-Leistungen eher mit Haushaltsmitteln finanzieren.

"Dies birgt das Risiko einer digitalen Spaltung der kommunalen Gemeinschaft", so Hense. "Während finanziell solide ausgestattete Kommunen ihre Smart-City-Leistungen über Haushaltsmittel finanzieren können, müssen finanzschwache Kommunen eher mit den Daten ihrer Bürger zahlen. Ist dies politisch so gewollt? Darüber sollte auch auf Landes- und Bundesebene diskutiert werden."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gefahr für Trumps Zollpolitik: Klagen eingereicht – entscheidender Prozess hat begonnen
01.08.2025

Trumps Zollpolitik steht vor dem juristischen Kollaps: Fünf US-Firmen und zwölf Bundesstaaten klagen gegen die Sondervollmacht, auf deren...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schockt die Konkurrenz: 3000-Kilometer-Batterie stellt alles Bisherige in den Schatten
01.08.2025

Huawei greift nach der Technologieführung im Batteriezeitalter: Mit 3000 Kilometern Reichweite und fünf Minuten Ladezeit droht der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zollroulette: Die Weltwirtschaft tanzt nach seiner Pfeife
01.08.2025

Donald Trump zündet die nächste Eskalationsstufe im globalen Wirtschaftskrieg – mit Zöllen, Chaos und Drohgebärden. Experten sprechen...

DWN
Politik
Politik Boomer-Soli: Rentensystem soll stabiler werden – und reiche Rentner sollen zahlen
01.08.2025

Reiche Rentner sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden – so die Idee eines "Boomer-Soli". Ein Vorschlag, der das Rentensystem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Industriestimmung hellt sich erneut auf
01.08.2025

Die Industrie der Eurozone sendet erste Hoffnungszeichen – doch es bleibt ein fragiles Bild. Während kleinere Länder überraschen,...