Politik

In der Krise muss Vater Staat zeitweise auch als Aktionär ran

Der Leiter der Kapitalmarkt-Analyse Abteilung der Baader Bank, Robert Halver, plädiert dafür, dass der deutsche Staat sich an strategisch wichtigen Unternehmen beteiligt, um sie durch die Corona-Krise zu führen. Doch nach der Krise soll der Staat seine erworbenen Anteile wieder verkaufen. Halver plädiert für eine "Zweckehe" zwischen dem Staat und den deutschen Unternehmen.
22.03.2020 10:00
Lesezeit: 3 min
In der Krise muss Vater Staat zeitweise auch als Aktionär ran
Olaf Scholz und Peter Altmaier geben sich nach einer Pressekonferenz zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise die Hand. (Foto: dpa)

Wir sind im Krieg gegen das Corona-Virus. Und im Krieg sind alle Mittel erlaubt. Auch wirtschaftlich muss in Deutschland alles unternommen werden, damit aus einer Virus-Rezession keine -Depression wird. Auch unkonventionelle Maßnahmen werden gebraucht, um Unternehmen und ihre Beschäftigten zu retten.

Von Amerikas „Verstaatlichungs-Aktion“ lernen

Unorthodox sind Staatsbeteiligungen, wenn also der Bund Unternehmen unter seine Fittiche nimmt. Ich erinnere mich zurück an die Lehman-Pleite 2008. Im Rahmen der Rettung des US-Finanzsystems kam es damals zu einer selbst für Amerika ungewöhnlichen Aktion. Die US-Regierung „zwangsnötigte“ vielen großen Banken - u.a. Bank of America, Citigroup, Wells Fargo, JP Morgan, Goldman Sachs - staatliche Beteiligungen auf, um ihnen wieder auf die Beine zu helfen.

Ähnliche Maßnahmen in Deutschland hätten einen gewaltigen Shitstorm losgetreten. Warum sollte man ausgerechnet denen mit vielen Milliarden Staatsgeld zur Seite springen, die die Finanzkrise vermeintlich verursacht haben? Doch denkt Amerika grundsätzlich pragmatisch und lösungsorientiert und nicht nur moralisch oder ideologisch. Der US-Regierung ging es damals darum, ihre Schlüsselbranche „Banken“ auch nach der Krise am Leben zu halten. Der Erfolg gibt der Staatsbeteiligung Recht: Die amerikanischen Banken sind heute weltweit in der Pole Position und Deutschland fährt hinterher. Übrigens, nach Gesundung der Banken verabschiedete sich der Staat wieder von seinem Engagement und zwar mit dicker Rendite für die Steuerzahler dank gestiegener Aktienkurse.

Den Aasgeiern die Flügel stutzen

Jetzt erhalten europäische und deutsche Politiker in der Virus-Krise eine neue Chance, wirtschaftliche Klugheit zu zeigen. Staatsbeteiligungen sind ein gutes Mittel, um Unternehmen, die wegen Corona unverschuldet in die Krise geraten sind, zu retten.

Nicht auszudenken, wenn Firmen, die Deutschlands wirtschaftliches Rückgrat bilden, vom Virus dahingerafft würden. Wir reden vor allem von den Branchen Auto, Maschinenbau, Elektro, Chemie und auch Fluglinien. Dabei sind selbst große Unternehmen nicht vor Schieflagen gefeit. Sind sie börsennotiert, dokumentieren stark fallende Aktienkurse sogar noch mehr Krise. Kommen dann auch noch Herabstufungen von amerikanischen „Rate“-Agenturen hinzu, trifft Not auf Elend.

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sollte niemand auf christliche Nächstenliebe hoffen. Im Gegenteil, große Hedgefonds versuchen aus der Corona-Krise Profit zu schlagen. In diesem Jahr haben sie wegen falschen Marktpositionierungen bereits viel Geld und damit auch Vertrauen bei ihren Anlegern verloren. Im großen Stil wollen sie jetzt das Blatt wenden und ordentlich Reibach machen. Mit sogenannten Leerverkäufen leihen sie sich gegen eine überschaubare Gebühr Aktien von z.B. Fondsgesellschaften und verkaufen diese an der Börse mit dem eiskalten Kalkül, sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder viel günstiger einkaufen zu können. Hier gilt: Je mehr Geld auf Untergangswetten gesetzt wird - und sie haben viel Geld - umso größer sind die Chancen, die Aktienkurse viral angeschlagener Unternehmen tatsächlich möglichst weit nach unten zu treiben. Und umso höher ist dann auch der Gewinn.

Mit Staatsbeteiligungen an Unternehmen kann man gegen die üblen Krisengewinner gut vorgehen. Die finanzielle Lage und Bonität kriseninfizierter Unternehmen wird ebenso gestärkt wie ihre Aktienkurse. Das wiederum stärkt das Vertrauen bei Geschäftspartnern und Beschäftigten. Mit seinem Energy Drink würde Vater Staat z.B. dem Kranich von Lufthansa Flügel verleihen und gleichzeitig den Untergangsspekulanten die Federn ausrupfen.

Der Staat als großer Bruder von schwachen Unternehmen

Nicht zuletzt, mit dem Engagement des Staats werden unsere Unternehmen auch vor feindlicher Übernahme geschützt. Über einen Virenschock einbrechende Aktienkurse sind für Heuschrecken aus Amerika, vor allem aber auch China, so einladend wie eine offene Hühnerstalltür für den Fuchs. Einfacher kann man die deutsche Konkurrenz und ihr Know-How nicht reißen.

Warum gründet man jetzt - der Krisen-Not gehorchend - nicht einen Staatsfonds, der feindliche Übernahmen abwehrt. Ich höre schon die Kritik der Chef-Bedenkenträger, die sich hinter Paragraphen und rechtlichen Hürden verschanzen. Doch geht es um unsere wirtschaftliche Zukunft, um unsere Arbeitsplätze. In der Nacht sind alle Katzen grau.

Grundsätzlich ist ja nichts gegen internationale Beteiligungen zu sagen. Aber bitte nur dann, wenn Waffengleichheit herrscht: Was Du mit meinen Unternehmen darfst, ist mir bei Deinen auch erlaubt. Leider zeigt sich China aber viel zu oft als Braut, die sich nicht traut.

Soziale Marktwirtschaft ja, Staatswirtschaft nein

Doch sollte der Staat nie sagen: Ich bin gekommen, um zu bleiben. Er soll die Unternehmen nicht heiraten. Es ist nur eine Zweckehe auf Zeit. Sobald die Krise vorbei ist, müssen die Beziehung beendet und die Beteiligungen wieder verkauft werden. Die Finanzgeschichte zeigt zweifelsfrei, dass, staatliche Liebhaber früher oder später zu viele politische und ideologische Nebenaffären pflegen, die den wirtschaftlichen Erfolg auch in punkto Beschäftigung begrenzen. Der Staat ist kein guter Unternehmenslenker.

Soziale Marktwirtschaft ist gefragt. Wenn der Staat gebraucht wird, muss er zur Sicherung der Unternehmen und der allgemeinen Wohlfahrt da sein. Ist die Krise dann verblüht, muss er aus marktwirtschaftlichen Gründen wieder verduften. Sein Honorar dafür sind die erzielten Aktiengewinne für die Steuerzahler.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht auf tiefsten Stand seit Juni: Anleger leiden unter Risikoaversion
04.11.2025

Der Bitcoin-Kurs steht unter massivem Druck. Milliardenverluste, Panikverkäufe und makroökonomische Unsicherheiten erschüttern den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Studie: Betriebsrat wirkt sich positiv auf die Produktivität aus
04.11.2025

Wie stark kann ein Betriebsrat die Produktivität von Unternehmen wirklich beeinflussen? Eine aktuelle Ifo-Studie liefert überraschende...

DWN
Panorama
Panorama Triage-Regel gekippt: Was die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet
04.11.2025

Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene Triage-Regel gekippt – ein Urteil mit weitreichenden Folgen für Medizin und Politik....

DWN
Politik
Politik Reformen in Europa: Wie der schleppende Fortschritt den Wettbewerb gefährdet
04.11.2025

Europa steht vor wachsenden wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen. Kann die Union unter diesen Bedingungen den Rückstand...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie unter Druck: Chinas Autobauer mit größtem Umsatzrückgang seit Jahren
04.11.2025

BYD steht unter Druck: Der einstige Überflieger der E-Auto-Branche erlebt den größten Gewinnrückgang seit Jahren. Anleger sind...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stahlproduktion: Studie der Hans-Böckler-Stiftung warnt vor Milliardenverlusten durch Stahlauslagerung
04.11.2025

Die mögliche Stahlauslagerung deutscher Produktionskapazitäten sorgt für Aufsehen. Eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung warnt...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: So schützen sich Anleger vor einem möglichen KI-Crash an den Finanzmärkten
04.11.2025

Die US-Finanzmärkte sind in Bewegung. Technologiewerte und Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz sorgen für Begeisterung und...

DWN
Finanzen
Finanzen Autokosten: Check zeigt steigende Preise für Versicherung, Pflege und Reparaturen
04.11.2025

Die Preise rund ums Auto steigen rasant – von Versicherung bis Wartung. Ein aktueller Autokostencheck zeigt, wie stark sich der Unterhalt...