In China sehen Behörden Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie überschritten ist. Während weltweit die Ansteckungszahlen und Todesfälle teils rasant steigen, zeigten sich medizinische Experten der chinesischen Regierung zuversichtlich, die strikten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus seien ausreichend, den Ausbruch im Inland in einigen Wochen unter vollständige Kontrolle zu bringen. Als Meilenstein werten sie, dass am Mittwoch erstmals keine im Inland übertragene Neuinfektion registriert worden sind. In der Provinz Hubei - dem Epizentrum der Pandemie - warnten Behörden am Donnerstag allerdings vor übereiltem Optimismus und betonten, das Risiko von Ansteckungen bestehe fort.
Andere chinesische Mediziner spielen die in vielen Staaten verbreitete Furcht herunter, die Pandemie könne sich ähnlich wie Grippe zu einer Saisonkrankheit entwickeln oder es drohe eine zweite, noch tödlichere Ansteckungswelle. "Mir bereitet ein zweiter Ausbruch, ein Ausbruch in China, keine großen Sorgen", sagte die stellvertretende Direktorin der Abteilung für Epidemien am Pekinger Union Medical College Hospital, Cao Wei. Am Montag erklärte sie, China brauche einen weiteren Monat um sich ein abschließendes Urteil über die Lage zu bilden. Die eingeleiteten Maßnahmen sollten aber ausreichen, um den Ausbruch im Inland zu beenden.
VERWEISE AUF ERFOLGE IM KAMPF GEGEN LUNGENKRANKHEIT SARS
Chinesische Experten wie Cao begründen ihre Zuversicht mit Erfahrungen bei der Atemwegserkrankung SARS, die 2003 nach strengen Maßnahmen der Regierung erfolgreich bekämpft werden konnte. Dazu gehört auch der Regierungsberater Zhong Nanshan, der eine wichtige Rolle bei der SARS-Bekämpfung spielte. Im Juni könnte die Coronavirus-Pandemie erledigt sein, falls auch andere Länder die notwendigen Maßnahmen ergriffen, erklärte der 83-Jährige. Optimismus verbreitete auch der stellvertretende Chef des chinesischen Institutes für Zell-Biologie, Gao Zhengliang. Seiner Ansicht nach hat China 99 der 100 notwendigen Schritte für den Sieg über das Virus bereits getan.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO scheint die Optimisten zu stützen. Aus ihrer Sicht wurde bereits Ende Februar ein Höhepunkt bei den Neuinfektionen erreicht. Westliche Experten sind skeptisch. Der Chef des Instituts für Molekularbiologie an der Universität von Queensland, Ian Henderson, räumt zwar ein, China habe "außergewöhnliche" Maßnahmen ergriffen. Aber es bleibe die Gefahr eines zweiten Ausbruchs, diesmal vom Ausland eingeschleppt, bestehen.
EXPERTE: KEIN VERGLEICH MIT SPANISCHER GRIPPE
Verweise auf die verheerenden drei Grippewellen, der Anfang des 20. Jahrhunderts über 50 Millionen Menschen erlagen, weist Henderson zurück. Die damalige "Spanische Grippe" sei von einem anderen Virus verbreitet worden. Andere Experten halten es aber für möglich, dass die Covid-19-Infektionen regelmäßig wie Grippewellen wiederkehren könnten. Auch Henderson sieht ein zentrales Problem: "Bei der Frage nach dem Verhalten des Virus stochern wir immer noch im Nebel."
Forscher in Europa haben auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Epidemie und dem Klima hingewiesen. Nach einer diese Woche erstellten Studie favorisiert das Coronavirus demnach kühle und trockene Bedingungen. Das würde saisonale, wetterabhängige Erkrankungswelle begünstigen. Dieser These steht jedoch entgegen, dass die Pandemie auch in Ländern mit einem wärmeren und feuchteren Klima präsent ist. Dazu zählen etwa Thailand und Singapur.
Der Experte Marc Lipsitch von der Harvard T.H. Chan School of Public Health warnt davor, auf das Wetter zu bauen. Zwar könne warmes und feuchtes Wetter die Ansteckungsgefahr verringern. Aber es sei unvernünftig, zu glauben, die Temperaturschwankungen allein reichten für einen großen Fortschritt im Kampf gegen das Virus aus.
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