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Wie Deutschland über Nacht zum Selbstversorger werden kann

Nie zuvor in der deutschen Geschichte waren Bauern eine so winzige Minderheit wie heute. Dennoch müssten wir eigentlich keine Nahrung importieren, um satt zu werden - wir müssten nur unser Essverhalten ein wenig ändern.
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26.04.2020 13:10
Aktualisiert: 26.04.2020 13:10
Lesezeit: 4 min
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Wie Deutschland über Nacht zum Selbstversorger werden kann
Deutschland könnte sich selbst ernähren - wenn die Bevölkerung ihre Essgewohnheiten umstellen würde. (Foto: dpa) Foto: Philipp Schulze

Seit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies betreiben Menschen in der einen oder anderen Form Landwirtschaft. Und ganz am Anfang hatte Adam es auch wirklich nicht leicht. Denn weil er auf die Stimme seiner Frau gehört und vom verbotenen Baum gegessen hatte, sagte Gott zu ihm: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren, dein Leben lang.“

Glücklicherweise ließ sich der Herrgott einige Generationen später von Noah umstimmen, nachdem dieser ihm einen Altar gebaut und ein wohlriechendes Brandopfer gebracht hatte, und wollte den Acker nun nicht mehr verfluchen. Gottes Segen zeigte sich deutlich in den Worten: „Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Doch trotz dieser Versicherung waren Ackerbau und Viehzucht auch weiterhin recht mühselig. Über viele Jahrtausende mussten alle Männer und Frauen von Kindesbeinen an daran mitwirken.

Doch im Verlauf der Zeit wurden die Menschen immer geschickter im Umgang mit Boden und Vieh und es gelang ihnen, mit immer weniger Einsatz immer größere und bessere Erträge zu erzielen. Eine ganz entscheidende Entwicklung war dabei der Übergang von der Monokultur zur Zweifelderwirtschaft in der Antike, gefolgt von der Dreifelderwirtschaft im Mittelalter und der Vierfelderwirtschaft im 18. Jahrhundert.

Seit dem 18. Jahrhundert konnten die landwirtschaftlichen Erträge in Europa so stark erhöht werden, dass es nicht nur zu einem starken Bevölkerungswachstum kam, sondern auch zu einer Situation, wo ein ganz erheblicher und stetig wachsender Teil der Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten musste und sich anderen Dingen widmen konnte. Dies war eine entscheidende Voraussetzung für die industrielle Revolution, die sich nun umgekehrt auch auf die Landwirtschaft auswirkte. Die in Europa und den USA entstehenden Fabriken produzierten Geräte und Maschinen, die den Landwirten die Arbeit massiv erleichterten, darunter zum Beispiel Dreschmaschinen oder Mähmaschinen.

Doch auch um das Jahr 1900 waren im Deutschen Reich laut Zahlen des Statistischen Bundesamts noch immer 38,2 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig. Und selbst 1950 arbeiteten in der Bundesrepublik noch 24,3 Prozent der Erwerbstätigen auf den Feldern und in den Ställen. Heute hingegen sind es hierzulande nur noch etwa 1,4 Prozent.

Dass der Anteil der Deutschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, auch in den Jahrzehnten seit 1950 immer weiter abgenommen hat, ist erneut auf starke Produktivitätssteigerungen zurückzuführen, etwa den Einsatz von höchst leistungsfähigen Traktoren und Mähdreschern. Im Schnitt kann ein deutscher Landwirt heute 135 Menschen ernähren – gegenüber nur etwa zehn Menschen im Jahr 1950.

In Folge der Globalisierung stehen die deutschen Landwirte heute in direkter Konkurrenz zu ausländischen Landwirten – und zwar unabhängig davon, ob sie die von ihnen erzeugten Produkte in Deutschland verkaufen oder sie ins Ausland exportieren. Allerdings könnte der von der Corona-Krise befeuerte Trend weg von der Globalisierung den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten künftig einschränken.

Deutschland wäre insgesamt gut dafür aufgestellt, sich selbst zu ernähren. Allerdings müssten die Landwirte wohl ihre Produktion etwas umstellen – und die Bürger ihr Essverhalten. Denn normalerweise produzieren die deutschen Bauern deutlich mehr Fleisch, Milch und Kartoffeln, als die Menschen hierzulande essen, weshalb heute viele dieser Erzeugnisse in den Export gehen. Obst und Gemüse hingegen wurden zuletzt auch in normalen Erntejahren in teils erheblichem Maße nach Deutschland importiert.

Der New Yorker Milliardär und gescheiterte Präsidentschaftskandidat der Demokraten in den USA, Michael Bloomberg, stand kürzlich in der Kritik, weil er sich einst abfällig über die Landwirtschaft äußerte. „Ich könnte jedem beibringen ein Bauer zu sein“, sagte er. „Es ist ein Prozess. Man gräbt ein Loch, tut einen Samen hinein, Erde drauf, etwas Wasser dazu und der Mais kommt hervor.“ Die Wirtschaft im Informationszeitalter sei fundamental anders, so Bloomberg weiter. „Man braucht andere Fähigkeiten, man braucht viel mehr Gehirnzellen.“

Diese Herabsetzung der landwirtschaftlichen Berufe, für die man ganz sicherlich mehr Verstand und Kreativität braucht als für viele andere Berufe, durch einen intelligenten und geschäftlich erfolgreichen Menschen, zeigt die Geringschätzung vieler Stadtbewohner und Intellektueller gegenüber der Landwirtschaft, von der sie doch so abhängig sind. Denn für die meisten von ihnen kommt das Essen heute aus dem Supermarkt, wo die Regale zumindest hierzulande seit Jahrzehnten nicht mehr leer waren.

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