Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht in der Coronavirus-Krise eine Gefahr für die Europäische Union, wenn reichere Länder sich nicht solidarisch zeigen. Für Europa sei die Krise ein "Moment der Wahrheit", sagte Macron der "Financial Times" am Donnerstag (Online). Die reicheren Länder hätten eine besondere Verantwortung. "Wir brauchen Finanztransfers und Solidarität, und sei es nur, damit Europa durchhält."
Er warnte davor, dass fehlende Solidarität sogenannten "Populisten" in Italien, Spanien und vielleicht Frankreich zum Sieg verhelfen könnten, berichtet die dpa. Es gehe nun darum, "zu entscheiden, ob die Europäische Union ein politisches Projekt oder nur ein Marktprojekt ist. Ich denke, es ist ein politisches Projekt", sagte er.
Macron ist außerdem der Ansicht, dass die Corona-Krise auch den Kampf gegen den Klimawandel nachhaltig verändern wird. "Wenn wir aus dieser Krise herauskommen, werden die Menschen nicht länger akzeptieren, schmutzige Luft einzuatmen", sagte er. Die Menschen hätten verstanden, "dass niemand zögert, sehr tiefgreifende, brutale Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, Leben zu retten. Dasselbe gilt für das Klimarisiko".
Auf die Frage, ob die Krise nicht die Schwächen westlicher Demokratien und die Vorteile autoritärer Regierungen wie China offenbart hätte, betonte Macron die Unterschiede zwischen Ländern, in denen Informationen frei fließen, und solchen, in denen die Wahrheit unterdrückt werde. "Angesichts dieser Unterschiede, der getroffenen Entscheidungen und dessen, was China heute ist, was ich respektiere, sollten wir nicht so naiv sein und sagen, dass es viel besser damit umgegangen ist", so der französische Präsident. "Es sind eindeutig Dinge geschehen, von denen wir nichts wissen."
Frankreich ist schwer getroffen von der Covid-19-Pandemie. Bis Donnerstagabend zählte das Land knapp 18 000 Tote. Die Zahl der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus und auf der Intensivstation sind beide erneut rückläufig. Die Zirkulation des Virus habe sich auf hohem Niveau stabilisiert, sagte Gesundheitsdirektor Jerôme Salomon.