Politik

Bürger gegen Bürger: Italien heuert zehntausende Spitzel an, um Abstandsregeln zu überwachen

Während die italienische Regierung zehntausende „Freiwillige“ anheuert, welche das Verhalten ihrer Mitbürger überwachen sollen, kommen weiterhin hunderte Migranten unbemerkt ins Land.
26.05.2020 09:55
Lesezeit: 2 min
Bürger gegen Bürger: Italien heuert zehntausende Spitzel an, um Abstandsregeln zu überwachen
Der italienische Regisseur Mario Monicelli an den Filmfestspielen 2008 in Venedig. (Foto: dpa) Foto: epa ansa Claudio Onorati

Die italienische Regierung will rund 60.000 Freiwillige anheuern, um die Abstandsregeln in der Corona-Krise auch nach dem Ende der Ausgangssperre durchzusetzen. „Diejenigen, die sich jetzt ins Nachtleben stürzen, verraten die Opfer, die Millionen Italiener gebracht haben“, wird der Minister für die Angelegenheiten der Regionen, Francesco Boccia, in der Zeitung La Stampa zitiert. Die „Freiwilligen“ sollen nach seinen Worten nicht nur die Einhaltung der Abstandsregeln kontrollieren, sondern als Teil der Nachbarschaftshilfe auch für hilfsbedürftige Mitbürger einkaufen gehen.

Die Pläne der Regierung, das Verhalten der Bürger durch andere Bürger überwachen zu lassen, ist zumindest fragwürdig und könnte zu Spaltung und Unfrieden führen, wenn diese „Spitzel“ gegen ihre Mitbürger einschreiten müssen.

Derweil kommen weiterhin hunderte Menschen illegal ins Land. In Süditalien sind am Wochenende nach Medienberichten mehrere hundert Migranten in Booten angekommen. Wie die Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag schrieb, seien alleine bei Palma di Montechiaro in der Provinz Agrigent rund 400 Menschen ausgeschifft worden und an Land gegangen. Sie hätten versucht, Autofahrer anzuhalten, um Wasser zu bitten und mitgenommen zu werden. Die Küstenwache suchte vor Sizilien nach einem größeren Schiff, mit dem die Menschen übers Mittelmeer transportiert worden seien. Polizei und Militär versuchten an Land, die Ankömmlinge zu fassen. Für alle Einreisen - auch illegale - nach Italien gilt wegen der Corona-Pandemie eine zweiwöchige Quarantänepflicht. Auf der kleinen Insel Linosa - zwischen Afrika und Sizilien - wurden unterdessen rund 50 Migranten aufgegriffen. Die Küstenwache sollte sie nach Lampedusa bringen. Dort seien am Samstag bereits Dutzende gelandet.

Die Agentur zitierte das Innenministerium in Rom damit, dass im Jahr 2020 bis zum 22. Mai rund 4.500 Menschen in ihrer Hoffnung auf ein neues Leben nach Italien gekommen seien. Im gleichen Vorjahreszeitraum habe die Zahl der Migranten mit rund 1.360 deutlich niedriger gelegen. 2018 allerdings seien es viel mehr gewesen, nämlich mehr als 10.000 Menschen.

In Italien startet am Montag zudem eine Antikörpertest-Studie mit rund 150.000 Teilnehmern, um die Dunkelziffer der Corona-Infizierten zu ermitteln. Das Gesundheitsministerium und die Statistikbehörde wollen mit dem nationalen Roten Kreuz Bluttests von Menschen aus 2.000 Orten nehmen. Das teilte das Ministerium in Rom am Wochenende mit. Die repräsentativ ausgewählten Teilnehmer würden telefonisch um ihre Mithilfe gebeten. Die Teilnahme sei aber freiwillig, die Daten würden für die Forscher anonymisiert. Nach Angaben eines italienischen Experten gibt es zudem Hinweise darauf, dass es erste Corona-Fälle in Italien bereits im Dezember gab.

Die große Antikörper-Untersuchung war im April angekündigt worden. Derartige Tests sind wichtig, um herauszufinden, ob jemand bereits mit Corona infiziert war und dagegen Antikörper im Blut gebildet hat. So lässt sich der Kontakt mit dem Virus auch bei Menschen nachweisen, die kaum oder keine Symptome der Covid-19-Krankheit hatten. Diese wissen oft gar nichts von ihrer Infektion.

In Spanien wurde der Start einer Antikörper-Studie mit rund 90.000 Menschen im April angekündigt. In Deutschland verschob das Robert Koch-Institut (RKI) eine geplante repräsentative Untersuchung mit rund 30.000 Personen um mehrere Monate auf September.

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