Wirtschaft

Historiker: Keine Parallelen zwischen Corona-Krise und Weltwirtschafts-Krise 1929

Der Historiker Jan-Otmar Hesse sagt, dass die aktuelle Corona-Krise in ihren Auswirkungen nicht vergleichbar sei mit der Weltwirtschafts-Krise 1929. Deutschland sei im Vergleich zu damals viel besser aufgestellt.
31.05.2020 11:40
Lesezeit: 1 min

Laut Jan-Otmar Hesse, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Bayreuth, ist die aktuelle Corona-Krise zwar „historisch einzigartig“, doch ein Vergleich mit der Krise von 1929 lasse sich nur bedingt ziehen.

„Ursache und Art der aktuellen Krise würde ich als historisch einzigartig einstufen. Der Auslöser ist eine politische Entscheidung und keine ökonomische Schieflage. Außerdem wurde der Konsum ganz maßgeblich beschränkt, was historisch höchstens in Kriegszeiten praktiziert wurde, dort aber eben nur für bestimmte Güter, während der Verbrauch anderer Güter in Kriegszeiten stark steigt. Die Staatsverschuldung war in vielen Ländern damals höher als heute, aber insgesamt sind wir sehr viel besser vorbereitet auf die Krise als damals, und die Staaten können für viele Familien die schlimmsten Notlagen verhindern. Auch die politische Rivalität heute hat bisher die Krisenbekämpfung nicht verhindert. Unsere Schwäche heute im Vergleich von 1929 ist vielleicht, dass wir uns alle an die staatliche Hilfe und Unterstützung gewöhnt haben und die Eigenverantwortung in der Krise abhandengekommen zu sein scheint“, so Hesse.

Ein Vergleich zur Finanzkrise 2007/08 könne auch nicht getätigt werden, zumal die Finanzkrise verschiedene Länder unterschiedlich getroffen habe. „Ich meine vor allem, dass die Folgen sich derzeit noch überhaupt nicht absehen lassen und dann in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sein werden. Die Bankenkrise 2008 war in Deutschland für die allermeisten Haushalte kaum spürbar, in den USA aber gravierend. Die Weltwirtschaftskrise brachte über mehrere Jahre einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um bis zu 20 Prozent mit sich, die Arbeitslosenzahlen lagen je nach Statistik bei 30-40 Prozent, der Welthandel brach um zwei Drittel ein. Eine so tiefe Krise erwarte ich eigentlich nicht“, meint Hesse.

Aus historischen Pandemien lasse sich viel lernen. Der Historiker wörtlich: „Aus dem Ausbruch der ,Spanischen Grippe‘ im Oktober 1918 können wir beispielsweise lernen, dass die Städte in den USA, die sehr frühzeitig sehr restriktive Kontaktbeschränkungen erlassen haben, ökonomisch die geringsten Einbußen erlitten haben. Wir können auch lernen, wie Sterbe-Risiken beispielsweise mit der Einkommensverteilung zusammenhängen oder mit dem Ausbaustand des Gesundheitssystems. Die Weltwirtschaftskrise ist dagegen ein etwas anderer Fall: Hier können wir vor allem lernen, welche Folgen unterschiedliche wirtschaftspolitische Strategien hatten. Bei der Übertragung auf die Gegenwart ist natürlich immer Vorsicht geboten, weil sich die Gesellschaft seitdem verändert hat. 1929 gab es kein Kurzarbeitergeld und nur eine rudimentäre Arbeitslosenversicherung.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...