Mehr als zehn Jahre lang sind die Aktienkurse immer weiter gestiegen und Investoren haben sich mit der Zeit daran gewöhnt, dass sie Profite machen können, wenn sie bei den gelegentlichen Marktkorrekturen Aktien zukauften. Nach Ansicht einiger Hedgefonds sind Investoren inzwischen so optimistisch, dass sie selbst den starken Einbruch an den globalen Aktienmärkten im März nur als vorübergehend betrachten.
Denn möglicherweise überschätzen Investoren die Wirksamkeit der Maßnahmen, die Zentralbanken und Regierungen infolge der der Corona-Krise ergriffen haben. Der amerikanische Aktienindex S&P 500 verzeichnete am Mittwoch seinen bisher besten 50-Tage-Durchschnitt und liegt nur noch 8 Prozent unter seinem Rekordhoch von Mitte Februar.
"Die Stabilität der Aktienmärkte spiegelt nicht die Arbeitsplatzverluste und die Insolvenzen wider, die weltweit vor uns liegen", zitiert die Financial Times Danny Yong, Gründungspartner beim Hedgefonds Dymon Asia Capital in Singapur. "Ich glaube, dass wir noch dieses Jahr neue Tiefstände an den globalen Aktienmärkten haben werden." Der März habe gezeigt, dass die Kurse nicht auf Dauer von den Fundamentaldaten abweichen können.
Yong hat Put-Optionen auf Aktienindizes und risikoanfällige Währungen wie den australischen Dollar und den koreanischen Won gekauft. Mit Put-Optionen kann man sich gegen einen Markteinbruch absichern, da sie dem Besitzer den Verkauf von Aktien zu einem im Voraus festgelegten Preis ermöglichen.
Yong glaubt, dass die Investoren bald entdecken könnten, dass die Zusicherung der US-Zentralbank, die Märkte bei Bedarf zu unterstützen - der sogenannte "Fed-Put" - möglicherweise an seine Grenzen stoßen wird. Und nun gebe es auch noch einen "Trump Put". Doch nach Ansicht von Yong wird der US-Präsident bei der Ankurbelung der Wirtschaft mit Konjunkturpaketen von den Demokraten behindert werden.
Paul Singers Fonds Elliott Management, der ein Vermögen von 40 Milliarden Dollar verwaltet, schrieb in seinem jüngsten Brief an die Anleger, dass die Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs größer sind als die der Finanzkrise von 2008 und dass daher "unser Bauchgefühl uns sagt, dass ein 50-prozentiger oder tieferer Rückgang von der Februar-Spitze der ultimative Weg der globalen Aktienmärkte sein könnte".
Elliott Management hat während des Crashs im ersten Quartal Geld mit Absicherungsgeschäften in Aktien und Krediten verdient. Nun hat der Fonds gesagt, dass nach neuen Möglichkeiten sucht, sich gegen einen weiteren Marktabsturz zu schützen, da einige bisher genutzten Formen der Absicherung teurer geworden seien.
Trotz einer Reihe düsterer Wirtschaftsdaten - darunter mehr als 40 Millionen Amerikaner, die Arbeitslosenunterstützung beantragt haben, und eine erwartete Rekordkontraktion der Wirtschaft der Eurozone im zweiten Quartal - ist der S&P 500 seit seinem Tiefpunkt im März um fast 40 Prozent gestiegen, sodass er für das Jahr nur noch um 3 Prozent gefallen ist. Laut Zahlen von FactSet wird der Index jetzt mit mehr als dem 22-fachen der für die nächsten 12 Monate erwarteten Gewinne gehandelt - so hoch wie seit Anfang der 2000er Jahre nicht mehr.
Morgan Stanley sagte kürzlich in einer Mitteilung, dass seine Hedgefonds-Kunden eine Netto-Short-Position in Höhe von rund 40 Milliarden Dollar in Euro-Stoxx 50-Futures halten. Globale Makro-Hedgefonds haben laut JPMorgan ihre Engagements in Aktien in diesem Jahr stark reduziert.
"Es ist durchaus möglich, dass es ein viertes Quartal geben wird, in dem eine zweite Welle von Arbeitsplatzverlusten und eine längere Periode von Unternehmenszusammenbrüchen die Aktienstimmung auf die Probe stellt", zitiert die Financial Times Seema Shah, Chefstrategin bei Principal Global Investors.
Francesco Filia, Leiter des in London ansässigen Hedgefonds Fasanara Capital, hält 70 Prozent seines Fonds in Geld und setzt auch Put-Optionen und andere Instrumente zur Absicherung seines Portfolios ein, da er einen "schweren Einbruch" der Märkte erwartet. Eine Bedrohung sieht er im Trend zur "Entglobalisierung", der die Inflation in die Höhe treiben könnte.
Eine weitere Bedrohung sei die zunehmende politische Einmischung in den Technologiesektor, die den Aktionärsrenditen schaden könnte. Filia erwartet eine mögliche Liquiditätskrise wie im Jahr 2008, als Anleger versuchten, Geld aus börsengehandelten Fonds (ETFs) abzuziehen, die jedoch nicht mehr on der Lage waren, diese Rücknahmen zu erfüllen.
Viele Fondsmanager zögern jedoch, direkt gegen Aktien zu wetten, da sowohl die Federal Reserve als auch die Europäische Zentralbank gesagt haben, dass sie noch Feuerkraft in Reserve hätten. Dass der Markt neue Tiefststände erreicht, "ist möglich", sagte Tom Clarke, der in einem Makrofonds bei William Blair in London ein geringes Engagement in Aktien hat. Allerdings wollten Regierungen und Zentralbanken die Märkte nach oben treiben. Daher hätten ihre Konjunkturpakete "fast mythische Ausmaße angenommen".