Finanzen

Der technologische Fortschritt führt direkt in die Deflation

DWN-Gastautor Werner Königshofer analysiert, wie der Anstieg der Produktivität zu Deflation führt, und legt dar, was er statt einer Wertschöpfungs-Abgabe einführen würde.
24.06.2020 13:44
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Ein pensionierter Werksvorstand erzählte mir kürzlich, dass in einem Tiroler Werk für Schleifmittel im Jahr 1969 220 Beschäftigte – hauptsächlich Frauen – in Handarbeit täglich bis zu 60.000 Stück Schleifscheiben fertigten. Das entsprach durchschnittlich etwa 270 Scheiben pro Mitarbeiterin. Heute arbeiten dort noch 73 Beschäftigte, die täglich bis zu 350.000 Scheiben herstellen – das heißt, 4.700 pro Mitarbeiterin am Tag, also mehr als das 17fache wie vor 50 Jahren. Es handelt sich um eine gewaltige Steigerung der Produktivität und damit der Wertschöpfung, was an und für sich ja etwas Positives ist. Im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Gesamtwirkung handelt es sich jedoch um eine katastrophale Entwicklung, der unbedingt entgegengesteuert werden muss.

Das zunehmende Auseinanderklaffen von Beschäftigung und industrieller Produktionsleistung (das heißt, immer weniger Menschen können immer mehr herstellen) führt nämlich verstärkt zur Deflation. Immer mehr Technik gelangt zum Einsatz, was zur Folge hat, dass immer mehr produziert werden kann, aber auch, dass immer mehr Mitarbeiter wegrationalisiert werden beziehungsweise unter ständig steigenden Lohndruck geraten, wozu die Freizügigkeit in der EU ihren Teil beiträgt. Sollten das „Transatlantische Freihandelsabkommen“ (TTIP) sowie das „Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ (TiSA) eines Tages Wirklichkeit werden, würde das die Situation zusätzlich verschlimmern.

Während die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung natürlich grundsätzlich positiv zu beurteilen ist, weil damit auch der „Verteilungskuchen“ größer wird, wirkt sich die zunehmende Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen äußerst negativ auf die gesamte Volkswirtschaft aus – die Zahl der Arbeitslosen steigt, die Zahl der kaufkräftigten Konsumenten sinkt. Kurz gesagt: einem immer größer werdenden Angebot steht eine sukzessiv abnehmende Nachfrage gegenüber, was unweigerlich in eine deflationäre Entwicklung mündet.

Zwei grundsätzliche Denkansätze gibt es, diesem Problem Herr zu werden: einen sozialistischen und einen marktwirtschaftlichen.

Dem sozialistischen Vorschlag, eine sogenannte Wertschöpfungsabgabe – im Volksmund auch „Maschinensteuer“ genannt – einzuführen, stelle ich Milton Friedmans marktwirtschaftliche Idee vom Helikopter-Geld gegenüber. Ich nenne es „Notenbank-Sondergeld“ und orientiere mich dabei auch am Wörgler-Notgeld der frühen 1930er Jahre. Jedem Österreicher 1.000 Euro von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) einmalig als Schwundgeld zur Verfügung gestellt, würde einen Kaufkraft-Turbo von fast neun Milliarden Euro bedeuten und Vorteile für Bürger, Wirtschaft, Finanzminister und Nationalbank bringen. Die „Maschinensteuer“ hingegen schafft Zwang, Frust und scharfe Ablehnung von Seiten der Unternehmerschaft, während mein Vorschlag für alle Beteiligten eine win-win-win-Situation darstellen und wohl von allen Marktteilnehmern positiv aufgenommen würde.

Die oftmals als Gegenargument vorgebrachten Umsetzungsprobleme – wie erreiche ich alle bezugsberechtigten Bürger und wie schließe ich Betrug und Missbrauch aus? – könnten wohl einerseits über die Banken und Sparkassen und andererseits über die allgemeinen Sozialversicherungsanstalten gelöst werden. Für jede SV-Nummer kann ein entsprechender OeNB-Sondergeld-Gutschein-Talon bezogen werden. Die Abwicklung der Ausgabe an die Bürger und die Rücknahme von der Wirtschaft und die weitere Rückverrechnung mit der OeNB würden die Geldinstitute übernehmen. Über alle weiteren Details sollen sich die Beamten in den zuständigen Ministerien Gedanken machen – sie verfügen über den notwendigen Sachverstand.

Die Deutsche Wirtschaftsnachrichten schrieben schon vor Jahren, dass sich alle Analysten einig wären, dass die EZB mit ihrem Latein am Ende sei. Sie stehe vor der geldpolitischen Kapitulation. Auch Christine Lagarde, die EZB-Chefin, wäre daher gut beraten, würde sie die Billionen, die sie bisher in die bekannten Fässer ohne Boden – Pleitestaaten und Pleitebanken – geschüttet hat, in Zukunft direkt den Bürgern zukommen lassen!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Krones-Aktie: Wie aus Flaschen Milliarden werden
17.10.2025

Ob Ketchup, Cola oder Sojadrink: Weltweit läuft fast jede Flasche durch eine Abfüllline von Krones. Seit fast 75 Jahren versorgt die...

DWN
Politik
Politik Hybridkrieg im Orbit: Die tickende Bombe über unseren Köpfen
17.10.2025

Sabotage, Cyberattacken und Desinformation – der Hybridkrieg Russlands gegen den Westen erreicht eine neue Dimension. Experten warnen:...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Oliver Blume tritt als Porsche-Chef ab – Fokus auf Volkswagen
17.10.2025

Oliver Blume wird seinen Posten als Vorstandsvorsitzender von Porsche abgeben. Für den Manager aus Stuttgart bedeutet dies voraussichtlich...

DWN
Politik
Politik Grüne fordern deutliches Plus beim Bafög – Reformantrag heute im Bundestag
17.10.2025

Die Grünen im Bundestag drängen auf eine umfassende Reform des Bafög und fordern eine Erhöhung des Grundbedarfs von 475 auf 563 Euro....

DWN
Politik
Politik US-Angriff in der Karibik: Rechtlich fragwürdige Operation unter Trump gegen Venezuela
17.10.2025

Die USA haben erneut ein Boot in der Karibik angegriffen, das angeblich Drogen transportierte. Experten sehen den Schlag unter Präsident...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis erneut auf Rekordhoch: Experten diskutieren Überbewertung und Portfoliochancen
17.10.2025

Der Goldmarkt steht aktuell im Fokus von Anlegern und Analysten. Die Preise steigen rasant, Handelsvolumina erreichen ungewöhnliche...

DWN
Politik
Politik Wehrdienst-Debatte: Pistorius und Möller zeigen sich gesprächsbereit
17.10.2025

Nach zunächst scharfen Auseinandersetzungen haben Verteidigungsminister Boris Pistorius, Fraktionsvize Siemtje Möller und der Abgeordnete...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Zinsen, Zölle, Inflation – Investieren in der Krise
17.10.2025

Die Zinsen stagnieren, die Inflation steigt wieder, die Aktienmärkte schwanken auf hohem Niveau – Verbraucher, Unternehmer und...