Politik

DWN SPEZIAL: Whistleblower belastet Boeing in der 737-MAX-Absturzaffäre schwer

Ein ehemaliger Boeing-Ingenieur belastet seinen Ex-Arbeitgeber schwer. Mängel an der Boeing 737 MAX seien bewusst vertuscht worden. Auch gegen die US-Luftfahrtbehörde erhebt er schwere Vorwürfe.
19.06.2020 17:28
Aktualisiert: 19.06.2020 17:28
Lesezeit: 2 min
DWN SPEZIAL:  Whistleblower belastet Boeing in der 737-MAX-Absturzaffäre schwer
Die Boeing 737 MAX. (Foto: dpa) Foto: Boeing Graphic

Ein ehemaliger Boeing-Ingenieur, der im vergangenen Jahr eine interne Ethik-Beschwerde wegen schwerwiegender Mängel bei der Entwicklung der 737 MAX eingereicht hatte, hat einem US-Senatsausschuss schriftlich mitgeteilt, dass systemische Probleme mit dem Jet behoben werden müssen, bevor die 737 MAX wieder in Betrieb genommen werden darf.

Der Brief an den US-Senat, dessen Kopie der Tageszeitung „Seattle Times“ vorliegt (Boeing betreibt nahe Seattle sein größtes Werk), wurde von Ingenieur Curtis Ewbank verfasst, einem 34-jährigen Spezialisten für Flugdeck-Systeme. In seinem Brief führt er aus, dass es nicht ausreiche, die fehlerhafte Flugsteuerungs-Software MCAS zu verbessern, von der bekannt ist, dass sie zwei Abstürze in Indonesien und Äthiopien verursacht hat. Seiner Meinung nach müssen weitere Flugsteuerungs-Systeme verbessert werden.

Ewbank wörtlich: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Bundesluftfahrtbehörde und der Gesetzgeber unter erheblichem Druck stehen (…) Angesichts der zahlreichen anderen bekannten Mängel in der Flugzeugzelle wird es jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis (…) weitere Leben sinnlos verloren gehen.“

Ewbank wurde letztes Jahr auch vom FBI befragt. Er hatte im Jahr 2014 vorgeschlagen, dass bei der 737 MAX ein „Synthetic Airspeed System“ angebracht wird. Doch Boeing lehnte ab. Dieses System hätte die Abstürze wahrscheinlich verhindern können.

Ewbank kritisiert nicht nur Boeing,, sondern auch die US-Bundesluftfahrtbehörde FAA für die Genehmigung des Flugzeugbaus: „Die ursprüngliche Zertifizierung der 737 MAX wurde durchgewunken, um die zahlreichen Möglichkeiten zu verbergen, mit denen das Design des 737 aus den 1960er Jahren nicht den aktuellen gesetzlichen Standards entspricht. Diese Mängel waren Boeing bekannt, als das Unternehmen mit der FAA zusammenarbeitete, um den 737 MAX zu zertifizieren , und das Bewusstsein dafür wurde auf kreative Weise verborgen oder den Aufsichtsbehörden direkt vorenthalten“, meint er.

Der Leiter der FAA, Steve Dickson, hat sich nach den verheerenden Abstürzen zweier Boeing-Jets heftige Vorwürfe von Kongressabgeordneten anhören müssen. Die Behörde habe versucht, die Ermittlungen zur Aufarbeitung der Unglücke mit Absicht zu behindern, kritisierte der Spitzenpolitiker Roger Wicker von der republikanischen Partei bei einer Senats-Anhörung am Mittwoch in Washington D.C. „Herr Dickson, ich mache Sie hierfür verantwortlich“, sagte der Senator des Bundesstaats Mississippi und Vorsitzende des Ausschusses für Handel, Wissenschaft und Verkehr.

Behördenleiter Dickson räumte zwar Fehler ein, wies die Anschuldigungen einer Mauertaktik bei den Ermittlungen und einer „Kultur der Geheimhaltung“ bei der FAA aber entschieden zurück.

Sowohl Boeing als auch die FAA stehen wegen der Unglücke, bei denen insgesamt 346 Menschen starben, stark in der Kritik. Boeing wird angelastet, die 737 MAX im Wettbewerb mit Airbus überstürzt auf den Markt gebracht und dabei die Sicherheit vernachlässigt zu haben. Der FAA wird vorgeworfen, sie habe bei der Zertifizierung ein Auge zugedrückt und habe sich vom Hersteller an der Nase herumführen lassen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pokémon-Karten als Geldanlage: Hype, Blase oder Millionen-Geschäft?
03.07.2025

Verstaubte Karten aus dem Kinderzimmer bringen heute tausende Euro – doch Experten warnen: Hinter dem Pokémon-Hype steckt eine riskante...

DWN
Finanzen
Finanzen Politische Unsicherheit: Warum Anleger jetzt Fehler machen
03.07.2025

Trumps Kurs schürt Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wie Anleger jetzt kühlen Kopf bewahren und welche Fehler sie unbedingt vermeiden...