Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat selbst bei einem Ausbleiben einer zweiten Infektionswelle in der Corona-Krise vor einem langen Weg aus der Rezession gewarnt. "Der Anstieg aus den Tiefen der Rezession könnte langwierig sein", hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht der Dachorganisation führender Notenbanken der Welt. Außerdem rechnet die BIZ mit einem starken Anstieg der Verschuldung und mit einer Pleitewelle, weil zahlreiche Firmen ihre Verluste aus der Hochphase der Corona-Krise nicht wieder wettmachen können.
"Bestehende Geschäftsmodelle werden nicht mehr tragfähig sein", hieß es weiter in dem Bericht. Auch in der aktuell einsetzenden Phase einer konjunkturellen Erholung nach dem massiven Einbruch in der Corona-Krise werden die Konsumausgaben nach Einschätzung der BIZ-Experten durch eine anhaltende Unsicherheit der Verbraucher gebremst. Darüber hinaus dürften viele Unternehmen wegen der Corona-Vorsichtsmaßnahmen weiterhin nicht mit der vollen Auslastung arbeiten, selbst wenn die Weltwirtschaft von neuen Ansteckungswellen verschont bleiben sollte.
Nach Einschätzung der Institution dürfte die Corona-Krise zu einer "neuen Wirtschaftslandschaft" führen, deren besonderes Merkmal eine viel höhere Verschuldung sein wird. Selbst in der Phase der konjunkturellen Erholung nach dem Corona-Einbruch könnte die Verschuldung insbesondere des öffentlichen Sektors weiter steigen. Nach Einschätzung der BIZ entwickelt sich die Corona-Krise daher zu einem Ereignis, das eine ganze Generation beeinflussen wird.
Außerdem dürften die Bilanzen von Geschäftsbanken unter den Folgen der Krise leiden, warnten die BIZ-Experten. Sollten diese Verluste stark ausfallen, könnte die Fähigkeit der Geldhäuser beeinträchtigt werden, die konjunkturelle Erholung durch die Kreditvergabe zu stützen.
Nach Einschätzung der BIZ ist infolge der Krise mit einer generell schwachen Preisentwicklung zu rechnen. Wegen der trüben konjunkturellen Aussichten blieben die Inflationsrisiken kurzfristig nach unten gerichtet, heißt es in dem Bericht. Vielmehr dürfte wegen der schwachen Nachfrage "der deflationäre Druck überwiegen". Bei einer Deflation sinken die Verbraucherpreise, was die allgemeine wirtschaftliche Lage zusätzlich belasten kann.
Wegen der schwachen Preisentwicklung müsse die Geldpolitik der Notenbanken weiter locker bleiben, behaupten die BIZ-Ökonomen. Auch wenn zahlreiche Industriestaaten mit gewaltigen staatlichen Konjunkturprogrammen gegen die Folgen der Krise ankämpften, könne der Druck auf die Zentralbanken steigen, in der Krisenpolitik noch einmal nachzulegen. Darüber hinaus seien viele Krisenmaßnahmen der Notenbanken nur schwer wieder rückgängig zu machen, sollte die akute Phase der Wirtschaftskrise überstanden sein. "Die in vielen Ländern bereits rekordverdächtigen Bilanzen der Zentralbanken könnten noch weiter expandieren", warnte die BIZ.
Auch deutsche Wirtschaft glaubt nicht an schnelle Erholung
Die Hoffnung auf eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft nach der Coronavirus-Krise zerschlägt sich immer mehr. Es fehle einfach die übliche Nachfrage, daran könnten auch die größten Rettungspakete des Staates nichts ändern, sagte Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Dienstag in Berlin. Laut einer aktuellen Umfrage des Verbandes unter rund 8.500 Unternehmen rechnen immer mehr Betriebe erst 2021 oder sogar noch später mit einer Normalisierung. Es droht eine Pleitewelle im Herbst.
Eine V-förmige Erholung der Wirtschaft sei vom Tisch, sagte Wansleben. "Die Nachfrage kommt nicht." Vor allem der Industrie gehe es ziemlich schlecht. Das Berliner Forschungsinstitut DIW macht eine gedämpfte Kauflaune sowie anhaltende Einschränkungen zum Infektionsschutz aus, was auch Dienstleister bremse. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) haben unter anderem die Autobranche sowie Hotels und Gaststätten harte Monate hinter sich. Am stärksten treffe es aber Branchen, die schon vor der Pandemie Probleme gehabt hätten, etwa klassische Einzelhändler in Innenstädten, denen Amazon & Co immer mehr zusetze.
Insgesamt reichen demnach die jüngsten Lockerungen der Corona-Einschränkungen nicht aus, um an alte Boomzeiten anzuknüpfen. 39 Prozent der Unternehmen rechnen laut DIHK-Umfrage erst 2021 mit einer Normalisierung, das sind elf Prozentpunkte mehr als in der vorherigen Erhebung Anfang Mai. Eine noch spätere Normalisierung erwarten elf Prozent, doppelt so viel wie zuletzt. Weniger Investitionen und der Abbau von Beschäftigung dürften die Folge sein. "Das zeigt, der Weg zurück für die Wirtschaft wird lang und hart", so Wansleben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine IW-Studie, die auf Einschätzungen von 31 Wirtschaftsverbänden basiert.
Der DIHK rechnet mit einem Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung von zehn Prozent in diesem Jahr. Er ist damit deutlich pessimistischer als etwa die Bundesregierung, die derzeit von minus 6,3 Prozent ausgeht. Die Exportindustrie müsse sich sogar auf einen Rückgang von 15 Prozent einstellen, so der DIHK.
Die DIW-Ökonomen verweisen darauf, dass das zweite Quartal mit einem erwarteten Einbruch von zwölf Prozent der Tiefpunkt gewesen sein sollte. Laut IMK-Institut wird die Wirtschaft erst 2022 wieder das Niveau vor der Corona-Krise erreicht haben. Denn 2021 dürfte ihrer Schätzung nach lediglich ein Wachstum von 3,8 Prozent bringen - also deutlich weniger als der erwartete Einbruch 2020.
Wansleben sagte, kein noch so großes Konjunkturprogramm könne der Wirtschaft die fehlenden Umsätze ausgleichen. Die Regierung setze bereits viele wichtige Impulse. "Sie kann die Erholung aber nicht kaufen." Ob es wirklich den von Finanzminister Olaf Scholz versprochenen „Wumms“ gebe, sei fraglich. Zum 1. Juli wird die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr gesenkt, um den Konsum anzuregen. Zudem bekommen Familien einen Bonus von 300 Euro pro Kind und Unternehmen können künftig Verluste besser mit früheren Gewinnen verrechnen sowie Investitionen zeitlich befristet besser abschreiben.
Um aber eine Pleitewelle zu vermeiden, sollte die Regierung aus DIHK-Sicht kleineren Firmen und Mittelständlern Eigenkapital zur Verfügung stellen. "Im Herbst kann sich die Situation negativ zuspitzen", warnte Wansleben. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der neben Krediten und Bürgschaften auch Firmen wie zuletzt der Lufthansa Eigenkapital zuschießen kann, müsse erweitert werden. Firmen mit weniger als 250 Mitarbeitern müssten einen Zugang bekommen. Dabei müssten private Geldgeber wie Lebensversicherer oder Fonds ins Boot geholt werden. "Der Staat kann es nicht alleine richten." Entsprechende Vorschläge habe der DIHK bereits eingebracht. Die Gespräche mit der Regierung dazu liefen sehr gut. "Das Problembewusstsein ist voll da."