Der Ladesäulenparkplatz, der meldet, wenn er frei ist, oder der Bus, der fährt, wenn er benötigt wird. Oder intelligente Energiesysteme, die den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid verringern: Das sind nur einige Lösungen für die Smart City, die mittlerweile wohl so ziemlich jedem Politiker und Bürger ein Begriff ist. Zurzeit hat das Thema in nahezu allen Rathäusern Deutschlands Hochkonjunktur.
Die Ideen sind teilweise so verlockend, dass schon lange die Beratungsunternehmen diesen Markt entdeckt haben. Die Experten überschlagen sich seit geraumer Zeit regelrecht mit der Publikation von neuen Studien, die vor detaillierten Umfragen, Analysen und Wachstumsprognosen im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich nur so wimmeln.
Eine davon, die derzeit die Runde macht, ist eine weltweite Untersuchung der internationalen Consulting Capgemini, die den Titel „Street Smart: Putting the Citizen at the Center of Smart City Initiatives“ trägt - auf deutsch: „Smarte Straße: Den Bürger in das Zentrum der Smart-City-Initiativen rücken“. Dabei hat das Unternehmen in zehn Ländern über 10.000 Bürgerinnen und Bürger und mehr als 300 städtische Führungskräfte aus 58 Städten befragt. Die Fachleute untersuchten unterschiedliche Bereiche, in denen die Smart-City-Konzepte anwendet werden können, wie Transport & Mobilität, das Gesundheitswesen oder die Wasser- und Stromversorgung.
Mehr als die Hälfte der befragten Bürgerinnen Bürger hält Smart Cities demnach für nachhaltig (58 Prozent) und glaubt, dass das Leistungsangebot der Städte dadurch höherwertiger wird. Weltweit sind 36 Prozent bereit, sogar dafür zu bezahlen. In Deutschland sind es den Umfragen zufolge etwa 30 Prozent. Die Generation der Millennials, die um die Jahrtausendwende geboren sind, gehören mit einem Anteil von 44 Prozent der Befragten zu der sozialen Gruppe, die der Studie zufolge die größte Bereitschaft zeigt, dafür Geld auszugeben. Ebenso zählt die Generation Z (1981 bis 1996) mit 41 Prozent dazu.
In Deutschland wollen die Bürger aus Frankfurt am Main und Hamburg am häufigsten für intelligente Lösungen zur Wasserversorgung zahlen. In Berlin, München, Düsseldorf, Köln und Darmstadt stehen Verbesserungen im Bereich Mobilität und Transport an erster Stelle. In vier der genannten Städte sehen die Bürger zugleich im Bereich Mobilität den größten Handlungsbedarf. In Düsseldorf, Frankfurt und Berlin hat hingegen die öffentliche Sicherheit Priorität.
„Die Studie zeigt, dass die Verwaltungen weltweit in Digitalisierungsprogrammen stecken, die mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) vergleichbar sind. Das ist wichtig und wird auch entsprechend geschätzt“, sagt Marc Reinhardt, der Vertreter von CapGemini Deutschland. „Zugleich sind die Bürger allerdings schon einen Schritt weiter und fordern die Umgestaltung zur Smart City. Letztlich müssen die Verwaltungen daher das eine tun, ohne das andere zu lassen – in der Programmatik der OZG-Umsetzung bedeutet dies eine maximal konsequente Nachnutzung von Lösungen und das Prinzip Einer für alle“, so Reinhardt.
Wissenschaftler: "Technologie ist nicht immer nachhaltig"
„Im Narrativ der Smart City wird häufig ‚smart‘ gleich ‚nachhaltig‘ behauptet", sagte hingegen Jens Libbe, der Leiter Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). "Das soll heißen, der Einsatz smarter Technologie wird automatisch zu nachhaltigen Lösungen führen. Das ist vom Ansatz her nicht haltbar", erklärte der Wissenschaftler im Gespräch mit den DWN. "Entscheidend ist, was unter nachhaltiger Stadtentwicklung verstanden wird. Und ob die Technologie tatsächlich für die Nachhaltigkeitsziele dienstbar gemacht werden kann. Oder ob die Technologie kontraproduktiv wirkt. Beispiel Mobilität: hilft smarte Technologie, intermodale Verkehre, den öffentlichen Personen- und Nachverkehr (ÖPNV), die Entscheidung der Bürger, besser zu Fuß zu gehen und das Rad zu nutzen? Oder kommt es zu noch mehr motorisiertem Individualverkehr?“ meinte Libbe vom Difu - dem größten Think Tank in Deutschland, der sich mit kommunalen Themen beschäftigt.
„Das größte Hindernis für die Einführung von Smart Cities ist, dass immer wieder behauptet wird, wir würden diese überhaupt benötigen. Was wir brauchen, ist die Nutzung digitaler Technologien dort, wo sie uns helfen, Nachhaltige Stadtentwicklung zu unterstützen. Das ist auf städtischer Ebene im Einzelfall zu entscheiden. Stadtentwicklung ist halt mehr als Technologie getriebene Entwicklung. Es geht beispielsweise um soziale Prozesse, ökologische Belange oder die Wettbewerbsfähigkeit", fügte der Gelehrte hinzu.
Darüber hinaus wies seine Mitarbeiterin Katharina Lange auf weitere Probleme hin: "Auch am Difu sehen wir die Finanzierung als ein Hemmnis bei der Umsetzung von Smart City Ansätzen. Zudem behindern vor allem in kleinen Kommunen und ländlichen Gebieten Defizite in der infrastrukturellen Ausstattung mit schnellem Breitbandinternet die Umsetzung von Maßnahmen zur Smarten Gemeinde. Auch personelle Kapazitäten und Knowhow stellen in einigen Kommunen Hemmnisse. Letztlich ist auch das Thema Daten eine zentrale Herausforderung für Kommunen. Es ist zu beobachten, dass Kommunen nicht immer Zugriff auf relevante Daten haben (Stichwort Datenhoheit und Datenkompetenz) oder Daten und Plattformen nicht kompatibel sind. Im Bezug auf die Bürgerinnen und Bürger sehen wir langfristig jedoch auch mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung für den neuen Mobilfunkstandard 5G als ein Hemmnis bei der Umsetzung von Smart City Konzepten. Für einige Smart City Anwendungen, z.B. für das autonome Fahren, ist die 5G-Technologie unumgänglich."