Politik

Belarussische Oppositionsführerin setzt sich ins Ausland ab

Die in Belarus unter Druck stehende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat sich aus Sicherheitsgründen nach Litauen abgesetzt. Von dort aus ruft sie ihre Landsleute auf, bei den Protesten gegen die Regierung ihr Leben nicht aufs Spiel zu setzen.
11.08.2020 14:53
Lesezeit: 2 min
Belarussische Oppositionsführerin setzt sich ins Ausland ab
Ein schweres Polizeiaufgebot blockierte in der Nacht zum Dienstag zentrale Plätze und Alleen. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

* Tichanowskaja: Bin freiwillig nach Litauen

* Laut Polizei mehr als 2000 Festnahmen

* EU stellt Beziehungen zu Minsk auf den Prüfstand

Die nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus unter Druck stehende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat sich nach Litauen abgesetzt. Sie habe ihr Heimatland auf eigenen Antrieb verlassen, sagte sie in einem YouTube-Video am Dienstag. Sie widersprach damit Äußerungen ihres Wahlkampfteams, wonach sie angesichts der Proteste gegen den verkündeten Wahlsieg von Präsident Aleksander Lukaschenko von den Behörden zur Ausreise gezwungen worden sei.

Auch die staatliche Grenzbehörde erklärte, Tichanowskaja nicht zur Ausreise gezwungen zu haben. Die Europäische Union bekräftigte Zweifel an der Legitimität der Wahl und kritisierte das Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Das litauische Außenministerium teilte mit, Tichanowskaja sei in Sicherheit und mit ihren Kindern zusammen. Sie erhalte ein Visum für ein Jahr.

Die 37-Jährige hatte ihre Kinder während des Wahlkampfes nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen außer Landes gebracht. Sie erkennt den proklamierten Sieg von Lukaschenko, der Belarus seit 1994 regiert, bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag nicht an und wirft ihm Wahlbetrug vor. Die frühere Englisch-Lehrerin hatte anstelle ihres Ehemannes kandidiert, nachdem der regierungskritische Blogger im Mai festgenommen worden war.

Dem offiziellen Ergebnis zufolge erhielt Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen. Am Montag war es im ganzen Land und vor allem in der Hauptstadt Minsk zu Protesten gekommen. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein.

Nach Polizeiangaben wurden mehr als 2000 Menschen festgenommen. Ein Demonstrant sei getötet worden, als ein Sprengstoff in seiner Hand explodiert sei. 21 Sicherheitskräfte seien verletzt worden, fünf von ihnen hätten in ein Krankenhaus gebracht werden müssen, teilte das Innenministerium mit.

Tichanowskaja appellierte an ihre Landsleute, bei den Protesten gegen die Regierung ihr Leben nicht aufs Spiel zu setzen. Die Demonstranten sollten sich der Polizei nicht entgegenstellen, sagte sie laut russischer Nachrichtenagentur RIA.

"UNVERHÄLTNISMÄSSIG UND INAKZEPTABEL"

Die EU kritisierte ebenso wie die Bundesregierung einen "unverhältnismäßigen und inakzeptablen Einsatz staatlicher Gewalt". Westliche Beobachter stuften die Abstimmung - wie alle anderen Wahlen seit 1995 in dem Land - als weder frei noch fair ein.

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Dienstag, die EU werde ihre gesamten Beziehungen zu Belarus auf den Prüfstand stellen. Nicht äußern wollte er sich zur Frage von Sanktionen. Seinen Angaben zufolge bereiten die 27 EU-Staaten eine gemeinsame Erklärung vor.

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte bei einem Besuch in Moskau: "Wir fordern, dass diejenigen, die friedlich für und mit ihrem demokratischem Recht auf die Straßen gegangen sind, umgehend freigelassen werden." Die EU habe Santionen gegen Belarus aufgehoben, weil das Land Schritte in die richtige Richtung unternommen habe. "Wir müssen allerdings jetzt in der EU sehr ernhaft diskutieren, ob dies im Lichte der vergangenen Wochen und vor allem der letzten Tagen so noch Bestand hat." Oder ob dies "zügig" verändern müsse.

Der litauische Außenminister Linas Linkevicius sagte, die Führung in Minsk müsse politische Konsequenzen erwarten. Er äußerte zudem die Vermutung, dass Russland Druck auf die geschwächte Führung in Belarus ausübe, um eine Integration beider Länder voranzutreiben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen USA Börsen: Überraschend deutlicher Rückgang der US-Inflation beflügelt die Aktienmärkte
18.12.2025

Die im letzten Monat überraschend stark abgekühlten US-Inflationsdaten befeuerten die Hoffnung, dass im Jahr 2026 weitere Zinssenkungen...

DWN
Politik
Politik Feuer und Tränengas: Tausende Bauern protestieren in Brüssel gegen Mercosur
18.12.2025

Feuer, Tränengas und Traktoren: Tausende Landwirte bringen Brüssels Europaviertel zum Chaos. Sie protestieren gegen das geplante...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheidung: Leitzinsen der Eurozone bleiben erneut unverändert
18.12.2025

Die EZB-Zinsentscheidung ist gefallen: Wie erwartet lassen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins für die Eurozone...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuersenkung in Restaurants: Warum Gäste kaum profitieren
18.12.2025

Die Politik senkt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie - wird der Restaurantbesuch damit endlich wieder erschwinglicher? Wohl kaum....

DWN
Politik
Politik Trumps Rede an die Nation: Eigenlob und Schweigen im Walde
18.12.2025

Zwischen Weihnachtsbäumen und Selbstlob inszeniert Donald Trump seine Rede an die Nation als Erfolgsgeschichte. Er verspricht...