Finanzen

Bundesbank: Schuldenaufnahme durch die EU ist „bedenkliches Novum“ und überdies vertragswidrig

Die Bundesbank hat die Pläne der EU-Kommission, selbst Anleihen zu emittieren, scharf kritisiert. Es werde eine Art Schattenhaushalt etabliert, den die Steuerzahler Europas finanzieren müssen.
17.08.2020 15:55
Lesezeit: 2 min
Bundesbank: Schuldenaufnahme durch die EU ist „bedenkliches Novum“ und überdies vertragswidrig
Das durchsichtige Porträt-Fenster mit dem Bildnis der Europa ist in der Zentrale der Deutschen Bundesbank in einem echten (r) 50-Euro-Schein zu sehen. Links daneben ist in einer gefälschten Banknote das Porträt-Fenster erheblich weniger detailliert nachgeahmt.(Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Die Bundesbank hat sich kritisch zu der geplanten gemeinsamen Verschuldung der Europäischen Union (EU) geäußert. Die umfangreiche Schuldenfinanzierung sei ein „bedenkliches Novum“, schreiben die Währungshüter in ihrem neuen Monatsbericht vom Montag. Die Pläne seien überdies schlichtweg vertragswidrig. „Eine Kreditaufnahme auf der EU-Ebene ist in den EU-Verträgen eigentlich nicht vorgesehen“, schreiben die Ökonomen der deutschen Zentralbank. Um Haftung und Kontrolle in der Balance zu halten, wäre ein deutlich stärkerer Integrationsgrad in der EU erforderlich, mahnt die Bundesbank. Derzeit ist die Finanzpolitik weitgehend Sache der EU-Staaten.

Die EU-Staaten hatten sich im Juli auf einen mehrjährigen Finanzrahmen verständigt, der auch einen schuldenfinanzierten Extrahaushalt zur Bewältigung der Corona-Folgen umfasst. Die EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen will also selbst Anleihen emittieren, um damit verzinstes Schuldgeld einzustreichen. Die im Zuge des Finanzrahmens eingenommenen Schulden sollen dann als Kredite oder auch als nicht zurückzuzahlende Zuschüsse an EU-Länder weitergeleitet werden. Wenngleich die Bundesbank dieses solidarische Vorgehen grundsätzlich gutheißt, moniert sie, „dass sich für die wachstumsfördernde Wirkung von EU-Mitteln in der Vergangenheit ein gemischtes Bild zeigte.“

Darüber hinaus weisen die Währungshüter darauf hin, dass die Kreditaufnahme der EU mit Kosten verbunden sei – praktisch komme es außerdem zu einer Art Schattenhaushalt der EU. „Die EU-Schulden werden die künftigen europäischen Steuerpflichtigen belasten, selbst wenn die Schulden nicht in den nationalen Statistiken abgebildet sind.“ Zins und Tilgung seien weiterhin von den Mitgliedstaaten zu erbringen. „Diese neuen Verpflichtungen aus den EU-Schulden sollten deshalb in die Bewertung der nationalen Staatsfinanzen einfließen.“

Scholz: gemeinsame Schulden vertiefen Integration, Deutsche müssen mehr zahlen

Die Aufnahme gemeinsamer Schulden der EU-Staaten zur Bewältigung der Corona-Krise verändert aus Sicht von Bundesfinanzminister Olaf Scholz die politische Statik in Europa. „Mit dieser Entscheidung übernimmt Europa für sein Schicksal gemeinsam Verantwortung“, sagte der SPD-Politiker der Zeit Ende Juli.

„Um die Schulden zurückzuzahlen, wird die EU perspektivisch mit eigenen Einnahmen ausgestattet. Das verändert die politische Statik auf eine dramatische Weise“, erklärte Scholz. „Wer zusammen Kredite aufnimmt und sie zusammen zurückzahlt, der erreicht eine neue Dimension der Gemeinsamkeit“, führte er aus. Dem Ziel, in Europa auch in Zukunft „unser Leben“ selbst zu bestimmen, sei man mit der Einigung einen Schritt näher gekommen.

Dass der Hilfsfonds letztlich geringer ausgefallen sei, als unter anderem von Deutschland favorisiert, sei nicht unüblich. „Das kennen wir auch aus Finanzverhandlungen im deutschen Föderalismus. Dennoch gab es eine Einigung, und am Ende zählt genau das. Der Punkt ist doch: Anders als in der Staatsschuldenkrise vor zehn Jahren agiert Europa jetzt gemeinsam.“

Deutschland muss nach dem Kompromisspaket beim EU-Sondergipfel jährlich rund zehn Milliarden Euro mehr in den europäischen Haushalt zahlen - künftig etwa 40 Milliarden Euro. Unter dem Strich profitiere Deutschland aber, sagte Scholz der Zeit. Deutsche Unternehmen profitierten davon, „die ganze Welt und vor allem Europa“ beliefern zu können. Eine langjährige Stagnation in den Nachbarstatten wäre „das Schlimmste, was uns passieren kann“.

Schon jetzt sind Steuern und Abgaben in Deutschland extrem hoch

Die Ankündigung neuer Steuern und Abgaben zur Finanzierung der Schulden auf EU-Ebene fällt in Deutschland in eine Zeit, in der das Maß an Gebühren, Steuern und Abgaben im internationalen Vergleich ohnehin sehr hoch ist. Wie aus einer aktuellen Untersuchung der OSZE hervorgeht, werden in Deutschland bei kinderlosen Alleinstehenden mit durchschnittlichem Einkommen durchschnittlich 49,4 Prozent des Bruttoverdienstes einbehalten - soviel wie in keinem anderen OSZE-Land außer Belgien. Die gesamte OSZE-Quote liegt bei etwa 36 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen den Klimawandel: EU-Einigung auf Klimaschutzziel für 2040
10.12.2025

Die neuen Klimaziele der EU stehen fest: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bei der...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsmarkt: Angebot an Mietwohnungen steigt in Ostdeutschland
10.12.2025

Angebot runter, Preise rauf. Doch jetzt dreht sich der Trend – zumindest in Ostdeutschland. Allerdings nicht im Berliner Umland, dafür...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Selenskyj will Neuwahlen möglich machen - Ukraine könnte binnen 60 bis 90 Tagen wählen
10.12.2025

Seit dem russischen Überfall im Februar 2022 fanden keine Wahlen in der Ukraine statt. Die reguläre Amtszeit des Präsidenten lief im Mai...

DWN
Politik
Politik Trump-Doktrin: Weshalb die USA plötzlich Russlands Linie bedienen
10.12.2025

Mit provokanten Aussagen über Putin, Selenskyj und die Zukunft Europas treibt Donald Trump eine neue US-Außenpolitik voran, die immer...

DWN
Technologie
Technologie Stromexport: Frankreich produziert klimafreundlichen Überschuss
10.12.2025

Frankreich produziert in den kommenden Jahren deutlich mehr Strom, als das Land verbraucht. Diese Überkapazität eröffnet neue...