Politik

Natürlich wird die Kurzarbeit verlängert – andernfalls setzt die Massenarbeitslosigkeit schon vor der nächsten Bundestagswahl ein

Die Bundesregierung dürfte ganz eigene Interessen an einer Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes haben.
22.08.2020 13:00
Lesezeit: 2 min

In der Corona-Krise können Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland auf eine deutliche Verlängerung des Kurzarbeitergelds hoffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehe Vorschlägen, die Bezugsdauer auf 24 Monate zu verlängern, "grundsätzlich positiv" gegenüber, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Das Kurzarbeitergeld habe maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland der weltweiten Krise bisher verhältnismäßig gut standhalte. Es sei gelungen, Millionen von Arbeitsplätzen zu erhalten, sagte Seibert. Über eine mögliche Verlängerung der Bezugsdauer in der Corona-Krise werde innerhalb der Bundesregierung zu beraten sein. Wie konkret dies auszugestalten sei, darüber wollten die Koalitionspartner in einem Koalitionsausschuss beraten. Der Koalitionsausschuss soll am 25. August zusammenkommen.

Die Kurzarbeit: Ein Gewinn für die Bundesregierung

Neben der wirtschaftlichen Dimension hat die Verlängerung der Kurzarbeit auch eine sehr wichtige politische Dimension: sie verhindert, dass im Vorfeld der Bundestagswahl Millionen Deutsche in Arbeitslosigkeit und Armut stürzen und infolge des damit entstehenden Frusts ihr Kreuz in der Wahlkabine an der aus Sicht der Bundesregierung falschen Stelle (AfD und Linke) machen.

Die Wortmeldungen aus der Regierungskoalition lassen deshalb auch auf eine breite Zustimmung schließen. Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte der Bild am Sonntag gesagt, er wolle die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld auf 24 Monate verlängern. Die Corona-Krise werde in den nächsten Wochen nicht plötzlich verschwinden. "Unternehmen und Beschäftigte brauchen von der Regierung das klare Signal: Wir gehen mit euch den gesamten Weg durch die Krise, damit niemand auf der Strecke ohne Not entlassen wird."

Auch CSU-Chef Markus Söder sprach sich für eine Verlängerung der Kurzarbeit aus. "Das Kurzarbeitergeld ist als Instrument hilfreich", sagte Söder dem Münchner Merkur. "Aber das alleine reicht nicht. Wir müssen noch einmal überlegen, wie wir schwierige Branchen wie Auto, Luft- und Raumfahrt und Maschinenbau unterstützen."

Grundsätzlich gilt derzeit eine Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld von maximal zwölf Monaten. Als die Corona-Krise aufzog, waren allerdings die Zugangsbedingungen für Unternehmen erleichtert worden. In bestimmten Fällen kann die Bezugsdauer zudem bereits jetzt auf bis zu 21 Monate verlängert werden. Im Juni hatten sich schon die Wirtschaftsminister der Länder dafür ausgesprochen, das Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verlängern.

Die Kurzarbeit: Ein Gewinn für die Wirtschaft

Wirtschaftsverbände begrüßten die Pläne. Scholz sei auf dem richtigen Weg, wenn er die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate ausdehnen wolle, sagte Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinenbauverbandes VDMA, am Montag. Die Corona-Krise, Handelsbarrieren und der Strukturwandel in der Autoindustrie hatten den Maschinenbau in Deutschland im ersten Halbjahr 32 000 Arbeitsplätze gekostet. "Angesichts der immensen Belastungen, denen unsere Industrie ausgesetzt ist, bleibt dies ein moderater Abbau", sagte Wiechers. Dabei helfe vor allem das Instrument der Kurzarbeit.

Infolge der Corona-Krise ist die Wirtschaft in Deutschland eingebrochen. Erwartet wird im Gesamtjahr die bisher schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte. Dies hat zu einem nie gekannten Ausmaß von Kurzarbeit geführt. So erhöhte sich die Zahl der Menschen in Kurzarbeit nach letzten offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Mai auf 6,7 (April: 6,1) Millionen.

Das Instrument Kurzarbeit gilt als einer der entscheidenden Stabilisatoren für den Arbeitsmarkt in einer ökonomischen Krisensituation. Sie verhindert Entlassungen auf breiter Front und hilft Unternehmen, ihre qualifizierten Belegschaften zusammenzuhalten, um nach der Krise wieder durchstarten zu können. Auf diese Weise sind in Deutschland bislang - anders als in den USA - nicht Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit gestürzt.

Das Kurzarbeitergeld beträgt regulär 60 Prozent des fehlenden Nettoentgelts - für Eltern mit Kindern 67 Prozent. Nun gibt es aber ab dem vierten Monat des Bezugs 70/77 Prozent, ab dem siebten Monat 80/87 Prozent. Beiträge für die Sozialversicherungen werden von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet.

Allein für Kurzarbeitergeld inklusive Sozialleistungen musste die Bundesagentur in den ersten sechs Monaten 7,85 Milliarden Euro aufwenden. Die Rücklage in Höhe von fast 26 Milliarden Euro werde nach bisherigen Szenarien noch 2020 aufgebraucht, hatte der Vorstandschef der Agentur, Detlef Scheele, gesagt. Deshalb ist ein Einspringen des Bundes notwendig.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen den Klimawandel: EU-Einigung auf Klimaschutzziel für 2040
10.12.2025

Die neuen Klimaziele der EU stehen fest: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bei der...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsmarkt: Angebot an Mietwohnungen steigt in Ostdeutschland
10.12.2025

Angebot runter, Preise rauf. Doch jetzt dreht sich der Trend – zumindest in Ostdeutschland. Allerdings nicht im Berliner Umland, dafür...