Ob Polizist*innen, Rentner*innen, Kolleg*innen oder auch Journalist*innen: Das "Gendersternchen" wird von einigen Journalisten vermehrt in den Alltag integriert - und steht nun als Begriff auch im Duden. Nach Auffassung der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) ist es jedoch weder konform mit den Regeln der deutschen Grammatik noch mit denen der Rechtschreibung.
Die GfdS - eine politisch unabhängige Vereinigung zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache - befürwortet zwar grundsätzlich eine "diskriminierungsfreie" Sprache. «Das sogenannte Gendersternchen stellt aber aus sprachlicher Sicht kein geeignetes Mittel dar, um dieses Anliegen umzusetzen», teilte sie am vergangenen Donnerstag in Wiesbaden mit.
Es könnten grammatisch falsche Formen entstehen wie Ärzt*in, Bauer*in oder Kolleg*in. Zudem werde auf dem Weg zur "diskriminierungsfreien" Sprache sehr uneinheitlich vorgegangen: Die Stadtverwaltung Lübeck nutze etwa einen Genderdoppelpunkt, die Städte Hannover und Flensburg ein Gendersternchen. Dies führe zu einer uneinheitlichen Rechtschreibung, so die Sprachexperten.
Und: «Wie Personenbezeichnungen mit einem Gendersternchen ausgesprochen werden sollen – beispielsweise mit einer kurzen Sprechpause, unter Auslassung des Sternchens als feminine Form oder als Paarform – ist unklar. Für die Sprechenden und für die Zuhörerinnen und Zuhörer entstehen so Unsicherheiten.» Fazit: «Die GfdS rät daher ausdrücklich davon ab, das Gendersternchen und ähnlich problematische Formen zu verwenden.»
Doch was ist die Alternative? «Eine Lösung haben wir noch nicht», sagt GfdS-Geschäftsführerin Andrea-Eva Ewels. «Wir sitzen auch im Rat für deutsche Rechtschreibung, er befasst sich seit geraumer Zeit mit Möglichkeiten, die Geschlechter sichtbar zu machen.» Die bisher letzte Veröffentlichung des Rates dazu stammt vom November 2018. Dort heißt es, die Entwicklung stehe am Anfang. Und: Geschlechtergerechte Texte sollten verständlich, lesbar und vorlesbar sein.
Mit Blick auf das Gendersternchen, Genderunterstrich beziehungsweise Gendergap (Polizist_innen) oder den Genderdoppelpunkt (Polizist:innen) sagt Ewels: «Da hat sich Einiges verselbstständigt. Wir haben eine normierte Rechtschreibung, die auch in der Schule gelehrt wird - da ist das nicht vorgesehen.» Die Lösung des Problems, nach der weiter gesucht werde, könnte auf mehrere Varianten zielen. Eine könnte das Partizip sein (Lesende, Mitarbeitende).
Seit Mittwoch steht der neue Duden in den Buchläden - erstmals mit dem Begriff Gendersternchen. «Wir haben das Wort aufgenommen, weil es über einen längeren Zeitraum im allgemeinen Sprachgebrauch verankert ist», sagte eine Sprecherin des Duden-Verlags am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Aber: «Es ist keine Empfehlung, das Gendersternchen zu nutzen.» Erstmals gibt es im Duden drei Seiten mit Hinweisen zu gendergerechter Sprache.
Dort heißt es: «Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, "geschlechtergerecht" zu formulieren. Es gibt dafür allerdings keine Norm.» Der Duden gebe einen Überblick über verschiedene Optionen. Aufgelistet sind etwa die Doppelnennung (Kolleginnen und Kollegen) oder der Schrägstrich (Direktor/-in). Einige Schreibweisen seien nicht vom «amtlichen Regelwerk» abgedeckt; etwa der Genderstern, der Genderunterstrich, der Genderdoppelpunkt und das Binnen-I (SchülerInnen).
Die Diskussion um "geschlechtergerechten" Sprache läuft seit Jahren - und es gibt auch Kritiker, die alles ganz beim Alten belassen wollen. So schrieb die AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel in einer Mitteilung im März 2019: «Die sogenannte "gendergerechte" Sprache ist ein Orwell-Projekt. Sie vergewaltigt nicht nur unsere Muttersprache und zertrümmert Texte bis zur Unlesbarkeit, sie will über die Manipulation der Sprache auch unser Denken im Sinne der Gender-Ideologie beeinflussen und kontrollieren.»
Das Gendersternchen bezeichnete Weidel als Unfug. Sie begrüßte den Aufruf des Vereins Deutscher Sprache (VDS/Dortmund) unter dem Motto «Schluss mit Gender-Unfug» - er wurde im vergangenen Jahr gestartet. Zu den Erstunterzeichnern zählten Journalisten, Schriftsteller, Germanisten und Statistiker.