Panorama

Vermuteter Terror vor «Charlie-Hebdo»-Gebäude erschüttert Paris

Lesezeit: 2 min
25.09.2020 16:45  Aktualisiert: 25.09.2020 16:45
Es ist ein symbolischer Ort, an dem zwei Menschen Opfer einer Messerattacke werden. In dem Gebäude, vor dem sich die Tat ereignet, hatte einst «Charlie Hebdo» seine Redaktionsräume. Gerade läuft in Paris der Prozess gegen mögliche Helfer der damaligen Terrorserie.
Vermuteter Terror vor «Charlie-Hebdo»-Gebäude erschüttert Paris
Soldaten eilen zum Tatort. (Foto: dpa)
Foto: Alain Jocard

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Sirenen, abgesperrte Straßen, laute Rufe von Polizisten: In Paris geht nach monatelanger Pause wieder die Angst vor dem Terror um. Vor dem Gebäude, in dem das Satiremagazin «Charlie Hebdo» einst seine Redaktionsräume hatte, sind am Freitag zwei Journalisten bei einer Messerattacke verletzt worden. Die Anti-Terror-Fahnder haben die Ermittlungen übernommen. Die Polizei nahm zwei Verdächtige fest.

Der Vorfall ereignete sich gegen 12 Uhr mittags in der Rue Nicolas Appert. Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Produktionsfirma Premières Lignes, die unter anderem für den Sender France 2 arbeitet, sind bei dem Angriff verletzt worden. Sie sollen gerade eine Raucherpause gemacht haben.

Zwei Verdächtige konnten kurze Zeit später in der Nähe des Tatorts festgenommen werden. Bei einem von ihnen soll es sich der Staatsanwaltschaft zufolge um den Haupttäter handeln. Die Opfer sind nach Angaben von Premierminister Jean Castex nicht in Lebensgefahr. Die Redaktion von «Charlie Hebdo» ist mittlerweile umgezogen - in den damaligen Redaktionsräumen wurden im Januar 2015 elf Menschen brutal ermordet.

Der Hauptverdächtige sei 18 Jahre alt, den Sicherheitsbehörden bekannt und pakistanischer Herkunft, berichtete der Rundfunksender Europe 1 unter Berufung auf Polizeikreise. Ein Polizeivertreter sagte, am Tatort sei eine Machete gefunden worden, ein anderer sprach von einem Fleischerbeil.

Frankreich wird seit Jahren von islamistischen Anschlägen erschüttert - dabei starben mehr als 250 Menschen. Daher ist die Terrorgefahr fast ständig im Bewusstsein der Menschen. Doch zur Zeit kämpft das Land gegen einen anderen Dämon: Das Coronavirus. Jeden Tag gibt es Tausende Neuinfektionen, die Lage verschlechtert sich zusehends. Auch wenn das die Angst vor dem Terror etwas in den Hintergrund hat rücken lassen - rund sieben Kilometer vom Tatort entfernt erinnert beinahe täglich etwas an die Gefahr.

Dort läuft seit Anfang des Monats im Justizpalast der Prozess gegen mutmaßliche Helfer der Terrorserie im Januar 2015, bei der insgesamt 17 Menschen getötet wurden. Nur unter hohen Sicherheitsbedingen kann man den Glaspalast überhaupt betreten. Als der Prozess begann, veröffentlichte «Charlie Hebdo» erneut Mohammed-Karikaturen - und die Redaktion wurde wieder bedroht. In einem offenen Brief stellten sich rund hundert französische Medien hinter das Satiremagazin - und forderten die Menschen im Land auf, sich für Meinungsfreiheit stark zu machen.

Premierminister Castex eilte am Freitagnachmittag zum Tatort im elften Pariser Arrondissement. Er sprach von einem «symbolischen Ort». «Ich möchte meine Solidarität mit den Familien der Opfer und allen Kollegen dieser beiden Journalisten zum Ausdruck bringen», sagte er. Er bekräftigte seine «feste Entschlossenheit», den Terrorismus mit allen Mitteln zu bekämpfen. Auch die Redaktion von «Charlie Hebdo» reagierte: «Das gesamte Team von Charlie unterstützt seine ehemaligen Nachbarn und Kollegen und ist solidarisch mit ihnen.»

Tausende Schülerinnen und Schüler mussten nach dem Angriff am Freitag über Stunden als Vorsichtsmaßnahme in den Schulen ausharren. Eltern konnte ihre Kleinsten nicht aus der Krippe abholen. Wieder einmal war in Paris ein ganzes Viertel Sperrgebiet - schwer bewaffnete Sicherheitskräfte riegelten das gesamte Gebiet im Pariser Osten rund um den Tatort ab, in den Straßen standen zahlreiche Einsatzfahrzeuge. «Merde, merde», fluchte eine alte Dame, die nicht nach Hause kam.

Die Behörden schätzen die Terrorgefahr im Land weiterhin als sehr hoch ein. Dem Kampf gegen den Terrorismus hat Präsident Emmanuel Macron immer höchste Priorität eingeräumt. Im April hatte ein Mann zwei Menschen in Romans-sur-Isère nahe Valence getötet. Im August fielen sechs Franzosen im Niger einem tödlichen Anschlag zum Opfer - die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte die Verantwortung für die Tat übernommen.

Und Frankreich kämpft nicht nur im eigenen Land gegen den Terror: Als ehemalige Kolonialmacht ist Frankreich in Westafrika massiv im Einsatz gegen Islamistenmilizen. Der Anti-Terror-Einsatz «Barkhane» war erst im Februar auf rund 5100 Soldaten aufgestockt worden.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...