Die Leitzinsanhebung der türkischen Zentralbank vom vergangenen Donnerstag konnte den Wertverfall der Landeswährung Lira nicht stoppen. Am Montag markierte diese zum Dollar und zum Euro erneut Allzeit-Tiefststände.
Zum Dollar sackte der Wechselkurs auf etwa 7,82 Lira ab, nachdem er kurz nach der Intervention der Zentralbank vergangene Woche auf etwa 7,50 Lira gesunken war. Zum Euro wird derzeit ein Kursverhältnis von rund 9,13 Lira markiert. Gegenüber dem Dollar belaufen sich die Wertverluste allein im laufenden Jahr auf rund 40 Prozent, zum Euro sind es sogar fast 50 Prozent.
Den jüngsten Abverkauf könnte der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien ausgelöst haben. "Es besteht die Sorge, dass die Türkei in einen weiteren regionalen Konflikt hineingezogen wird", sagte Timothy Ash, Experte bei der Vermögensverwaltung BlueBay. Die Türkei grenzt an Armenien an, ist aber traditionell mit Aserbaidschan verbündet. Die russische Nachrichtenagentur Interfax zitierte am Montag den armenischen Botschafter in Russland mit den Worten, die Türkei habe rund 4.000 Söldner aus Nordsyrien nach Aserbaidschan geschickt. Die strukturellen Ursachen der Liraschwäche sind hingegen seit Langem bekannt.
Vergangene Woche hatte sich die türkische Zentralbank mit einer überraschenden Erhöhung ihrer Leitzinsen gegen eine ausufernde Inflation und den Absturz der Landeswährung Lira gestemmt. Die Währungshüter entschieden auf ihrer Zinssitzung, den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld auf 10,25 Prozent von bislang 8,25 Prozent zu erhöhen, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilte. Es ist die erste Zinsanhebung seit rund zwei Jahren. Die Lira war im vergangenen Monat von Rekordtief zu Rekordtief geeilt.
In diesem Jahr hat die türkische Währung gegenüber dem Dollar bereits 23 Prozent an Wert eingebüßt. Eine hohe Inflation und geschröpfte Devisenreserven der Zentralbank setzen der Landeswährung momentan zu. Im August lag die Teuerung im Land bei 11,77 Prozent. Dazu kommt die steigende Nachfrage der Türken nach harten Devisen angesichts des Währungsverfalls. Nur drei von 17 befragten Volkswirten hatten mit einer Zinserhöhung gerechnet. Die Lira zog nach dem Beschluss zum Dollar auf 7,56 an von zuvor rund 7,71. Das war der stärkste Tagesanstieg seit rund einem Monat.
Zentralbank auf Kollisionskurs mit Erdogan
Mit der Entscheidung gehen die Währungshüter auf Kollisionskurs zu Präsident Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte eine mögliche Anhebung der Leitzinsen wiederholt öffentlich kritisiert und vor solchen Schritten gewarnt - schließlich wurde der frühere Gouverneur der Zentralbank ausgewechselt. Seine Regierung hatte zuletzt auf mehr Unterstützung für die Wirtschaft gedrungen. Denn das Bruttoinlandsprodukt des lange Zeit boomenden Schwellenlandes war angesichts der Corona-Krise von April bis Juni um 11,0 Prozent zum Vorquartal gefallen. Unter anderem die wichtige Tourismusindustrie bekam die Virus-Pandemie deutlich zu spüren.
Aus Sicht der Notenbank hat eine schnelle wirtschaftliche Erholung von dem durch die Krise ausgelösten konjunkturellen Schock die Preise angeschoben. "Die Inflation ist einem Pfad gefolgt, der höher als erwartet war", erklärten die Währungshüter. Die Schritte zur Straffung der Geldpolitik müssten daher verstärkt werden, um die Inflationserwartungen einzudämmen.