Unternehmen

Gewerkschaft IG Metall fordert Einstieg des Staats bei Thyssenkrupp - sonst droht „Zerschlagung“

Als „systemrelevant“ hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet den deutschen Stahl bezeichnet. Die IG Metall nimmt ihn beim Wort und fordert einen Einstieg des Staats bei der kriselnden Stahltochter von Thyssenkrupp. Für Laschet kommt die Debatte zur Unzeit. Doch die IG Metall befürchtet andernfalls eine „Zerschlagung“.
07.10.2020 10:48
Lesezeit: 2 min
Gewerkschaft IG Metall fordert Einstieg des Staats bei Thyssenkrupp - sonst droht „Zerschlagung“
11.12.2018, Nordrhein-Westfalen, Duisburg: Ein Hochöfner arbeitet am Hochofen 2 im Werk Schwelgern von Thyssenkrupp. (Foto: dpa) Foto: Rolf Vennenbernd

Die Krise beim größten deutschen Stahlhersteller Thyssenkrupp spitzt sich nach Einschätzung der IG Metall wegen der Corona-Pandemie dramatisch zu. Die Gewerkschaft hat deshalb den Staat aufgefordert, sich an der Stahlsparte des Traditionskonzerns zu beteiligen. „Thyssenkrupp wird es nicht alleine schaffen“, sagte IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner am Dienstag in Essen, wo sich Stahl-Betriebsräte des Konzerns getroffen hatten. „Der Staat muss einsteigen“, forderte Kerner, der auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats des Gesamtkonzerns ist.

Die Gewerkschaft befürchtet die Zerschlagung des Kernbereichs von Thyssenkrupp und einen massiven Arbeitsplatzabbau. Der Stahl habe so große Finanzprobleme, das „jemand mit einem Koffer Geld“ kommen müsse, sagte Kerner. Die Gewerkschaft hat dabei vor allem das Land Nordrhein-Westfalen als Geldgeber im Blick. Es solle aber keine dauerhafte Staatsbeteiligung geben, betonte Kerner. Das werde Brüssel nicht genehmigen.

Aus der Politik kamen aber ablehnende Signale. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte bereits am Morgen in Berlin erklärt, staatliche Beteiligungen an Thyssenkrupp stünden „derzeit nicht auf der Tagesordnung“. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Rande von Beratungen der EU-Energieminister, er glaube nicht, dass eine Verstaatlichung im Augenblick die richtige Antwort sei. Die Probleme der Stahlindustrie seien nicht in erster Linie mit einer Staatsbeteiligung zu lösen.

Die IG Metall will sich aber mit dem Nein nicht abfinden. Laschet habe den Stahl als „systemrelevant“ bezeichnet. Deshalb müsse er jetzt politische Verantwortung übernehmen. Am 16. Oktober wollen die Stahlkocher den Ministerpräsidenten, der im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der Union antreten möchte, mit einer Demonstration in Düsseldorf daran erinnern. Einige Tausend sollen in Sichtweite der Staatskanzlei aufmarschieren. Es gehe um Menschen, die auch Wähler in dieser Region seien. Im Stahlbereich von Thyssenkrupp sind in NRW laut IG Metall 27.000 Menschen beschäftigt. Direkt und indirekt hingen am Stahl 150.000 Arbeitsplätze.

Die Stahlkocher sind von der Schieflage ihres Unternehmens auch in ihrem Stolz getroffen. „Wir sind kein Zombie-Unternehmen, das irgendwie künstlich am Leben erhalten werden muss“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol. Jahrelang habe der Stahl hohe Gewinne in die Konzernkasse gespült. Dazu werde es auch wieder kommen, wenn ausreichend in die Modernisierung der Hochöfen und Stahlwerke investiert werde.

Thyssenkrupp schreibt beim Stahl tiefrote Zahlen. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres ist ein operativer Verlust von mehr als 700 Millionen Euro aufgelaufen. Überkapazitäten auf den Stahlmärkten sowie ein Nachfrageeinbruch drücken aufs Geschäft. Zudem sind Milliardeninvestitionen in die klimaschonende Produktion erforderlich. Konzernchefin Martina Merz ist deshalb auf der Suche nach einem Partner. „Es gibt keine Denkverbote“, hatte sie betont.

Das Unternehmen äußerte sich nicht direkt zur Forderung nach einer Staatsbeteiligung. Der Umbau zu einer klimaneutralen Stahlproduktion brauche „entsprechende politische Rahmenbedingungen und staatliche Unterstützung“, teilte ein Sprecher mit. Der Konzern sei „unverändert in Gesprächen mit industriellen Partnern“ und unternehme „weitergehende Anstrengungen“ zur Senkung der Kosten, teilte ein Sprecher mit.

Aus Sicht der IG Metall ist Merz bei der Partnersuche bislang aber nicht recht vorangekommen. Es gebe bisher nur Ideen, „kein industrielles Konzept, keinen Finanzplan“, kritisierte Kerner. Was vorliege, lasse „in einen ganz, ganz tiefen Abgrund“ blicken, sagte Detlef Wetzel, der stellvertretende Aufsichtsratschef der Stahlsparte. Es gehe den Interessenten um „Zerschlagung“, „Filetierung der guten Teile“ und „Verramschen von dem, was nicht interessiert“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...

DWN
Politik
Politik EU erzielt Kompromiss über Nachhaltigkeitsberichterstattung - was das konkret bedeutet
11.12.2025

Nach zähen Verhandlungen einigt sich die EU auf weitreichende Entlastungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Doch der Kompromiss...