Finanzen

Auslandsvermögen der Deutschen steigt weiter, Target2 sprengt Billionenmarke

Das Netto-Auslandsvermögen Deutschlands ist 2019 um 345 Milliarden Euro gestiegen. Wirklich gut angelegt ist das Vermögen aber nicht.
08.10.2020 17:15
Lesezeit: 5 min
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Auslandsvermögen der Deutschen steigt weiter, Target2 sprengt Billionenmarke
Ein Teil des deutschen Auslandsvermögens könnte im Härtefall noch weniger wert sein als Papier. (Foto: dpa) Foto: Deutsche Bundesbank

Der Bundesbank zufolge betrug das Netto-Auslandsvermögen Deutschlands Ende 2019 damit 2 472 Milliarden Euro, was zu diesem Zeitpunkt etwa 72 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte.

345 Milliarden Euro: Um diese stattliche Summe erhöhten sich die Netto-Forderungen Deutschlands gegenüber dem Ausland.

Vor allem der Wert von ausländischen Finanzanlagen nahm zu

Den Großteil des Anstiegs machten Wertpapiere im Ausland aus. Der Gesamtwert an ausländischen Wertpapieren in Besitz deutscher Anleger stieg im Vergleich zum Vorjahr um 426 Milliarden Euro (oder 14,6 Prozent) auf 3343 Milliarden. Schuldverschreibungen (größtenteils langfristige) machten 165 Milliarden, Aktien 138 Milliarden und Investmentzertifikate 122 Milliarden des Anstiegs aus.

Die Nachfrage nach ausländischen Schuldscheinen stieg enorm, getrieben durch die höheren Renditen im Vergleich zu den fast durchweg negativ verzinsten deutschen Papieren. Auslandsanleihen und -aktien, wurden vermehrt über Anteile an Investmentfonds erworben.

Die Deutschen profitierten enorm von Kurssteigerungen auf ihre finanziellen Vermögenswerte im Ausland. Erhöhte Marktpreise hatten einen deutlich größeren Effekt als die zwischenzeitliche Euro-Abwertung. Zusammengenommen zeichneten sich diese beiden Effekte für rund zwei Drittel der Wertsteigerung des Bestands an ausländischen Wertpapieren verantwortlich.

Daneben erhöhten sich die Direktinvestitionen brutto um 151 Milliarden Euro (oder 7,2 Prozent) auf 2258 Milliarden. Hier waren weniger Bewertungssteigerungen als vielmehr ein erhöhtes Volumen entscheidend. Unternehmen und Investoren erhöhten vor allem ihr Beteiligungskapital an ausländischen Firmen, vergaben aber auch mehr grenzüberschreitende Kredite an verbundene Unternehmen.

Target 2 Saldo 2019 leicht rückläufig

Die Netto-Forderungen der monetären Finanzinstitute stieg um 30 Milliarden Euro. Der Target2-Saldo der Bundesbank (Forderungen gegenüber der EZB) verringerte sich um 71 Milliarden Euro auf 895 Milliarden. Ein Grund dafür war, dass die Nettokäufe der EZB im Rahmen des temporären Stopps des Anleihekaufprogramms (von Januar bis Oktober) ausgesetzt waren. Wenn im Rahmen der Asset-Käufe ausländische Wertpapiere – vor allem Staatsanleihen – von der EZB erworben werden, dann kann zu einer Erhöhung der Target2-Forderungen führen. Denn die vorherigen (meist ausländischen) Besitzer halten ihre Wertpapiere oft am Finanzstandort Frankfurt. Dann fließt indirekt Kapital aus Deutschland ab, für das jeweilige Land verringert sich das Auslandvermögen in Deutschland.

Trotzdem stieg die Netto-Position der Bundesbank um 26 Milliarden an, weil ihre Auslandsverbindlichkeiten noch stärker sanken.

Mehr Währungsreserven

Die Währungsreserven der Bundesbank beliefen sich Ende 2019 auf 199 Milliarden Euro und damit 26 Milliarden höher als ein Jahr zuvor. Hauptursache für die Zunahme waren die durch den Preisanstieg höher bewerteten Goldreserven.

Brutto stieg die Vermögensposition gegenüber dem Ausland um rund 600 Milliarden Euro. Weil aber auch das Ausland sein hierzulande angelegtes Vermögen steigern konnte, blieb unter dem Strich „nur“ das erwähnte Nettoergebnis von plus 345 Milliarden. Netto-Kapitalexporte machten 206 Milliarden Euro aus. Die restlichen 139 Milliarden resultierten aus gestiegenen Markt-Bewertungen der Positionen (sogenannte nicht transaktionsbedingte Veränderungen).

Überblick über einige Daten zum deutschen Auslandsvermögen

Mittlerweilen liegen einige Datensätze der Bundesbank für April 2020 vor:

Seit Einführung des Euro steigt das deutsche Auslandsvermögen stetig an.

Das Vermögen ist aber sehr unterschiedlich in den Sektoren verteilt:

  • Unternehmen: Die Unternehmen in Deutschland sind Netto-Schuldner gegenüber dem Ausland: Ende April 2020 überstiegen ihre Verbindlichkeiten aus Finanzbeziehungen und Handelskrediten mit 1.328 Milliarden Euro die entsprechenden Forderungen in Höhe von 963 Milliarden. Ergibt netto minus 365 Milliarden.
  • Banken: Monetäre Finanzinstitute haben Netto-Forderungen gegen das Ausland von rund 250 Milliarden Euro.
  • Bundesbank: Die Bundesbank hält ein Netto-Auslandsvermögen von ungefähr 700 Milliarden Euro (Target2-Saldo etwa 920 Milliarden).
  • Sonstige Finanzielle Kapitalgesellschaften (ohne Banken) und Private Haushalte: Der Privatsektor hat ein gewaltiges Netto-Auslandsvermögen von über 2700 Milliarden Euro. Der überwiegende Teil steckt in Investmentfonds und Versicherungen.
  • Staat: Der deutsche Staat ist mit circa 900 Milliarden Euro gegenüber dem Ausland verschuldet.

Ein Großteil des Netto-Auslandsvermögens sind die Target2-Forderungen der Bundesbank:

Auf dem Papier sieht der Anstieg des Auslandsvermögens in den letzten 20 Jahren sehr ansehnlich aus. Wenn aber davon aktuell fast 40 Prozent Target2-Forderungen sind, dann muss man sich schon fragen, wie gut das Vermögen angelegt ist. Denn Target2 ist ein Verrechnungsposten im Euro-internen Zahlungsverkehr, der keinen echten Wert darstellt.

Das Problem mit den Target2-Salden

Seit dem ersten Quartal hat sich hier auch wieder einiges getan. Die Target2-Forderungen der Bundesbank stiegen auf Rekordwerte von über einer Billion Euro.

„Target2“ bezeichnet das Clearingsystem der nationalen Zentralbanken in der Eurozone. Clearing House ist dementsprechend die europäische Zentralbank (EZB). Ein positiver Target2-Saldo reflektiert kumulierte Leistungsbilanzüberschüsse (durch Waren- und Kapitalverkehr), die nur durch Zentralbankgeld im übertragenen Sinn „auf Kredit“ bezahlt wurden. Der Target2-Saldo kann sich außerdem durch die Asset-Käufe der Zentralbanken verändern (siehe oben).

Überschüsse im Warenhandel entstehen, wenn ein Land mehr exportiert als es importiert. Überschüsse in der Kapitalbilanz entstehen, wenn höhere Anlagesummen aus ausländischen Ländern in das Land fließen als umgekehrt über Finanzanlagen ins Ausland herausfließen. In beiden Fällen handelt es sich um einen Netto-Export von Kapital aus dem Überschuss-Land. Das Defizit-Land importiert netto Kapital, was aus einer makroökonomischen Perspektive einer erhöhten Verschuldung gegenüber dem Ausland gleichkommt.

Beispielsweise steigt dar deutsche Target2-Saldo, wenn ein Italiener eine Immobilie in Deutschland kauft, seine Bank aber nicht genügen Liquidität hat, um die Überweisung nach Deutschland zu leisten.

Wenn der italienischen Bank kein Interbanken-Kredit gewährt wird, muss sie sich Basisgeld bei der italienischen Zentralbank leihen, die es dann über EZB und Bundesbank nach Deutschland „überweist“, oder besser gesagt bucht. Dadurch steigen die Target2-Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB (indirekt ist es eine Forderung gegen die italienische Zentralbank). Den Großteil des deutschen Target2-Saldos machen Forderungen gegenüber den südeuropäischen Ländern aus. Länder wie Italien und Spanien haben also einen negativen Target2-Saldo mit Deutschland.

Vordergründig handelt es sich um ein Ungleichgewicht im Euro-Bankensektor, welches aber durch Ungleichgewichte in der Handels- und Kapitalbilanz zwischen den beiden Ländern verursacht wird. Das Problem besteht in dieser Form nur, weil die teils sehr unterschiedlichen Länder dieselbe Währung verwenden. Zu Zeiten des Goldstandards trugen Leistungsbilanzüberschüsse noch zum Aufbau von Goldreserven bei, heutzutage reicht es nur noch für fragwürdige Buchwerte.

Der deutsche Immobilien-Verkäufer aus dem Beispiel ist nicht betroffen, solange seine Bank zahlungsfähig bleibt. Aber im Bankensystem türmen sich enorme Risiken auf. Beim Ausfall von Interbank-Krediten sind nur die jeweiligen deutschen Kreditinstitute betroffen. Ein potentieller Ausfall der Target2-Forderungen (wozu es bei einem Austritt der Südländer aus dem Euro wahrscheinlich käme) tangiert dagegen das ganze Land, da ein großer Teil des deutschen Netto-Auslandsvermögens verpuffen würde.

Ist ein von der Bundesbank verwalteter Staatsfonds die Lösung?

Im April legte der Unternehmer Hans Albrecht auf dem Blog des Ökonomen Daniel Stelter seine Idee zur Lösung der Target2-Problematik dar. Vereinfacht gesagt soll die Bundesbank – mit neu geschaffenem Geld – in den Target2-Schuldnerländern (jeweils in Höhe des Teil-Saldos) Vermögenswerte aufkaufen. Die Target2-Forderungen würden damit auf null sinken und über entsprechende (Staats-)Fonds-Vehikel könnte man gleichzeitig die prekäre Altersversorgung der deutschen Bevölkerung auf solidere Beine stellen.

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