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Vier Tote nach islamistischem Terror-Anschlag in Wien

Lesezeit: 3 min
03.11.2020 09:55  Aktualisiert: 03.11.2020 09:55
Die Zahl der Opfer des Terroranschlags in Wien steigt. Die Polizei ist weiter mit einem Großaufgebot unterwegs. Es gab auch erste Festnahmen. Aber es bleiben viele Fragen.
Vier Tote nach islamistischem Terror-Anschlag in Wien
Polizisten am 3. November in Wien. (Foto: dpa)
Foto: Herbert Pfarrhofer

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Nach der Terrorattacke in Wien, bei der vier Passanten starben, schweben nach Angaben des Gesundheitsverbunds noch viele Opfer in Lebensgefahr. Mindestens sieben Menschen seien «in kritischem, lebensbedrohlichem Zustand», sagte eine Sprecherin des Klinikverbandes am Dienstagmorgen der Nachrichtenagentur APA. Zur Identität der Verletzten machte sie keine Angaben. Insgesamt würden 17 Opfer des Angriffs vom Montagabend in mehreren Spitälern behandelt, sagte die Sprecherin weiter. Ein beim Anschlag verletzter Polizist befinde sich in «kritisch-stabilem» Zustand.

Nach offiziellen Angaben bei der Attacke sind mindestens vier Passanten getötet worden. Es handele sich um zwei Männer und zwei Frauen, bestätigte der österreichische Innenminister Karl Nehammer der Nachrichtenagentur APA. Zudem wurde ein Täter mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund von der Polizei erschossen. Ob er einen oder mehrere Komplizen hatte, ist aus Sicht der Behörden weiter unklar. «Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt», sagte Nehammer am frühen Morgen. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren.

Die Attacke geht nach den Worten von Nehammer auf das Konto mindestens eines islamistischen Terroristen. Der Attentäter sei ein Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen, sagte Nehammer am Dienstagmorgen. Er sei mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen und habe zudem eine Sprengstoffgürtel-Attrappe getragen. Er habe offenbar Panik verbreiten wollen. Im Umfeld des Täters wurden mehrere Objekte durchsucht. Es seien mehrere Personen festgenommen worden, hieß es aus dem Innenministerium ohne weitere Details.

Die Bevölkerung habe der Polizei inzwischen Tausende von Videoaufnahmen für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Die Wohnung des Verdächtigen sei auf der Suche nach belastendem Material durchsucht worden, hieß es. 1000 Beamte seien in Wien im Einsatz.

Die Wiener Innenstadt war zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an.

Angesichts des Anschlags will sich Kanzler Sebastian Kurz um 11.30 Uhr in einer Rede an die Bevölkerung wenden. Um 12 Uhr empfangen Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sowie die Fraktionschefs der Parlamentsparteien im Bundeskanzleramt zu einem Gespräch. Danach folgt eine gemeinsame Kranzniederlegung am Tatort, um der Opfer zu gedenken. Aufgrund der weiteren polizeilichen Ermittlungen wurden die Bürger dazu aufgerufen, die Innenstadt zu meiden.

Der Terrorangriff ereignete sich wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdowns in Österreich. Seit Mitternacht sind alle Gaststätten im Kampf gegen die Corona-Pandemie geschlossen. Die ersten Schüsse fielen am Montagabend gegen 20 Uhr nahe der Hauptsynagoge in einem Ausgehviertel Wiens. Nach Augenzeugenberichten feuerte der Täter wahllos in die Lokale. Ein Mann brach tödlich getroffen auf einem Bürgersteig zusammen. Viele Passanten rannten in Panik davon. Einige erhoben die Hände, um der Polizei zu zeigen, dass sie nicht bewaffnet sind.

«Wer einen von uns angreift, greift uns alle an», sagte Nehammer. Kurz verurteilte den Angriff als «widerwärtigen Terroranschlag».

Der Polizei zufolge gab es sechs verschiedene Tatorte. Einer davon liegt direkt neben der Synagoge. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne nicht gesagt werden, ob sie eines der Ziele war. «Fest steht allerdings, dass sowohl die Synagoge (...) als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen waren.»

Spitzenpolitiker in aller Welt zeigten sich betroffen. «Nach einem weiteren abscheulichen Terrorakt in Europa sind unsere Gebete bei den Menschen in Wien», schrieb US-Präsident Donald Trump am späten Montagabend (Ortszeit) auf Twitter. Die USA stünden an der Seite Österreichs, Frankreichs und ganz Europas im Kampf gegen Terroristen, einschließlich radikal-islamische Terroristen.

Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden twitterte, er und seine Frau Jill beteten nach dem schrecklichen Terrorangriff in Wien für die Opfer und deren Familien. «Wir müssen alle vereint gegen Hass und Gewalt eintreten», ergänzte er. In den USA wird am Dienstag ein neuer Präsident gewählt.

Der russische Präsident Wladimir Putin verurteilte den Terroranschlag als ein «brutales und zynisches Verbrechen». Israels Staats- und Regierungsspitze verurteilte die Attacke ebenfalls. «Unsere Gedanken und Gebete sind mit den Österreichern, während wir die verabscheuungswürdige Terrorattacke aus der vergangenen Nacht in Wien mit Sorge verfolgen», schrieb der israelische Präsident Reuven Rivlin am Dienstag bei Twitter. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte Österreich volle Solidarität zu.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Deutsch auf Twitter: «Nach Frankreich ist es ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nichts nachgeben.» In Frankreich hatte es in den vergangenen Wochen drei Anschläge gegeben, die Ermittler gehen jeweils von einem islamistischen Hintergrund aus.


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